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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

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Einleitung.
zum Ziele schreitende Handlung -- umsonst, ich war eben im
Paroxismus, ich zwang den Struensee nieder, ich schrieb in
fünf Wochen "die Bernsteinhexe" und sagte getrost: Das
soll und wird den meisten Kritikern als alter Stoff und derbe
Gestalt nicht gefallen, aber es wird ein kräftiges Theaterstück
sein, welches ein tief nationales Thema deutschen Lebens
zur Anschauung bringt, und welches auf eine ungeschminkte
Schilderung historischen Lebens Anspruch machen kann.

Kaum war es beendigt und an einige Bühnen ver-
sendet, so ward angekündigt, daß auch in Darmstadt Herr
Nodnagel mit Dramatisirung dieses Stoffes beschäftigt
sei, ein Zeichen, wie nahe die dramatische Versuchung
gelegen. Uebrigens sei beiläufig bemerkt, daß dieses Stück
bei den Theatern kein Hinderniß fand, und daß es der
Wiener Censur allein vorbehalten blieb, auch in diesem
Thema des Hexenprozesses einen Anstoß und Anlaß zum
Verbote zu entdecken: ein hoher Beamter (der Amtshaupt-
mann) werde darin bloßgestellt!

Das Hamburger Stadttheater brachte die erste Auf-
führung des Stücks, und dort sah ich es selbst zum ersten
Male auf den Brettern. Einer unsrer ersten Künstler,
Herr Grunert, hatte demselben seine besondere Theil-
nahme zugewendet und die Rolle des Amtshauptmann
mit derjenigen Sorgfalt und gründlichen Umsicht ein-
studirt, welche ihm eigen sind und ihn so vortheilhaft aus-
zeichnen. Das Dämonische des Charakters reizte ihn zur
Entwickelung all der feinen Wendungen im Vortrage und

Einleitung.
zum Ziele ſchreitende Handlung — umſonſt, ich war eben im
Paroxismus, ich zwang den Struenſee nieder, ich ſchrieb in
fuͤnf Wochen „die Bernſteinhexe“ und ſagte getroſt: Das
ſoll und wird den meiſten Kritikern als alter Stoff und derbe
Geſtalt nicht gefallen, aber es wird ein kraͤftiges Theaterſtuͤck
ſein, welches ein tief nationales Thema deutſchen Lebens
zur Anſchauung bringt, und welches auf eine ungeſchminkte
Schilderung hiſtoriſchen Lebens Anſpruch machen kann.

Kaum war es beendigt und an einige Buͤhnen ver-
ſendet, ſo ward angekuͤndigt, daß auch in Darmſtadt Herr
Nodnagel mit Dramatiſirung dieſes Stoffes beſchaͤftigt
ſei, ein Zeichen, wie nahe die dramatiſche Verſuchung
gelegen. Uebrigens ſei beilaͤufig bemerkt, daß dieſes Stuͤck
bei den Theatern kein Hinderniß fand, und daß es der
Wiener Cenſur allein vorbehalten blieb, auch in dieſem
Thema des Hexenprozeſſes einen Anſtoß und Anlaß zum
Verbote zu entdecken: ein hoher Beamter (der Amtshaupt-
mann) werde darin bloßgeſtellt!

Das Hamburger Stadttheater brachte die erſte Auf-
fuͤhrung des Stuͤcks, und dort ſah ich es ſelbſt zum erſten
Male auf den Brettern. Einer unſrer erſten Kuͤnſtler,
Herr Grunert, hatte demſelben ſeine beſondere Theil-
nahme zugewendet und die Rolle des Amtshauptmann
mit derjenigen Sorgfalt und gruͤndlichen Umſicht ein-
ſtudirt, welche ihm eigen ſind und ihn ſo vortheilhaft aus-
zeichnen. Das Daͤmoniſche des Charakters reizte ihn zur
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[26/0032] Einleitung. zum Ziele ſchreitende Handlung — umſonſt, ich war eben im Paroxismus, ich zwang den Struenſee nieder, ich ſchrieb in fuͤnf Wochen „die Bernſteinhexe“ und ſagte getroſt: Das ſoll und wird den meiſten Kritikern als alter Stoff und derbe Geſtalt nicht gefallen, aber es wird ein kraͤftiges Theaterſtuͤck ſein, welches ein tief nationales Thema deutſchen Lebens zur Anſchauung bringt, und welches auf eine ungeſchminkte Schilderung hiſtoriſchen Lebens Anſpruch machen kann. Kaum war es beendigt und an einige Buͤhnen ver- ſendet, ſo ward angekuͤndigt, daß auch in Darmſtadt Herr Nodnagel mit Dramatiſirung dieſes Stoffes beſchaͤftigt ſei, ein Zeichen, wie nahe die dramatiſche Verſuchung gelegen. Uebrigens ſei beilaͤufig bemerkt, daß dieſes Stuͤck bei den Theatern kein Hinderniß fand, und daß es der Wiener Cenſur allein vorbehalten blieb, auch in dieſem Thema des Hexenprozeſſes einen Anſtoß und Anlaß zum Verbote zu entdecken: ein hoher Beamter (der Amtshaupt- mann) werde darin bloßgeſtellt! Das Hamburger Stadttheater brachte die erſte Auf- fuͤhrung des Stuͤcks, und dort ſah ich es ſelbſt zum erſten Male auf den Brettern. Einer unſrer erſten Kuͤnſtler, Herr Grunert, hatte demſelben ſeine beſondere Theil- nahme zugewendet und die Rolle des Amtshauptmann mit derjenigen Sorgfalt und gruͤndlichen Umſicht ein- ſtudirt, welche ihm eigen ſind und ihn ſo vortheilhaft aus- zeichnen. Das Daͤmoniſche des Charakters reizte ihn zur Entwickelung all der feinen Wendungen im Vortrage und

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/32>, abgerufen am 24.11.2024.