Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.Die Bernsteinhexe. ich liebe, und von dem ich geliebt, wenigstens geachtetsein möchte. Rüdiger. Mein Vater! Wittich. Es war eine Täuschung, als ich glaubte Dein Vater werden zu können, wenn ich Dich auferzöge. Nichts kann die Natur ersetzen! Du bist nicht mein Blut und bleibst mir innerlich fremd wie jeder Andere. Sage nichts dagegen; ich spreche dies nicht aus wie einen Vorwurf gegen Dich. Jch will Dir sogar Deine Stellung und Handlungsweise gegen mich erleichtern. Sei selbstständig, ich werde Dich loben, auch wenn Deine Selbstständigkeit wie ein Schwert gegen mich selbst gerichtet ist. Rüdiger. Die Dankbarkeit, welche ich Euch schuldig bin. -- Wittich. Sprich dieses Wort nicht aus, es ist das Widerwär- tigste in unsrer Lage. "Die Dankbarkeit, welche Du mir schuldig bist!" -- ist dies nicht mit anderen Worten das- selbe, was ich eben vor Dir ausgesprochen? Du behan- delst unser Verhältniß wie einen Kontrakt! So und so viel habest Du von mir bekommen, so und so viel seiest Du mir dafür schuldig. Das ist's. Es giebt nur Dank- barkeit, das heißt, es giebt nur eine abzuzahlende Rech- nung, wo es nicht natürliche Liebe giebt. Kein Mensch, Die Bernſteinhexe. ich liebe, und von dem ich geliebt, wenigſtens geachtetſein moͤchte. Rüdiger. Mein Vater! Wittich. Es war eine Taͤuſchung, als ich glaubte Dein Vater werden zu koͤnnen, wenn ich Dich auferzoͤge. Nichts kann die Natur erſetzen! Du biſt nicht mein Blut und bleibſt mir innerlich fremd wie jeder Andere. Sage nichts dagegen; ich ſpreche dies nicht aus wie einen Vorwurf gegen Dich. Jch will Dir ſogar Deine Stellung und Handlungsweiſe gegen mich erleichtern. Sei ſelbſtſtaͤndig, ich werde Dich loben, auch wenn Deine Selbſtſtaͤndigkeit wie ein Schwert gegen mich ſelbſt gerichtet iſt. Rüdiger. Die Dankbarkeit, welche ich Euch ſchuldig bin. — Wittich. Sprich dieſes Wort nicht aus, es iſt das Widerwaͤr- tigſte in unſrer Lage. „Die Dankbarkeit, welche Du mir ſchuldig biſt!“ — iſt dies nicht mit anderen Worten das- ſelbe, was ich eben vor Dir ausgeſprochen? Du behan- delſt unſer Verhaͤltniß wie einen Kontrakt! So und ſo viel habeſt Du von mir bekommen, ſo und ſo viel ſeieſt Du mir dafuͤr ſchuldig. Das iſt’s. Es giebt nur Dank- barkeit, das heißt, es giebt nur eine abzuzahlende Rech- nung, wo es nicht natuͤrliche Liebe giebt. Kein Menſch, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#WIT"> <p><pb facs="#f0141" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Bernſteinhexe</hi>.</fw><lb/> ich liebe, und von dem ich geliebt, wenigſtens geachtet<lb/> ſein moͤchte.</p> </sp><lb/> <sp who="#RUED"> <speaker> <hi rendition="#b">Rüdiger.</hi> </speaker><lb/> <p>Mein Vater!</p> </sp><lb/> <sp who="#WIT"> <speaker> <hi rendition="#b">Wittich.</hi> </speaker><lb/> <p>Es war eine Taͤuſchung, als ich glaubte Dein Vater<lb/> werden zu koͤnnen, wenn ich Dich auferzoͤge. Nichts kann<lb/> die Natur erſetzen! Du biſt nicht mein Blut und bleibſt mir<lb/> innerlich fremd wie jeder Andere. Sage nichts dagegen; ich<lb/> ſpreche dies nicht aus wie einen Vorwurf gegen Dich. Jch<lb/> will Dir ſogar Deine Stellung und Handlungsweiſe gegen<lb/> mich erleichtern. Sei ſelbſtſtaͤndig, ich werde Dich loben,<lb/> auch wenn Deine Selbſtſtaͤndigkeit wie ein Schwert gegen<lb/> mich ſelbſt gerichtet iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#RUED"> <speaker> <hi rendition="#b">Rüdiger.</hi> </speaker><lb/> <p>Die Dankbarkeit, welche ich Euch ſchuldig bin. —</p> </sp><lb/> <sp who="#WIT"> <speaker> <hi rendition="#b">Wittich.</hi> </speaker><lb/> <p>Sprich dieſes Wort nicht aus, es iſt das Widerwaͤr-<lb/> tigſte in unſrer Lage. „Die Dankbarkeit, welche Du mir<lb/> ſchuldig biſt!“ — iſt dies nicht mit anderen Worten das-<lb/> ſelbe, was ich eben vor Dir ausgeſprochen? Du behan-<lb/> delſt unſer Verhaͤltniß wie einen Kontrakt! So und ſo<lb/> viel habeſt Du von mir bekommen, ſo und ſo viel ſeieſt<lb/> Du mir dafuͤr ſchuldig. Das iſt’s. Es giebt nur Dank-<lb/> barkeit, das heißt, es giebt nur eine abzuzahlende Rech-<lb/> nung, wo es nicht natuͤrliche Liebe giebt. Kein Menſch,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0141]
Die Bernſteinhexe.
ich liebe, und von dem ich geliebt, wenigſtens geachtet
ſein moͤchte.
Rüdiger.
Mein Vater!
Wittich.
Es war eine Taͤuſchung, als ich glaubte Dein Vater
werden zu koͤnnen, wenn ich Dich auferzoͤge. Nichts kann
die Natur erſetzen! Du biſt nicht mein Blut und bleibſt mir
innerlich fremd wie jeder Andere. Sage nichts dagegen; ich
ſpreche dies nicht aus wie einen Vorwurf gegen Dich. Jch
will Dir ſogar Deine Stellung und Handlungsweiſe gegen
mich erleichtern. Sei ſelbſtſtaͤndig, ich werde Dich loben,
auch wenn Deine Selbſtſtaͤndigkeit wie ein Schwert gegen
mich ſelbſt gerichtet iſt.
Rüdiger.
Die Dankbarkeit, welche ich Euch ſchuldig bin. —
Wittich.
Sprich dieſes Wort nicht aus, es iſt das Widerwaͤr-
tigſte in unſrer Lage. „Die Dankbarkeit, welche Du mir
ſchuldig biſt!“ — iſt dies nicht mit anderen Worten das-
ſelbe, was ich eben vor Dir ausgeſprochen? Du behan-
delſt unſer Verhaͤltniß wie einen Kontrakt! So und ſo
viel habeſt Du von mir bekommen, ſo und ſo viel ſeieſt
Du mir dafuͤr ſchuldig. Das iſt’s. Es giebt nur Dank-
barkeit, das heißt, es giebt nur eine abzuzahlende Rech-
nung, wo es nicht natuͤrliche Liebe giebt. Kein Menſch,
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Zitationshilfe: | Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/141>, abgerufen am 26.07.2024. |