Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Aus dem Tagebuche einer Ameise.
Wir haben einen solchen Apparat an unsern Keulen-
käferchen schon seit tausenden von Rundsonnen im
Gebrauch. Und dabei wollen sich die Menschen zu den
Kulturtieren rechnen!

Flügelsonne 12.

Heut hatte sich eine fremde Ameise in den Stock
verirrt. Sie suchte sich zu verstecken, aber ein paar
Sklaven erwischten sie gleich an den Fühlern. Ehe wir
sie hinauszwacken ließen, forschten wir sie über die Ver-
hältnisse ihres Baus aus. Er liegt im Straßengraben,
wo alle Tage Menschen vorüberkommen, und es scheinen
dort schöne Zustände zu herrschen. Wenn dies so fort-
geht, werden sie geradezu entameist. So gehen sie damit
um, den Knaben gleich nach dem Auskriechen die Flügel
abzubeißen, damit sie nicht mehr frei in der Luft sich
umhertummeln und austoben können. Sie sollen sämt-
lich zu großköpfigen Gelehrten und Führern erzogen
werden und werden daher mit Galläpfeln gefüttert, um
womöglich eine Tintendrüse wie die Menschen zu be-
kommen. Von früh bis abend übertastelt man sie mit
den eingetrockneten Puppenhülsen früherer Generationen,
von denen man annimmt, daß besonders begabte Gelehrte
aus ihnen ausgekrochen seien. Die Namen derselben
werden in Verse gebracht und müssen von den armen
flügelberaubten Jungen auf Käfer übertastet werden.
Der eine lautet:

Als edle Puppengreifer merk:
Psr, Klks, Mgs, Schns, Prbs, Hms und Zrk.
Kks 25 Sklaven fing,
Grx 20, 22 Lng.

Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
Wir haben einen ſolchen Apparat an unſern Keulen-
käferchen ſchon ſeit tauſenden von Rundſonnen im
Gebrauch. Und dabei wollen ſich die Menſchen zu den
Kulturtieren rechnen!

Flügelſonne 12.

Heut hatte ſich eine fremde Ameiſe in den Stock
verirrt. Sie ſuchte ſich zu verſtecken, aber ein paar
Sklaven erwiſchten ſie gleich an den Fühlern. Ehe wir
ſie hinauszwacken ließen, forſchten wir ſie über die Ver-
hältniſſe ihres Baus aus. Er liegt im Straßengraben,
wo alle Tage Menſchen vorüberkommen, und es ſcheinen
dort ſchöne Zuſtände zu herrſchen. Wenn dies ſo fort-
geht, werden ſie geradezu entameiſt. So gehen ſie damit
um, den Knaben gleich nach dem Auskriechen die Flügel
abzubeißen, damit ſie nicht mehr frei in der Luft ſich
umhertummeln und austoben können. Sie ſollen ſämt-
lich zu großköpfigen Gelehrten und Führern erzogen
werden und werden daher mit Galläpfeln gefüttert, um
womöglich eine Tintendrüſe wie die Menſchen zu be-
kommen. Von früh bis abend übertaſtelt man ſie mit
den eingetrockneten Puppenhülſen früherer Generationen,
von denen man annimmt, daß beſonders begabte Gelehrte
aus ihnen ausgekrochen ſeien. Die Namen derſelben
werden in Verſe gebracht und müſſen von den armen
flügelberaubten Jungen auf Käfer übertaſtet werden.
Der eine lautet:

Als edle Puppengreifer merk:
Pſr, Klks, Mgs, Schns, Prbs, Hms und Zrk.
Kks 25 Sklaven fing,
Grx 20, 22 Lng.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0097" n="91"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Amei&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Wir haben einen &#x017F;olchen Apparat an un&#x017F;ern Keulen-<lb/>
käferchen &#x017F;chon &#x017F;eit tau&#x017F;enden von Rund&#x017F;onnen im<lb/>
Gebrauch. Und dabei wollen &#x017F;ich die Men&#x017F;chen zu den<lb/>
Kulturtieren rechnen!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Flügel&#x017F;onne 12.</hi> </head><lb/>
            <p>Heut hatte &#x017F;ich eine fremde Amei&#x017F;e in den Stock<lb/>
verirrt. Sie &#x017F;uchte &#x017F;ich zu ver&#x017F;tecken, aber ein paar<lb/>
Sklaven erwi&#x017F;chten &#x017F;ie gleich an den Fühlern. Ehe wir<lb/>
&#x017F;ie hinauszwacken ließen, for&#x017F;chten wir &#x017F;ie über die Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e ihres Baus aus. Er liegt im Straßengraben,<lb/>
wo alle Tage Men&#x017F;chen vorüberkommen, und es &#x017F;cheinen<lb/>
dort &#x017F;chöne Zu&#x017F;tände zu herr&#x017F;chen. Wenn dies &#x017F;o fort-<lb/>
geht, werden &#x017F;ie geradezu entamei&#x017F;t. So gehen &#x017F;ie damit<lb/>
um, den Knaben gleich nach dem Auskriechen die Flügel<lb/>
abzubeißen, damit &#x017F;ie nicht mehr frei in der Luft &#x017F;ich<lb/>
umhertummeln und austoben können. Sie &#x017F;ollen &#x017F;ämt-<lb/>
lich zu großköpfigen Gelehrten und Führern erzogen<lb/>
werden und werden daher mit Galläpfeln gefüttert, um<lb/>
womöglich eine Tintendrü&#x017F;e wie die Men&#x017F;chen zu be-<lb/>
kommen. Von früh bis abend überta&#x017F;telt man &#x017F;ie mit<lb/>
den eingetrockneten Puppenhül&#x017F;en früherer Generationen,<lb/>
von denen man annimmt, daß be&#x017F;onders begabte Gelehrte<lb/>
aus ihnen ausgekrochen &#x017F;eien. Die Namen der&#x017F;elben<lb/>
werden in Ver&#x017F;e gebracht und mü&#x017F;&#x017F;en von den armen<lb/>
flügelberaubten Jungen auf Käfer überta&#x017F;tet werden.<lb/>
Der eine lautet:</p><lb/>
            <cit>
              <quote> <hi rendition="#et">Als edle Puppengreifer merk:<lb/>
P&#x017F;r, Klks, Mgs, Schns, Prbs, Hms und Zrk.<lb/>
Kks 25 Sklaven fing,<lb/>
Grx 20, 22 Lng.</hi> </quote>
            </cit><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0097] Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. Wir haben einen ſolchen Apparat an unſern Keulen- käferchen ſchon ſeit tauſenden von Rundſonnen im Gebrauch. Und dabei wollen ſich die Menſchen zu den Kulturtieren rechnen! Flügelſonne 12. Heut hatte ſich eine fremde Ameiſe in den Stock verirrt. Sie ſuchte ſich zu verſtecken, aber ein paar Sklaven erwiſchten ſie gleich an den Fühlern. Ehe wir ſie hinauszwacken ließen, forſchten wir ſie über die Ver- hältniſſe ihres Baus aus. Er liegt im Straßengraben, wo alle Tage Menſchen vorüberkommen, und es ſcheinen dort ſchöne Zuſtände zu herrſchen. Wenn dies ſo fort- geht, werden ſie geradezu entameiſt. So gehen ſie damit um, den Knaben gleich nach dem Auskriechen die Flügel abzubeißen, damit ſie nicht mehr frei in der Luft ſich umhertummeln und austoben können. Sie ſollen ſämt- lich zu großköpfigen Gelehrten und Führern erzogen werden und werden daher mit Galläpfeln gefüttert, um womöglich eine Tintendrüſe wie die Menſchen zu be- kommen. Von früh bis abend übertaſtelt man ſie mit den eingetrockneten Puppenhülſen früherer Generationen, von denen man annimmt, daß beſonders begabte Gelehrte aus ihnen ausgekrochen ſeien. Die Namen derſelben werden in Verſe gebracht und müſſen von den armen flügelberaubten Jungen auf Käfer übertaſtet werden. Der eine lautet: Als edle Puppengreifer merk: Pſr, Klks, Mgs, Schns, Prbs, Hms und Zrk. Kks 25 Sklaven fing, Grx 20, 22 Lng.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/97
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/97>, abgerufen am 30.12.2024.