Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Aus dem Tagebuche einer Ameise. Und wieviel höher steht somit die Organisation derJnsekten, bei welchen der ganze Körper von der festen Chitinhülle umschirmt ist! Die Zoologen, welche nur den Körperbau in Betracht ziehen, wollen wirklich die Ameise zu den Tieren rechnen und ihr nur die höchste Ent- wickelungsstufe zusprechen. Aber ich lasse mir die Über- zeugung von der ewigen Bestimmung des Ameisen- geschlechts nicht rauben! Ameise und Mensch sollen beide vom Regenwurm Larvensonne 9. Ob wohl die Menschen auch zu irgend etwas nutze Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. Und wieviel höher ſteht ſomit die Organiſation derJnſekten, bei welchen der ganze Körper von der feſten Chitinhülle umſchirmt iſt! Die Zoologen, welche nur den Körperbau in Betracht ziehen, wollen wirklich die Ameiſe zu den Tieren rechnen und ihr nur die höchſte Ent- wickelungsſtufe zuſprechen. Aber ich laſſe mir die Über- zeugung von der ewigen Beſtimmung des Ameiſen- geſchlechts nicht rauben! Ameiſe und Menſch ſollen beide vom Regenwurm Larvenſonne 9. Ob wohl die Menſchen auch zu irgend etwas nutze <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="82"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.</hi></fw><lb/> Und wieviel höher ſteht ſomit die Organiſation der<lb/> Jnſekten, bei welchen der ganze Körper von der feſten<lb/> Chitinhülle umſchirmt iſt! Die Zoologen, welche nur den<lb/> Körperbau in Betracht ziehen, wollen wirklich die Ameiſe<lb/> zu den Tieren rechnen und ihr nur die höchſte Ent-<lb/> wickelungsſtufe zuſprechen. Aber ich laſſe mir die Über-<lb/> zeugung von der ewigen Beſtimmung des Ameiſen-<lb/> geſchlechts nicht rauben!</p><lb/> <p>Ameiſe und Menſch ſollen beide vom Regenwurm<lb/> abſtammen! Blödſinn!</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>Larvenſonne 9.</head><lb/> <p>Ob wohl die Menſchen auch zu irgend etwas nutze<lb/> ſind? Sollte die unendliche Uremſe bei der Schöpfung<lb/> nicht auch ihnen eine Stelle im Weltplan eingeräumt<lb/> haben? Es ſcheint, daß ſie weſentlich zur Vertilgung der<lb/> ſo ſchädlichen Vögel beitragen. Und wenn ſie auch<lb/> keinen weiteren Zweck hätten, als uns zum Gegenſtand<lb/> wiſſenſchaftlicher Studien zu dienen, ſo würden ſie ſchon<lb/> darum nicht überflüſſig in der Welt ſein. Sicherlich<lb/> beſitzen ſie Gefühl und freuen ſich ihres Daſeins ſo gut<lb/> wie wir, obwohl ihnen die höheren Jdeale des Gemein-<lb/> ſinns, ſowie der Puppen- und Larvenpflege abgehen und<lb/> ihnen ſelbſtverſtändlich das „Unbewußtſein der unver-<lb/> meidlichen Handlungsweiſe“ fehlt. Jch kann mich daher<lb/> mit der Anſicht nicht befreunden, daß man eine Expedition<lb/> zur Erforſchung des Menſchengehirns abſende. Sſrr<lb/> verlangt, man ſolle eine Kolonie im Schädel eines<lb/> lebenden Menſchen anlegen, um die geiſtigen Fähigkeiten<lb/> desſelben zu ergründen. Aber mir ſcheint darin eine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0088]
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
Und wieviel höher ſteht ſomit die Organiſation der
Jnſekten, bei welchen der ganze Körper von der feſten
Chitinhülle umſchirmt iſt! Die Zoologen, welche nur den
Körperbau in Betracht ziehen, wollen wirklich die Ameiſe
zu den Tieren rechnen und ihr nur die höchſte Ent-
wickelungsſtufe zuſprechen. Aber ich laſſe mir die Über-
zeugung von der ewigen Beſtimmung des Ameiſen-
geſchlechts nicht rauben!
Ameiſe und Menſch ſollen beide vom Regenwurm
abſtammen! Blödſinn!
Larvenſonne 9.
Ob wohl die Menſchen auch zu irgend etwas nutze
ſind? Sollte die unendliche Uremſe bei der Schöpfung
nicht auch ihnen eine Stelle im Weltplan eingeräumt
haben? Es ſcheint, daß ſie weſentlich zur Vertilgung der
ſo ſchädlichen Vögel beitragen. Und wenn ſie auch
keinen weiteren Zweck hätten, als uns zum Gegenſtand
wiſſenſchaftlicher Studien zu dienen, ſo würden ſie ſchon
darum nicht überflüſſig in der Welt ſein. Sicherlich
beſitzen ſie Gefühl und freuen ſich ihres Daſeins ſo gut
wie wir, obwohl ihnen die höheren Jdeale des Gemein-
ſinns, ſowie der Puppen- und Larvenpflege abgehen und
ihnen ſelbſtverſtändlich das „Unbewußtſein der unver-
meidlichen Handlungsweiſe“ fehlt. Jch kann mich daher
mit der Anſicht nicht befreunden, daß man eine Expedition
zur Erforſchung des Menſchengehirns abſende. Sſrr
verlangt, man ſolle eine Kolonie im Schädel eines
lebenden Menſchen anlegen, um die geiſtigen Fähigkeiten
desſelben zu ergründen. Aber mir ſcheint darin eine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/88 |
Zitationshilfe: | Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/88>, abgerufen am 22.07.2024. |