was ich denn mit dem Steinsprenger vorhätte? Derselbe sei eben auf ein entferntes Revier beordert worden und habe eingewendet, daß er übermorgen eine Arbeit für mich übernommen. Ob dem so wäre, und ob ich den Mann wirklich brauchte? -- Aus innerer Scheu vor dem Aben- teuer bestand ich nicht auf Freigebung des Steinsprengers, und ich hab' ihn nicht wieder gesehen.
Er selbst war also doch nicht zurückgetreten und ver- traute also auf seine Macht! Das war ein Jahr vor dem Augenblicke geschehn, da ich die "Marie Schweidler" auf meinem Tische fand. Wer konnte also geneigter sein als ich, auf die Hexengeschichte dieses Buches einzugehen! Man spielt ja so gerne mit dem Stolze der Aufklärung, deren Epoche wir angehören, wenn dies Spielen auf dem dunklen Hintergrunde der Hamletworte geschehen kann: "Es giebt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich unsre Philosophie nichts träumen läßt." Man läßt sich gar so gerne auslachen von denen, welche die ganze sichtbare und unsichtbare Welt als einen kleinen Knäuel von Kategorien auf der Zunge mit sich herumführen zu jeder Zeit. Man macht so gerne gegen sich selbst Oppo- sition. Jch wenigstens muß von mir selbst gestehen, daß ich niemals an die Dauer und Fertigkeit der eben herr- schenden Anschauungen glaube, und daß mir der Gläubige mit den eben beliebten Figuren seiner Phantasie wie der Philosoph mit der eben entdeckten Absolutheit seiner Fol- gerungen gleichmäßig nur Gegenstände der Curiosität
Einleitung.
was ich denn mit dem Steinſprenger vorhaͤtte? Derſelbe ſei eben auf ein entferntes Revier beordert worden und habe eingewendet, daß er uͤbermorgen eine Arbeit fuͤr mich uͤbernommen. Ob dem ſo waͤre, und ob ich den Mann wirklich brauchte? — Aus innerer Scheu vor dem Aben- teuer beſtand ich nicht auf Freigebung des Steinſprengers, und ich hab’ ihn nicht wieder geſehen.
Er ſelbſt war alſo doch nicht zuruͤckgetreten und ver- traute alſo auf ſeine Macht! Das war ein Jahr vor dem Augenblicke geſchehn, da ich die „Marie Schweidler“ auf meinem Tiſche fand. Wer konnte alſo geneigter ſein als ich, auf die Hexengeſchichte dieſes Buches einzugehen! Man ſpielt ja ſo gerne mit dem Stolze der Aufklaͤrung, deren Epoche wir angehoͤren, wenn dies Spielen auf dem dunklen Hintergrunde der Hamletworte geſchehen kann: „Es giebt Dinge zwiſchen Himmel und Erde, von denen ſich unſre Philoſophie nichts traͤumen laͤßt.“ Man laͤßt ſich gar ſo gerne auslachen von denen, welche die ganze ſichtbare und unſichtbare Welt als einen kleinen Knaͤuel von Kategorien auf der Zunge mit ſich herumfuͤhren zu jeder Zeit. Man macht ſo gerne gegen ſich ſelbſt Oppo- ſition. Jch wenigſtens muß von mir ſelbſt geſtehen, daß ich niemals an die Dauer und Fertigkeit der eben herr- ſchenden Anſchauungen glaube, und daß mir der Glaͤubige mit den eben beliebten Figuren ſeiner Phantaſie wie der Philoſoph mit der eben entdeckten Abſolutheit ſeiner Fol- gerungen gleichmaͤßig nur Gegenſtaͤnde der Curioſitaͤt
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Einleitung.
was ich denn mit dem Steinſprenger vorhaͤtte? Derſelbe
ſei eben auf ein entferntes Revier beordert worden und
habe eingewendet, daß er uͤbermorgen eine Arbeit fuͤr mich
uͤbernommen. Ob dem ſo waͤre, und ob ich den Mann
wirklich brauchte? — Aus innerer Scheu vor dem Aben-
teuer beſtand ich nicht auf Freigebung des Steinſprengers,
und ich hab’ ihn nicht wieder geſehen.
Er ſelbſt war alſo doch nicht zuruͤckgetreten und ver-
traute alſo auf ſeine Macht! Das war ein Jahr vor dem
Augenblicke geſchehn, da ich die „Marie Schweidler“ auf
meinem Tiſche fand. Wer konnte alſo geneigter ſein als
ich, auf die Hexengeſchichte dieſes Buches einzugehen!
Man ſpielt ja ſo gerne mit dem Stolze der Aufklaͤrung,
deren Epoche wir angehoͤren, wenn dies Spielen auf dem
dunklen Hintergrunde der Hamletworte geſchehen kann:
„Es giebt Dinge zwiſchen Himmel und Erde, von denen
ſich unſre Philoſophie nichts traͤumen laͤßt.“ Man laͤßt
ſich gar ſo gerne auslachen von denen, welche die ganze
ſichtbare und unſichtbare Welt als einen kleinen Knaͤuel
von Kategorien auf der Zunge mit ſich herumfuͤhren zu
jeder Zeit. Man macht ſo gerne gegen ſich ſelbſt Oppo-
ſition. Jch wenigſtens muß von mir ſelbſt geſtehen, daß
ich niemals an die Dauer und Fertigkeit der eben herr-
ſchenden Anſchauungen glaube, und daß mir der Glaͤubige
mit den eben beliebten Figuren ſeiner Phantaſie wie der
Philoſoph mit der eben entdeckten Abſolutheit ſeiner Fol-
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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/27>, abgerufen am 02.03.2025.
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