gen, die schmerzlichste, rührendste, tragische Maske, die je ein Maler gebildet, worauf die bezauberndste Trauer ruhte, sah so durchweichend theilgebend in mein Antlitz, daß alles sinnliche Leben zum ersten Male diesem Weibe gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße Hand tändelte wie arabischer Wohlgeruch auf meinen Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬ sten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin, so ward unsere Vereinigung darum vielleicht so wunder¬ lich, so tödtlich -- ich weiß es, Desdemona wird nie einen Mann nach mir lieben. Sie legte sich wie ein süß schmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend bat, ihn nicht zu verscheuchen. Ich sollte ihr erzählen, was mir begegnet sei. Die kleinlichen Winkelzüge der platten Glücksritter hasse ich; dieser Seele gegenüber, die mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag, hätte ich das Schrecklichste nicht verschwiegen: ich erzählte ihr lächelnd mit Weglassung der Namen -- Alles. Das Zuhören dieses Weibes bekundete eine Liebe, wie ich sie auf dieser Welt noch nicht gesehen. Nicht die flüchtigste Entrüstung flog über das schöne Gesicht, ja sie lächelte mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und als ich zu End' war, hielt sie mir die Augen zu und
gen, die ſchmerzlichſte, rührendſte, tragiſche Maske, die je ein Maler gebildet, worauf die bezauberndſte Trauer ruhte, ſah ſo durchweichend theilgebend in mein Antlitz, daß alles ſinnliche Leben zum erſten Male dieſem Weibe gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße Hand tändelte wie arabiſcher Wohlgeruch auf meinen Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬ ſten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin, ſo ward unſere Vereinigung darum vielleicht ſo wunder¬ lich, ſo tödtlich — ich weiß es, Desdemona wird nie einen Mann nach mir lieben. Sie legte ſich wie ein ſüß ſchmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend bat, ihn nicht zu verſcheuchen. Ich ſollte ihr erzählen, was mir begegnet ſei. Die kleinlichen Winkelzüge der platten Glücksritter haſſe ich; dieſer Seele gegenüber, die mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag, hätte ich das Schrecklichſte nicht verſchwiegen: ich erzählte ihr lächelnd mit Weglaſſung der Namen — Alles. Das Zuhören dieſes Weibes bekundete eine Liebe, wie ich ſie auf dieſer Welt noch nicht geſehen. Nicht die flüchtigſte Entrüſtung flog über das ſchöne Geſicht, ja ſie lächelte mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und als ich zu End' war, hielt ſie mir die Augen zu und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0154"n="144"/>
gen, die ſchmerzlichſte, rührendſte, tragiſche Maske, die<lb/>
je ein Maler gebildet, worauf die bezauberndſte Trauer<lb/>
ruhte, ſah ſo durchweichend theilgebend in mein Antlitz,<lb/>
daß alles ſinnliche Leben zum erſten Male dieſem Weibe<lb/>
gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße<lb/>
Hand tändelte wie arabiſcher Wohlgeruch auf meinen<lb/>
Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬<lb/>ſten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin,<lb/>ſo ward unſere Vereinigung darum vielleicht ſo wunder¬<lb/>
lich, ſo tödtlich — ich weiß es, Desdemona wird nie<lb/>
einen Mann nach mir lieben. Sie legte ſich wie ein<lb/>ſüß ſchmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend<lb/>
bat, ihn nicht zu verſcheuchen. Ich ſollte ihr erzählen,<lb/>
was mir begegnet ſei. Die kleinlichen Winkelzüge der<lb/>
platten Glücksritter haſſe ich; dieſer Seele gegenüber, die<lb/>
mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag,<lb/>
hätte ich das Schrecklichſte nicht verſchwiegen: ich erzählte<lb/>
ihr lächelnd mit Weglaſſung der Namen — Alles. Das<lb/>
Zuhören dieſes Weibes bekundete eine Liebe, wie ich ſie<lb/>
auf dieſer Welt noch nicht geſehen. Nicht die flüchtigſte<lb/>
Entrüſtung flog über das ſchöne Geſicht, ja ſie lächelte<lb/>
mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und<lb/>
als ich zu End' war, hielt ſie mir die Augen zu und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[144/0154]
gen, die ſchmerzlichſte, rührendſte, tragiſche Maske, die
je ein Maler gebildet, worauf die bezauberndſte Trauer
ruhte, ſah ſo durchweichend theilgebend in mein Antlitz,
daß alles ſinnliche Leben zum erſten Male dieſem Weibe
gegenüber aus meinen Adern wich. Die kleine weiße
Hand tändelte wie arabiſcher Wohlgeruch auf meinen
Zügen herum. Desdemona war das Weib des reizend¬
ſten Sterbens, und da ich ein Mann des Lebens bin,
ſo ward unſere Vereinigung darum vielleicht ſo wunder¬
lich, ſo tödtlich — ich weiß es, Desdemona wird nie
einen Mann nach mir lieben. Sie legte ſich wie ein
ſüß ſchmerzlicher Traum in meine Arme, der flehend
bat, ihn nicht zu verſcheuchen. Ich ſollte ihr erzählen,
was mir begegnet ſei. Die kleinlichen Winkelzüge der
platten Glücksritter haſſe ich; dieſer Seele gegenüber, die
mit offenem blutenden Herzen immer wahr vor mir lag,
hätte ich das Schrecklichſte nicht verſchwiegen: ich erzählte
ihr lächelnd mit Weglaſſung der Namen — Alles. Das
Zuhören dieſes Weibes bekundete eine Liebe, wie ich ſie
auf dieſer Welt noch nicht geſehen. Nicht die flüchtigſte
Entrüſtung flog über das ſchöne Geſicht, ja ſie lächelte
mit, wenn ich in meiner Erzählung mich freute, und
als ich zu End' war, hielt ſie mir die Augen zu und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/154>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.