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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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land danke ich die teutsche Sprache; für dies Geschenk
bin ich um so dankbarer als ich keiner andern mächtig
bin. So bin ich sehr erklärlich -- ein Teutscher, denn
wenn man zu keiner andern Nation gehört, so muß
man ein Teutscher sein. Uebrigens bin ich es aus
Gewohnheit, Temperament etc. -- der Patriotismus ist
einseitig, klein, aber er ist praktisch nützlich, beglückend,
beruhigend etc.; der Kosmopolitismus ist herrlich, groß,
aber für einen Menschen fast zu groß, der Gedanke
ist schön, aber das Resultat für dies Leben ist innre
Zerrissenheit, Humor. Eine gute Tragödie muß jetzt
mindestens zum fünften Theil humoristisch sein.

Donnerwetter, was ist das für patriotisch albernes
Zeug, ich reise doch morgen nach Paris und werde
Franzos. Ja so, das wißt Ihr noch nicht, daß dies
mein letzter Brief aus Berlin ist. Holla, ins moderne
Babel reis' ich morgen! Was soll ich mit dem vielen
Gelde machen? Es giebt hier gar keine Gelegenheit,
dafür munter zu sein unter dem steifem Volk, unter
freien fröhlichen Parisern will ich leben und gegen den
dummen Polignac will ich schreiben -- dort knirscht
der Minister mit den Zähnen gegen die frechen Wahr¬
heiten, aber dort brauchen die Pässe der Wahrheit keine

land danke ich die teutſche Sprache; für dies Geſchenk
bin ich um ſo dankbarer als ich keiner andern mächtig
bin. So bin ich ſehr erklärlich — ein Teutſcher, denn
wenn man zu keiner andern Nation gehört, ſo muß
man ein Teutſcher ſein. Uebrigens bin ich es aus
Gewohnheit, Temperament ꝛc. — der Patriotismus iſt
einſeitig, klein, aber er iſt praktiſch nützlich, beglückend,
beruhigend ꝛc.; der Kosmopolitismus iſt herrlich, groß,
aber für einen Menſchen faſt zu groß, der Gedanke
iſt ſchön, aber das Reſultat für dies Leben iſt innre
Zerriſſenheit, Humor. Eine gute Tragödie muß jetzt
mindeſtens zum fünften Theil humoriſtiſch ſein.

Donnerwetter, was iſt das für patriotiſch albernes
Zeug, ich reiſe doch morgen nach Paris und werde
Franzos. Ja ſo, das wißt Ihr noch nicht, daß dies
mein letzter Brief aus Berlin iſt. Holla, ins moderne
Babel reiſ' ich morgen! Was ſoll ich mit dem vielen
Gelde machen? Es giebt hier gar keine Gelegenheit,
dafür munter zu ſein unter dem ſteifem Volk, unter
freien fröhlichen Pariſern will ich leben und gegen den
dummen Polignac will ich ſchreiben — dort knirſcht
der Miniſter mit den Zähnen gegen die frechen Wahr¬
heiten, aber dort brauchen die Päſſe der Wahrheit keine

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[160/0170] land danke ich die teutſche Sprache; für dies Geſchenk bin ich um ſo dankbarer als ich keiner andern mächtig bin. So bin ich ſehr erklärlich — ein Teutſcher, denn wenn man zu keiner andern Nation gehört, ſo muß man ein Teutſcher ſein. Uebrigens bin ich es aus Gewohnheit, Temperament ꝛc. — der Patriotismus iſt einſeitig, klein, aber er iſt praktiſch nützlich, beglückend, beruhigend ꝛc.; der Kosmopolitismus iſt herrlich, groß, aber für einen Menſchen faſt zu groß, der Gedanke iſt ſchön, aber das Reſultat für dies Leben iſt innre Zerriſſenheit, Humor. Eine gute Tragödie muß jetzt mindeſtens zum fünften Theil humoriſtiſch ſein. Donnerwetter, was iſt das für patriotiſch albernes Zeug, ich reiſe doch morgen nach Paris und werde Franzos. Ja ſo, das wißt Ihr noch nicht, daß dies mein letzter Brief aus Berlin iſt. Holla, ins moderne Babel reiſ' ich morgen! Was ſoll ich mit dem vielen Gelde machen? Es giebt hier gar keine Gelegenheit, dafür munter zu ſein unter dem ſteifem Volk, unter freien fröhlichen Pariſern will ich leben und gegen den dummen Polignac will ich ſchreiben — dort knirſcht der Miniſter mit den Zähnen gegen die frechen Wahr¬ heiten, aber dort brauchen die Päſſe der Wahrheit keine

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/170>, abgerufen am 24.11.2024.