gen, und wie klar liegt der Ursprung alles dessen vor Augen.
Unfähig sich durch großartige Zusammendrängung der neu entdeckten Gefühle und Gedankenkreise auszu¬ zeichnen, etwas die allgemeine Aufmerksamkeit Ueberwäl¬ tigendes zu liefern, aber doch gedrängt und gestachelt durch weibische Eitelkeit, enthüllten sie wie jener Nann in der Bibel die eigne Schaam, brachten sie die ganze Rumpelkammer der früheren Poesie, die Hobelspäne der früheren Werke hervor, putzten sie mit modernen Klei¬ dern auf, und gaben sie hin für Gedichte. Die faule Welt, die so viel Sociales zu thun hatte, daß ihr keine Zeit blieb für die Räume des besten inneren Menschen, nahm die Wechselbälge wohlgefällig hin, weil sie in ihrer bunten Tracht nur eines flüchtigen Blicks bedurften und kein sorgfältiges Beschauen, keine Zeit, keine Thätigkeit in Anspruch nahmen. Das einmal Gebilligte war Re¬ gel geworden und nächstens erwarte ich das Unanstän¬ digste, weil die heutige Welt doch erst auf der Spitze des Berges umkehren wird. Es ist wie mit dem Ver¬ dauungsprozeß -- das isi ein Bild aus Eurer Schule -- der kranke Magen fördert die halbrohen Speisen weiter, der gesunde zertheilt, zerlegt sie bis in die kleinsten Atome:
gen, und wie klar liegt der Urſprung alles deſſen vor Augen.
Unfähig ſich durch großartige Zuſammendrängung der neu entdeckten Gefühle und Gedankenkreiſe auszu¬ zeichnen, etwas die allgemeine Aufmerkſamkeit Ueberwäl¬ tigendes zu liefern, aber doch gedrängt und geſtachelt durch weibiſche Eitelkeit, enthüllten ſie wie jener Nann in der Bibel die eigne Schaam, brachten ſie die ganze Rumpelkammer der früheren Poeſie, die Hobelſpäne der früheren Werke hervor, putzten ſie mit modernen Klei¬ dern auf, und gaben ſie hin für Gedichte. Die faule Welt, die ſo viel Sociales zu thun hatte, daß ihr keine Zeit blieb für die Räume des beſten inneren Menſchen, nahm die Wechſelbälge wohlgefällig hin, weil ſie in ihrer bunten Tracht nur eines flüchtigen Blicks bedurften und kein ſorgfältiges Beſchauen, keine Zeit, keine Thätigkeit in Anſpruch nahmen. Das einmal Gebilligte war Re¬ gel geworden und nächſtens erwarte ich das Unanſtän¬ digſte, weil die heutige Welt doch erſt auf der Spitze des Berges umkehren wird. Es iſt wie mit dem Ver¬ dauungsprozeß — das iſi ein Bild aus Eurer Schule — der kranke Magen fördert die halbrohen Speiſen weiter, der geſunde zertheilt, zerlegt ſie bis in die kleinſten Atome:
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0042"n="32"/>
gen, und wie klar liegt der Urſprung alles deſſen vor<lb/>
Augen.</p><lb/><p>Unfähig ſich durch großartige Zuſammendrängung<lb/>
der neu entdeckten Gefühle und Gedankenkreiſe auszu¬<lb/>
zeichnen, etwas die allgemeine Aufmerkſamkeit Ueberwäl¬<lb/>
tigendes zu liefern, aber doch gedrängt und geſtachelt<lb/>
durch weibiſche Eitelkeit, enthüllten ſie wie jener Nann<lb/>
in der Bibel die eigne Schaam, brachten ſie die ganze<lb/>
Rumpelkammer der früheren Poeſie, die Hobelſpäne der<lb/>
früheren Werke hervor, putzten ſie mit modernen Klei¬<lb/>
dern auf, und gaben ſie hin für Gedichte. Die faule<lb/>
Welt, die ſo viel Sociales zu thun hatte, daß ihr keine<lb/>
Zeit blieb für die Räume des beſten inneren Menſchen,<lb/>
nahm die Wechſelbälge wohlgefällig hin, weil ſie in ihrer<lb/>
bunten Tracht nur eines flüchtigen Blicks bedurften und<lb/>
kein ſorgfältiges Beſchauen, keine Zeit, keine Thätigkeit<lb/>
in Anſpruch nahmen. Das einmal Gebilligte war Re¬<lb/>
gel geworden und nächſtens erwarte ich das Unanſtän¬<lb/>
digſte, weil die heutige Welt doch erſt auf der Spitze<lb/>
des Berges umkehren wird. Es iſt wie mit dem Ver¬<lb/>
dauungsprozeß — das iſi ein Bild aus Eurer Schule —<lb/>
der kranke Magen fördert die halbrohen Speiſen weiter,<lb/>
der geſunde zertheilt, zerlegt ſie bis in die kleinſten Atome:<lb/></p></div></body></text></TEI>
[32/0042]
gen, und wie klar liegt der Urſprung alles deſſen vor
Augen.
Unfähig ſich durch großartige Zuſammendrängung
der neu entdeckten Gefühle und Gedankenkreiſe auszu¬
zeichnen, etwas die allgemeine Aufmerkſamkeit Ueberwäl¬
tigendes zu liefern, aber doch gedrängt und geſtachelt
durch weibiſche Eitelkeit, enthüllten ſie wie jener Nann
in der Bibel die eigne Schaam, brachten ſie die ganze
Rumpelkammer der früheren Poeſie, die Hobelſpäne der
früheren Werke hervor, putzten ſie mit modernen Klei¬
dern auf, und gaben ſie hin für Gedichte. Die faule
Welt, die ſo viel Sociales zu thun hatte, daß ihr keine
Zeit blieb für die Räume des beſten inneren Menſchen,
nahm die Wechſelbälge wohlgefällig hin, weil ſie in ihrer
bunten Tracht nur eines flüchtigen Blicks bedurften und
kein ſorgfältiges Beſchauen, keine Zeit, keine Thätigkeit
in Anſpruch nahmen. Das einmal Gebilligte war Re¬
gel geworden und nächſtens erwarte ich das Unanſtän¬
digſte, weil die heutige Welt doch erſt auf der Spitze
des Berges umkehren wird. Es iſt wie mit dem Ver¬
dauungsprozeß — das iſi ein Bild aus Eurer Schule —
der kranke Magen fördert die halbrohen Speiſen weiter,
der geſunde zertheilt, zerlegt ſie bis in die kleinſten Atome:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/42>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.