den Schwertknöpfen und die Urvölker an den Häup¬ tern, über welche sie Thierhäupter zogen. "Was halten Sie von Shakespeare und dem Othello?" warf die Fürstin dazwischen. Wenn ich eine Frau wäre, ent¬ gegnete ich, würde mir die Desdemona nicht gefallen, weil sie der ausgeprägteste Typus von weiblicher Erge¬ benheit ist, und ich hasse als Mann die Ergebenheit; sie ist wie ein rührendes Lied; man muß das Lied lieben, ich liebe aber auch gern den Dichter des Liedes. Vom Dichten ist aber nichts an ihr, sie ist nur gedich¬ tet, sie ist durch und durch Passivum -- sie ist nur Thräne, darum ein reizendes Weib; der Mann liebt aber den Schmerz mehr als die Thräne. Sie ist zum Sterben, zum Vergehen liebenswürdig, der Mann braucht aber weniger Todesmuth als Lebensmuth; Sterben ist leichter als Leben. Aber sie ist so verführerisch weiblich liebenswürdig, daß man mit ihr sterben möchte, und dies ist ihr einziges Unrecht. Ihr Vater, Shakespeare, aber ist ein braver Mann. -- "Ein wenig roh," setzte der Fürst hinzu. -- Beefsteak, Durchlaucht, Beefsteak -- und die Natur ist nicht für Alle anständig, der Herr¬ gott hat die Etikette nicht erfunden. Der Mann mit den Sternen auf der Brust schwatzte noch viel albernes
den Schwertknöpfen und die Urvölker an den Häup¬ tern, über welche ſie Thierhäupter zogen. „Was halten Sie von Shakespeare und dem Othello?“ warf die Fürſtin dazwiſchen. Wenn ich eine Frau wäre, ent¬ gegnete ich, würde mir die Desdemona nicht gefallen, weil ſie der ausgeprägteſte Typus von weiblicher Erge¬ benheit iſt, und ich haſſe als Mann die Ergebenheit; ſie iſt wie ein rührendes Lied; man muß das Lied lieben, ich liebe aber auch gern den Dichter des Liedes. Vom Dichten iſt aber nichts an ihr, ſie iſt nur gedich¬ tet, ſie iſt durch und durch Paſſivum — ſie iſt nur Thräne, darum ein reizendes Weib; der Mann liebt aber den Schmerz mehr als die Thräne. Sie iſt zum Sterben, zum Vergehen liebenswürdig, der Mann braucht aber weniger Todesmuth als Lebensmuth; Sterben iſt leichter als Leben. Aber ſie iſt ſo verführeriſch weiblich liebenswürdig, daß man mit ihr ſterben möchte, und dies iſt ihr einziges Unrecht. Ihr Vater, Shakespeare, aber iſt ein braver Mann. — „Ein wenig roh,“ ſetzte der Fürſt hinzu. — Beefſteak, Durchlaucht, Beefſteak — und die Natur iſt nicht für Alle anſtändig, der Herr¬ gott hat die Etikette nicht erfunden. Der Mann mit den Sternen auf der Bruſt ſchwatzte noch viel albernes
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den Schwertknöpfen und die Urvölker an den Häup¬
tern, über welche ſie Thierhäupter zogen. „Was halten
Sie von Shakespeare und dem Othello?“ warf die
Fürſtin dazwiſchen. Wenn ich eine Frau wäre, ent¬
gegnete ich, würde mir die Desdemona nicht gefallen,
weil ſie der ausgeprägteſte Typus von weiblicher Erge¬
benheit iſt, und ich haſſe als Mann die Ergebenheit;
ſie iſt wie ein rührendes Lied; man muß das Lied
lieben, ich liebe aber auch gern den Dichter des Liedes.
Vom Dichten iſt aber nichts an ihr, ſie iſt nur gedich¬
tet, ſie iſt durch und durch Paſſivum — ſie iſt nur
Thräne, darum ein reizendes Weib; der Mann liebt
aber den Schmerz mehr als die Thräne. Sie iſt zum
Sterben, zum Vergehen liebenswürdig, der Mann braucht
aber weniger Todesmuth als Lebensmuth; Sterben iſt
leichter als Leben. Aber ſie iſt ſo verführeriſch weiblich
liebenswürdig, daß man mit ihr ſterben möchte, und
dies iſt ihr einziges Unrecht. Ihr Vater, Shakespeare,
aber iſt ein braver Mann. — „Ein wenig roh,“ ſetzte
der Fürſt hinzu. — Beefſteak, Durchlaucht, Beefſteak —
und die Natur iſt nicht für Alle anſtändig, der Herr¬
gott hat die Etikette nicht erfunden. Der Mann mit
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/112>, abgerufen am 17.02.2025.
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