wenn die Dame schön geht, sie ringt mit ihm, wenn unschön. Daher ist es so gräulich, wenn plump Ge¬ wachsene einen sogenannten Anlauf nehmen -- es wird mir so unbehaglich dabei, als wenn ich schwere Gänse zum Fliegen ansetzen sehe. Es ist dann ein Rücken, Ziehen und Heben der Schultern und Hüften, ein Len¬ ken und Renken mit den Armen -- das schönste Mädchen könnte durch solchen Gang meine Illusion zerstören. Rosa's Leichtigkeit hält mein Wünschen in stetem Schwe¬ ben, sie erzeugt eine ästhetische Behaglichkeit, wie ich sie über Alles liebe. Auch ihr Kopf, Hals, Nacken, ihre Schultern -- alles athmet in einer rasch geboge¬ nen Wellenlinie so viel Leichtigkeit, daß mein Auge auf diesen geflügelten Formen mit einer Wonne herumhüpft, wie die heiterste Sehnsucht nach Lust in warmer Som¬ mernacht auf den spielenden, lauen Lüftchen. Nichts an allen diesen Formen ist starrer Stillstand, wie plätschernde Wellen nickt und wiegt Alles. Ein reiches, nußbrau¬ nes Haar trägt sie auf griechische Weise leicht hinter den Scheitel zusammengenestelt; wie herausfordernde lose Schalke fliegen die kleinen zierlichen Löckchen vom Hin¬ terkopf herunter, als wollten sie erinnern, man müßte die vorüberfliegende Schönheit der Nymphe fassen. Glatt
wenn die Dame ſchön geht, ſie ringt mit ihm, wenn unſchön. Daher iſt es ſo gräulich, wenn plump Ge¬ wachſene einen ſogenannten Anlauf nehmen — es wird mir ſo unbehaglich dabei, als wenn ich ſchwere Gänſe zum Fliegen anſetzen ſehe. Es iſt dann ein Rücken, Ziehen und Heben der Schultern und Hüften, ein Len¬ ken und Renken mit den Armen — das ſchönſte Mädchen könnte durch ſolchen Gang meine Illuſion zerſtören. Roſa's Leichtigkeit hält mein Wünſchen in ſtetem Schwe¬ ben, ſie erzeugt eine äſthetiſche Behaglichkeit, wie ich ſie über Alles liebe. Auch ihr Kopf, Hals, Nacken, ihre Schultern — alles athmet in einer raſch geboge¬ nen Wellenlinie ſo viel Leichtigkeit, daß mein Auge auf dieſen geflügelten Formen mit einer Wonne herumhüpft, wie die heiterſte Sehnſucht nach Luſt in warmer Som¬ mernacht auf den ſpielenden, lauen Lüftchen. Nichts an allen dieſen Formen iſt ſtarrer Stillſtand, wie plätſchernde Wellen nickt und wiegt Alles. Ein reiches, nußbrau¬ nes Haar trägt ſie auf griechiſche Weiſe leicht hinter den Scheitel zuſammengeneſtelt; wie herausfordernde loſe Schalke fliegen die kleinen zierlichen Löckchen vom Hin¬ terkopf herunter, als wollten ſie erinnern, man müßte die vorüberfliegende Schönheit der Nymphe faſſen. Glatt
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wenn die Dame ſchön geht, ſie ringt mit ihm, wenn
unſchön. Daher iſt es ſo gräulich, wenn plump Ge¬
wachſene einen ſogenannten Anlauf nehmen — es wird
mir ſo unbehaglich dabei, als wenn ich ſchwere Gänſe
zum Fliegen anſetzen ſehe. Es iſt dann ein Rücken,
Ziehen und Heben der Schultern und Hüften, ein Len¬
ken und Renken mit den Armen — das ſchönſte Mädchen
könnte durch ſolchen Gang meine Illuſion zerſtören.
Roſa's Leichtigkeit hält mein Wünſchen in ſtetem Schwe¬
ben, ſie erzeugt eine äſthetiſche Behaglichkeit, wie ich
ſie über Alles liebe. Auch ihr Kopf, Hals, Nacken,
ihre Schultern — alles athmet in einer raſch geboge¬
nen Wellenlinie ſo viel Leichtigkeit, daß mein Auge auf
dieſen geflügelten Formen mit einer Wonne herumhüpft,
wie die heiterſte Sehnſucht nach Luſt in warmer Som¬
mernacht auf den ſpielenden, lauen Lüftchen. Nichts an
allen dieſen Formen iſt ſtarrer Stillſtand, wie plätſchernde
Wellen nickt und wiegt Alles. Ein reiches, nußbrau¬
nes Haar trägt ſie auf griechiſche Weiſe leicht hinter den
Scheitel zuſammengeneſtelt; wie herausfordernde loſe
Schalke fliegen die kleinen zierlichen Löckchen vom Hin¬
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/28>, abgerufen am 16.07.2024.
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