Daß Du nicht in der Nähe des Walter Scott gelebt, als er seine "Schwärmer" schrieb, bedaure ich lebhaft; Du hättest ihm ja das beste Bild eines hartnäckigen und hartmäuligen Presbyterianers gege¬ ben. O über Euch schlimme Menschen! Weil Ihr nun einen Käfig zusammengesetzt, in dem Ihr Euch wohl befindet, verlangt Ihr denn nun ungezogen tyran¬ nisch, es solle alle Welt in diesen Käfig kriechen. Ihr habt Euerm innern und äußern Menschen ein Kleid zu¬ geschnitten, und alle Welt soll nun hineinkriechen, es mag ihr zu eng oder zu weit sein. Erinnere Dich, Freund, daß ich Dich nie Deines Systems halber getadelt habe, wenn auch das System nicht das meine ist -- ich bin ein Mann der Freiheit, und sitze zur Seite ihres holden Töchterleins mit den lieben, klaren Augen, der Toleranz. Du sprichst aber despotische Worte und klagst doch wunderlich genug uns Leute der leichteren Moral, des Despotismus an.
Du berufst Dich zuerst auf die demokratische Ten¬ denz unsrer Zeit, der wir huldigen, und verlangst Zu¬ rückdrängen des Einzelnen, damit die Allgemeinheit ge¬ deihe. Das hat seine vollkommne Richtigkeit und es
Valerius an William.
Daß Du nicht in der Nähe des Walter Scott gelebt, als er ſeine „Schwärmer“ ſchrieb, bedaure ich lebhaft; Du hätteſt ihm ja das beſte Bild eines hartnäckigen und hartmäuligen Presbyterianers gege¬ ben. O über Euch ſchlimme Menſchen! Weil Ihr nun einen Käfig zuſammengeſetzt, in dem Ihr Euch wohl befindet, verlangt Ihr denn nun ungezogen tyran¬ niſch, es ſolle alle Welt in dieſen Käfig kriechen. Ihr habt Euerm innern und äußern Menſchen ein Kleid zu¬ geſchnitten, und alle Welt ſoll nun hineinkriechen, es mag ihr zu eng oder zu weit ſein. Erinnere Dich, Freund, daß ich Dich nie Deines Syſtems halber getadelt habe, wenn auch das Syſtem nicht das meine iſt — ich bin ein Mann der Freiheit, und ſitze zur Seite ihres holden Töchterleins mit den lieben, klaren Augen, der Toleranz. Du ſprichſt aber despotiſche Worte und klagſt doch wunderlich genug uns Leute der leichteren Moral, des Despotismus an.
Du berufſt Dich zuerſt auf die demokratiſche Ten¬ denz unſrer Zeit, der wir huldigen, und verlangſt Zu¬ rückdrängen des Einzelnen, damit die Allgemeinheit ge¬ deihe. Das hat ſeine vollkommne Richtigkeit und es
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Valerius an William.
Daß Du nicht in der Nähe des Walter Scott
gelebt, als er ſeine „Schwärmer“ ſchrieb, bedaure
ich lebhaft; Du hätteſt ihm ja das beſte Bild eines
hartnäckigen und hartmäuligen Presbyterianers gege¬
ben. O über Euch ſchlimme Menſchen! Weil Ihr
nun einen Käfig zuſammengeſetzt, in dem Ihr Euch
wohl befindet, verlangt Ihr denn nun ungezogen tyran¬
niſch, es ſolle alle Welt in dieſen Käfig kriechen. Ihr
habt Euerm innern und äußern Menſchen ein Kleid zu¬
geſchnitten, und alle Welt ſoll nun hineinkriechen, es mag
ihr zu eng oder zu weit ſein. Erinnere Dich, Freund, daß ich
Dich nie Deines Syſtems halber getadelt habe, wenn auch
das Syſtem nicht das meine iſt — ich bin ein Mann
der Freiheit, und ſitze zur Seite ihres holden Töchterleins
mit den lieben, klaren Augen, der Toleranz. Du ſprichſt
aber despotiſche Worte und klagſt doch wunderlich genug
uns Leute der leichteren Moral, des Despotismus an.
Du berufſt Dich zuerſt auf die demokratiſche Ten¬
denz unſrer Zeit, der wir huldigen, und verlangſt Zu¬
rückdrängen des Einzelnen, damit die Allgemeinheit ge¬
deihe. Das hat ſeine vollkommne Richtigkeit und es
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/45>, abgerufen am 02.03.2025.
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