tin eins vorbereitet, fallen müssen, eh der Tag siegreich Alles erhellt; in der unsichern Beleuchtung des dämmern¬ den Morgens stolpern die Meisten, -- aber ich weiß auch, daß dieser einleitende Nachtheil Eurer großen Skla¬ verei vorzuziehen ist, welche den Menschen der Mensch¬ heit opfert. Mir ist der Staat des Einzelnen wegen da, Dir der Einzelne des Staats wegen. Darin ruht der große Unterschied. Ich opfere Einzelne für den künftigen allgemeinen Gewinn, Du opferst Alle für eine regelmäßige Maschine. Das Individuum soll allerdings mit seiner Persönlichkeit zurücktreten, um die Allgemein¬ heit zu fördern, aber dies soll das Ergebniß der Bil¬ dung, der überzeugten Resignation sein, ein Akt der Freiheit, und so rettet das Individuum seine Freiheit durch seine Opfer. Das Opfer wird aber von Tage zu Tage geringer, da die Zahl der selbstständigen Indivi¬ duen größer wird, und am Ende keines dem andern mehr in den Weg tritt -- so wird endlich der Einzelne und die Allgemeinheit frei: Dein Einzelner bleibt aber ewig Sklav.
Darum tadle ich es nicht einmal, wenn sich das Individuum glänzend geltend macht, ich tadle es nur, wenn ein andres darunter leidet.
tin eins vorbereitet, fallen müſſen, eh der Tag ſiegreich Alles erhellt; in der unſichern Beleuchtung des dämmern¬ den Morgens ſtolpern die Meiſten, — aber ich weiß auch, daß dieſer einleitende Nachtheil Eurer großen Skla¬ verei vorzuziehen iſt, welche den Menſchen der Menſch¬ heit opfert. Mir iſt der Staat des Einzelnen wegen da, Dir der Einzelne des Staats wegen. Darin ruht der große Unterſchied. Ich opfere Einzelne für den künftigen allgemeinen Gewinn, Du opferſt Alle für eine regelmäßige Maſchine. Das Individuum ſoll allerdings mit ſeiner Perſönlichkeit zurücktreten, um die Allgemein¬ heit zu fördern, aber dies ſoll das Ergebniß der Bil¬ dung, der überzeugten Reſignation ſein, ein Akt der Freiheit, und ſo rettet das Individuum ſeine Freiheit durch ſeine Opfer. Das Opfer wird aber von Tage zu Tage geringer, da die Zahl der ſelbſtſtändigen Indivi¬ duen größer wird, und am Ende keines dem andern mehr in den Weg tritt — ſo wird endlich der Einzelne und die Allgemeinheit frei: Dein Einzelner bleibt aber ewig Sklav.
Darum tadle ich es nicht einmal, wenn ſich das Individuum glänzend geltend macht, ich tadle es nur, wenn ein andres darunter leidet.
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tin eins vorbereitet, fallen müſſen, eh der Tag ſiegreich
Alles erhellt; in der unſichern Beleuchtung des dämmern¬
den Morgens ſtolpern die Meiſten, — aber ich weiß
auch, daß dieſer einleitende Nachtheil Eurer großen Skla¬
verei vorzuziehen iſt, welche den Menſchen der Menſch¬
heit opfert. Mir iſt der Staat des Einzelnen wegen
da, Dir der Einzelne des Staats wegen. Darin ruht
der große Unterſchied. Ich opfere Einzelne für den
künftigen allgemeinen Gewinn, Du opferſt Alle für eine
regelmäßige Maſchine. Das Individuum ſoll allerdings
mit ſeiner Perſönlichkeit zurücktreten, um die Allgemein¬
heit zu fördern, aber dies ſoll das Ergebniß der Bil¬
dung, der überzeugten Reſignation ſein, ein Akt der
Freiheit, und ſo rettet das Individuum ſeine Freiheit
durch ſeine Opfer. Das Opfer wird aber von Tage zu
Tage geringer, da die Zahl der ſelbſtſtändigen Indivi¬
duen größer wird, und am Ende keines dem andern
mehr in den Weg tritt — ſo wird endlich der Einzelne
und die Allgemeinheit frei: Dein Einzelner bleibt aber
ewig Sklav.
Darum tadle ich es nicht einmal, wenn ſich das
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/48>, abgerufen am 02.03.2025.
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