Die Sehnsucht, wieder einmal mit Menschen um¬ zugehen, läßt mich schreiben -- mit Menschen, denn hier giebt es nur Oberpräsidenten, Unterofficiere, Lieu¬ tenants, Regierungsräthe etc. -- so wenig Ihr -- ich hoffe, Du wirst mein Sendschreiben unserm erlauchten Kreise mittheilen -- nach diesem Eingange von meinem hiesigen Nichtleben erwarten mögt, so fange ich doch damit an, und gehe erst später zu Angenehmerem.
Wenn zur Glückseligkeit weiter nichts erforderlich ist als gutes Essen und Trinken, Tabak, Whist, Piquet, Patent-Visiten, Gesellschaften, reine Wäschen nd ein gu¬ tes Bett, so bin ich jetzt überaus glücklich. Doch ist mir's, als fehlten mir noch einige Kleinigkeiten.
Man lebt hier ein thrakisches (böotisch ist durch uns nobilitirt) und selbst für mich, der ich doch kein Kostverächter bin, tragisches Leben. Ich lebe wie mit
1 *
1. Constantin an Valerius.
Den 20. März 1830.
Die Sehnſucht, wieder einmal mit Menſchen um¬ zugehen, läßt mich ſchreiben — mit Menſchen, denn hier giebt es nur Oberpräſidenten, Unterofficiere, Lieu¬ tenants, Regierungsräthe ꝛc. — ſo wenig Ihr — ich hoffe, Du wirſt mein Sendſchreiben unſerm erlauchten Kreiſe mittheilen — nach dieſem Eingange von meinem hieſigen Nichtleben erwarten mögt, ſo fange ich doch damit an, und gehe erſt ſpäter zu Angenehmerem.
Wenn zur Glückſeligkeit weiter nichts erforderlich iſt als gutes Eſſen und Trinken, Tabak, Whiſt, Piquet, Patent-Viſiten, Geſellſchaften, reine Wäſchen nd ein gu¬ tes Bett, ſo bin ich jetzt überaus glücklich. Doch iſt mir's, als fehlten mir noch einige Kleinigkeiten.
Man lebt hier ein thrakiſches (böotiſch iſt durch uns nobilitirt) und ſelbſt für mich, der ich doch kein Koſtverächter bin, tragiſches Leben. Ich lebe wie mit
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1.
Constantin an Valerius.
Den 20. März 1830.
Die Sehnſucht, wieder einmal mit Menſchen um¬
zugehen, läßt mich ſchreiben — mit Menſchen, denn
hier giebt es nur Oberpräſidenten, Unterofficiere, Lieu¬
tenants, Regierungsräthe ꝛc. — ſo wenig Ihr — ich
hoffe, Du wirſt mein Sendſchreiben unſerm erlauchten
Kreiſe mittheilen — nach dieſem Eingange von meinem
hieſigen Nichtleben erwarten mögt, ſo fange ich doch
damit an, und gehe erſt ſpäter zu Angenehmerem.
Wenn zur Glückſeligkeit weiter nichts erforderlich
iſt als gutes Eſſen und Trinken, Tabak, Whiſt, Piquet,
Patent-Viſiten, Geſellſchaften, reine Wäſchen nd ein gu¬
tes Bett, ſo bin ich jetzt überaus glücklich. Doch iſt
mir's, als fehlten mir noch einige Kleinigkeiten.
Man lebt hier ein thrakiſches (böotiſch iſt durch
uns nobilitirt) und ſelbſt für mich, der ich doch kein
Koſtverächter bin, tragiſches Leben. Ich lebe wie mit
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/13>, abgerufen am 16.02.2025.
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