Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.Einleitung. die Scharfrichterei, wo es nach meiner Wissenschaft auchlauter unheimliche Künste gab, wenigstens eine unbegreif- liche Macht über die Thierwelt. Die Eindrücke jener Stunde vor Mitternacht habe Um Mitternacht kam gewöhnlich Erlösung, eine Er- Einleitung. die Scharfrichterei, wo es nach meiner Wiſſenſchaft auchlauter unheimliche Kuͤnſte gab, wenigſtens eine unbegreif- liche Macht uͤber die Thierwelt. Die Eindruͤcke jener Stunde vor Mitternacht habe Um Mitternacht kam gewoͤhnlich Erloͤſung, eine Er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> die Scharfrichterei, wo es nach meiner Wiſſenſchaft auch<lb/> lauter unheimliche Kuͤnſte gab, wenigſtens eine unbegreif-<lb/> liche Macht uͤber die Thierwelt.</p><lb/> <p>Die Eindruͤcke jener Stunde vor Mitternacht habe<lb/> ich nie vergeſſen, und im Gedaͤchtniſſe derſelben bin ich<lb/> jederzeit bereit, Geſpenſter- und Hexengeſchichten bis auf<lb/> einen gewiſſen Grad andaͤchtig anzuhoͤren.</p><lb/> <p>Um Mitternacht kam gewoͤhnlich Erloͤſung, eine Er-<lb/> loͤſung, vor der ich mich auch fuͤrchtete bis ſie eintrat.<lb/> All mein Nervenleben kroch in den Ohren zuſammen und<lb/> lauſchte, ob ſich des Brauers ſchluͤrfende Pantoffeln ganz<lb/> fern oben auf den Malzboͤden hoͤren ließen. Ja! zitternd<lb/> klang es in mir Ja! und die Beklemmung ſteigerte ſich,<lb/> bis oben an der ſchwarzen Treppe die Thuͤr knarrte und<lb/> quietſchte und der Alte hervortrat im weißen Schafpelze.<lb/> Sobald ich den weißen Schafpelz ſah, wußte ich, es war<lb/> der Brauer, ein wirkliches Menſchenkind, und athmete<lb/> auf. Gleichzeitig oͤffnete auch immer die Mutter Schoͤn-<lb/> knechten ihre kleinen Augen: es ſchien eine Sympathie<lb/> zu herrſchen zwiſchen den beiden Leuten. Nun fragte<lb/> der Brauer von oben, ob Alles in Ordnung ſei, und ſie<lb/> antwortete unten, ohne ſich umzukehren: Freilich! Dann<lb/> verſuchte er einen Scherz, den ſie nicht beantwortete, und<lb/> dann fragte er mich, ob „mir nicht graute“, worauf ſie<lb/> ſtatt meiner patzig erwiderte: Warum nicht gar! Der<lb/> Brauer ſchlug nun eine kurze Lache auf, welche von da<lb/> oben durch das leere Haus garſtig widerhallte; dann trat<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0022]
Einleitung.
die Scharfrichterei, wo es nach meiner Wiſſenſchaft auch
lauter unheimliche Kuͤnſte gab, wenigſtens eine unbegreif-
liche Macht uͤber die Thierwelt.
Die Eindruͤcke jener Stunde vor Mitternacht habe
ich nie vergeſſen, und im Gedaͤchtniſſe derſelben bin ich
jederzeit bereit, Geſpenſter- und Hexengeſchichten bis auf
einen gewiſſen Grad andaͤchtig anzuhoͤren.
Um Mitternacht kam gewoͤhnlich Erloͤſung, eine Er-
loͤſung, vor der ich mich auch fuͤrchtete bis ſie eintrat.
All mein Nervenleben kroch in den Ohren zuſammen und
lauſchte, ob ſich des Brauers ſchluͤrfende Pantoffeln ganz
fern oben auf den Malzboͤden hoͤren ließen. Ja! zitternd
klang es in mir Ja! und die Beklemmung ſteigerte ſich,
bis oben an der ſchwarzen Treppe die Thuͤr knarrte und
quietſchte und der Alte hervortrat im weißen Schafpelze.
Sobald ich den weißen Schafpelz ſah, wußte ich, es war
der Brauer, ein wirkliches Menſchenkind, und athmete
auf. Gleichzeitig oͤffnete auch immer die Mutter Schoͤn-
knechten ihre kleinen Augen: es ſchien eine Sympathie
zu herrſchen zwiſchen den beiden Leuten. Nun fragte
der Brauer von oben, ob Alles in Ordnung ſei, und ſie
antwortete unten, ohne ſich umzukehren: Freilich! Dann
verſuchte er einen Scherz, den ſie nicht beantwortete, und
dann fragte er mich, ob „mir nicht graute“, worauf ſie
ſtatt meiner patzig erwiderte: Warum nicht gar! Der
Brauer ſchlug nun eine kurze Lache auf, welche von da
oben durch das leere Haus garſtig widerhallte; dann trat
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