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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

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Die Bernsteinhexe.
es nun zu der wichtigen Frage: woher hat Sie denn nebst
Jhrem Vater solchen Reichthum, um den Leuten Vieh zu
ersetzen und sonstige Güte anzuthun, und in seidenen Klei-
dern einherzustolziren, wie ich da von Jhr sehe? Woher?

(Pause -- Marie sieht auf ihren Vater) Na, wo bleibt die
Antwort? Der Vater selbst beschwert sich über sein dürf-
tiges Salarium, der schwere Krieg hat bekanntermaaßen
alle Welt an den Bettelstab gebracht, woher also die Fülle
der Güter im Coserower Pfarrhause, woher?
Marie.
Soll ich's sagen, Vater?
Schweidler.
Ja, mein Töchterlein, jetzt mußt Du Alles fein auf-
richtig sagen, wenn wir dadurch auch wieder blutarme
Leute würden.

(Alles ist gespannt.)
Consul (leise zu Wittich).
Jetzt kommt's. (Wittich nickt mit dem Kopfe und ist sehr
aufmerksam.)
Marie.
Die Wahrheit ist folgende: Wir waren in große Noth
gerathen durch Krieg und Pestilenz und hatten kaum, wo-
von den Hunger zu stillen. Da sucht' ich einst in meiner
Traurigkeit unweit des Meeresstrandes in einer Schlucht
des Streckelberges nach Brombeeren, um doch etwas ge-
gen den Hunger zu haben, und bei diesem Suchen sah ich
Die Bernſteinhexe.
es nun zu der wichtigen Frage: woher hat Sie denn nebſt
Jhrem Vater ſolchen Reichthum, um den Leuten Vieh zu
erſetzen und ſonſtige Guͤte anzuthun, und in ſeidenen Klei-
dern einherzuſtolziren, wie ich da von Jhr ſehe? Woher?

(Pauſe — Marie ſieht auf ihren Vater) Na, wo bleibt die
Antwort? Der Vater ſelbſt beſchwert ſich uͤber ſein duͤrf-
tiges Salarium, der ſchwere Krieg hat bekanntermaaßen
alle Welt an den Bettelſtab gebracht, woher alſo die Fuͤlle
der Guͤter im Coſerower Pfarrhauſe, woher?
Marie.
Soll ich’s ſagen, Vater?
Schweidler.
Ja, mein Toͤchterlein, jetzt mußt Du Alles fein auf-
richtig ſagen, wenn wir dadurch auch wieder blutarme
Leute wuͤrden.

(Alles iſt geſpannt.)
Conſul (leiſe zu Wittich).
Jetzt kommt’s. (Wittich nickt mit dem Kopfe und iſt ſehr
aufmerkſam.)
Marie.
Die Wahrheit iſt folgende: Wir waren in große Noth
gerathen durch Krieg und Peſtilenz und hatten kaum, wo-
von den Hunger zu ſtillen. Da ſucht’ ich einſt in meiner
Traurigkeit unweit des Meeresſtrandes in einer Schlucht
des Streckelberges nach Brombeeren, um doch etwas ge-
gen den Hunger zu haben, und bei dieſem Suchen ſah ich
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[167/0173] Die Bernſteinhexe. es nun zu der wichtigen Frage: woher hat Sie denn nebſt Jhrem Vater ſolchen Reichthum, um den Leuten Vieh zu erſetzen und ſonſtige Guͤte anzuthun, und in ſeidenen Klei- dern einherzuſtolziren, wie ich da von Jhr ſehe? Woher? (Pauſe — Marie ſieht auf ihren Vater) Na, wo bleibt die Antwort? Der Vater ſelbſt beſchwert ſich uͤber ſein duͤrf- tiges Salarium, der ſchwere Krieg hat bekanntermaaßen alle Welt an den Bettelſtab gebracht, woher alſo die Fuͤlle der Guͤter im Coſerower Pfarrhauſe, woher? Marie. Soll ich’s ſagen, Vater? Schweidler. Ja, mein Toͤchterlein, jetzt mußt Du Alles fein auf- richtig ſagen, wenn wir dadurch auch wieder blutarme Leute wuͤrden. (Alles iſt geſpannt.) Conſul (leiſe zu Wittich). Jetzt kommt’s. (Wittich nickt mit dem Kopfe und iſt ſehr aufmerkſam.) Marie. Die Wahrheit iſt folgende: Wir waren in große Noth gerathen durch Krieg und Peſtilenz und hatten kaum, wo- von den Hunger zu ſtillen. Da ſucht’ ich einſt in meiner Traurigkeit unweit des Meeresſtrandes in einer Schlucht des Streckelberges nach Brombeeren, um doch etwas ge- gen den Hunger zu haben, und bei dieſem Suchen ſah ich

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/173>, abgerufen am 24.11.2024.