kümmerte sie nicht. Plötzlich zeigte sich eine heftige Op¬ position gegen ihre Verehrer, man zischte und lärmte, wenn sie applaudirt wurde. Die Anzettelung war nicht zu verkennen, aber Desdemona litt unsäglich dabei: end¬ lich erklärte sie, es sei ihr unmöglich vor einem Publi¬ kum zu spielen, was sie nicht wolle, ihr Gefühl erstarre zu Eis, sie sterbe darüber. Der Director des Theaters, ein Einfaltspinsel, der seine Kasse gefährdet glaubte, willigte in ihre Kündigung. Desdemona ward frei; aber mit Entsetzen sah ich, wie sie verging in der neuen Un¬ thätigkeit -- sie gestand mir weinend, daß sie stürbe, wenn sie nicht spielen könne. Aber sie könne nicht von mir gehen, um ein andres Engagement, was man ihr geboten, anzunehmen. Was blieb mir übrig? Sollt' ich das schöne innige Weib sich verzehren sehn, dessen Lebensodem die Kunst war? Ich küßte eines Abends den Abschied auf ihr weiches Antlitz, der Mond schien zitternd durch die Blätter der Bäume, unter denen wir standen, ihr Kopf lag wie ein verbleichender Stern an meiner Brust, sie schluchzte leise, obwohl ich ihr nichts gesagt, daß es ein langer Abschied sei. Ihre zartgespon¬ nene Seele fühlte fein wie die Mimosa, sie ging mit mir bis an die Gartenthür, ihr ganzer Körper schauerte,
kümmerte ſie nicht. Plötzlich zeigte ſich eine heftige Op¬ poſition gegen ihre Verehrer, man ziſchte und lärmte, wenn ſie applaudirt wurde. Die Anzettelung war nicht zu verkennen, aber Desdemona litt unſäglich dabei: end¬ lich erklärte ſie, es ſei ihr unmöglich vor einem Publi¬ kum zu ſpielen, was ſie nicht wolle, ihr Gefühl erſtarre zu Eis, ſie ſterbe darüber. Der Director des Theaters, ein Einfaltspinſel, der ſeine Kaſſe gefährdet glaubte, willigte in ihre Kündigung. Desdemona ward frei; aber mit Entſetzen ſah ich, wie ſie verging in der neuen Un¬ thätigkeit — ſie geſtand mir weinend, daß ſie ſtürbe, wenn ſie nicht ſpielen könne. Aber ſie könne nicht von mir gehen, um ein andres Engagement, was man ihr geboten, anzunehmen. Was blieb mir übrig? Sollt' ich das ſchöne innige Weib ſich verzehren ſehn, deſſen Lebensodem die Kunſt war? Ich küßte eines Abends den Abſchied auf ihr weiches Antlitz, der Mond ſchien zitternd durch die Blätter der Bäume, unter denen wir ſtanden, ihr Kopf lag wie ein verbleichender Stern an meiner Bruſt, ſie ſchluchzte leiſe, obwohl ich ihr nichts geſagt, daß es ein langer Abſchied ſei. Ihre zartgeſpon¬ nene Seele fühlte fein wie die Mimoſa, ſie ging mit mir bis an die Gartenthür, ihr ganzer Körper ſchauerte,
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kümmerte ſie nicht. Plötzlich zeigte ſich eine heftige Op¬
poſition gegen ihre Verehrer, man ziſchte und lärmte,
wenn ſie applaudirt wurde. Die Anzettelung war nicht
zu verkennen, aber Desdemona litt unſäglich dabei: end¬
lich erklärte ſie, es ſei ihr unmöglich vor einem Publi¬
kum zu ſpielen, was ſie nicht wolle, ihr Gefühl erſtarre
zu Eis, ſie ſterbe darüber. Der Director des Theaters,
ein Einfaltspinſel, der ſeine Kaſſe gefährdet glaubte,
willigte in ihre Kündigung. Desdemona ward frei; aber
mit Entſetzen ſah ich, wie ſie verging in der neuen Un¬
thätigkeit — ſie geſtand mir weinend, daß ſie ſtürbe,
wenn ſie nicht ſpielen könne. Aber ſie könne nicht von
mir gehen, um ein andres Engagement, was man ihr
geboten, anzunehmen. Was blieb mir übrig? Sollt'
ich das ſchöne innige Weib ſich verzehren ſehn, deſſen
Lebensodem die Kunſt war? Ich küßte eines Abends
den Abſchied auf ihr weiches Antlitz, der Mond ſchien
zitternd durch die Blätter der Bäume, unter denen wir
ſtanden, ihr Kopf lag wie ein verbleichender Stern an
meiner Bruſt, ſie ſchluchzte leiſe, obwohl ich ihr nichts
geſagt, daß es ein langer Abſchied ſei. Ihre zartgeſpon¬
nene Seele fühlte fein wie die Mimoſa, ſie ging mit
mir bis an die Gartenthür, ihr ganzer Körper ſchauerte,
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/159>, abgerufen am 16.07.2024.
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