Menschen einigermaßen untereinander verständigen können; unzureichend genug mag das sein, da ihre Fühler so grob organisiert sind!
Eine Beobachtung, die ich früher einmal selbst ge- macht habe, scheint dafür zu sprechen. Jch sah einen noch nicht ganz erwachsenen Menschen im benachbarten Felde auf einem Apfelbaum sitzen und fressen. Ein größerer schlich sich heran, hob den einen Fühler in die Höhe und ergriff jenen am Beine, so daß er herabfiel. Es schien mir dabei, als wenn der andere Fühler noch einen dünneren Fortsatz hätte, der sich in schwingender Bewegung befand. Beide Menschen betasteten sich hier- auf lebhaft mit ihren Fühlern, worauf der kleinere plötz- lich in großer Eile davonlief. Was mögen sie sich wohl zu sagen gehabt haben? Ob sie eine Sprache besitzen, oder ob alles nur auf Nachahmung beruht? Vielleicht hatte der kleinere Mensch schon in früheren Fällen die Erfahrung gemacht, daß das Davonlaufen mit irgend einem Vorteile verbunden sei. Oder sollte es sich um einen ererbten Jnstinkt handeln? Jch bin neugierig, was Ssrr über diese Frage sagen wird. Vorläufig bin ich erst bei der Beschreibung des menschlichen Organismus.
Larvensonne 5.
Wie weise hat doch die Erde selbst für ihre plumpsten Geschöpfe gesorgt! Auch beim Menschen ist der edelste und ameisenähnlichste Teil, das Gehirn, von einem schützenden Knochengerüst umgeben, während im übrigen Körper die festen Stützen im Jnnern liegen.
Laßwitz, Seifenblasen. 6
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
Menſchen einigermaßen untereinander verſtändigen können; unzureichend genug mag das ſein, da ihre Fühler ſo grob organiſiert ſind!
Eine Beobachtung, die ich früher einmal ſelbſt ge- macht habe, ſcheint dafür zu ſprechen. Jch ſah einen noch nicht ganz erwachſenen Menſchen im benachbarten Felde auf einem Apfelbaum ſitzen und freſſen. Ein größerer ſchlich ſich heran, hob den einen Fühler in die Höhe und ergriff jenen am Beine, ſo daß er herabfiel. Es ſchien mir dabei, als wenn der andere Fühler noch einen dünneren Fortſatz hätte, der ſich in ſchwingender Bewegung befand. Beide Menſchen betaſteten ſich hier- auf lebhaft mit ihren Fühlern, worauf der kleinere plötz- lich in großer Eile davonlief. Was mögen ſie ſich wohl zu ſagen gehabt haben? Ob ſie eine Sprache beſitzen, oder ob alles nur auf Nachahmung beruht? Vielleicht hatte der kleinere Menſch ſchon in früheren Fällen die Erfahrung gemacht, daß das Davonlaufen mit irgend einem Vorteile verbunden ſei. Oder ſollte es ſich um einen ererbten Jnſtinkt handeln? Jch bin neugierig, was Sſrr über dieſe Frage ſagen wird. Vorläufig bin ich erſt bei der Beſchreibung des menſchlichen Organismus.
Larvenſonne 5.
Wie weiſe hat doch die Erde ſelbſt für ihre plumpſten Geſchöpfe geſorgt! Auch beim Menſchen iſt der edelſte und ameiſenähnlichſte Teil, das Gehirn, von einem ſchützenden Knochengerüſt umgeben, während im übrigen Körper die feſten Stützen im Jnnern liegen.
Laßwitz, Seifenblaſen. 6
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbn="81"facs="#f0087"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.</hi></fw><lb/>
Menſchen einigermaßen untereinander verſtändigen können;<lb/>
unzureichend genug mag das ſein, da ihre Fühler ſo<lb/>
grob organiſiert ſind!</p><lb/><p>Eine Beobachtung, die ich früher einmal ſelbſt ge-<lb/>
macht habe, ſcheint dafür zu ſprechen. Jch ſah einen<lb/>
noch nicht ganz erwachſenen Menſchen im benachbarten<lb/>
Felde auf einem Apfelbaum ſitzen und freſſen. Ein<lb/>
größerer ſchlich ſich heran, hob den einen Fühler in die<lb/>
Höhe und ergriff jenen am Beine, ſo daß er herabfiel.<lb/>
Es ſchien mir dabei, als wenn der andere Fühler noch<lb/>
einen dünneren Fortſatz hätte, der ſich in ſchwingender<lb/>
Bewegung befand. Beide Menſchen betaſteten ſich hier-<lb/>
auf lebhaft mit ihren Fühlern, worauf der kleinere plötz-<lb/>
lich in großer Eile davonlief. Was mögen ſie ſich wohl<lb/>
zu ſagen gehabt haben? Ob ſie eine Sprache beſitzen,<lb/>
oder ob alles nur auf Nachahmung beruht? Vielleicht<lb/>
hatte der kleinere Menſch ſchon in früheren Fällen die<lb/>
Erfahrung gemacht, daß das Davonlaufen mit irgend<lb/>
einem Vorteile verbunden ſei. Oder ſollte es ſich um<lb/>
einen ererbten Jnſtinkt handeln? Jch bin neugierig, was<lb/>
Sſrr über dieſe Frage ſagen wird. Vorläufig bin ich<lb/>
erſt bei der Beſchreibung des menſchlichen Organismus.</p></div><lb/><divn="3"><head>Larvenſonne 5.</head><lb/><p>Wie weiſe hat doch die Erde ſelbſt für ihre plumpſten<lb/>
Geſchöpfe geſorgt! Auch beim Menſchen iſt der<lb/>
edelſte und ameiſenähnlichſte Teil, das Gehirn, von<lb/>
einem ſchützenden Knochengerüſt umgeben, während im<lb/>
übrigen Körper die feſten Stützen im Jnnern liegen.<lb/><fwtype="sig"place="bottom"><hirendition="#g">Laßwitz,</hi> Seifenblaſen. 6</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[81/0087]
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
Menſchen einigermaßen untereinander verſtändigen können;
unzureichend genug mag das ſein, da ihre Fühler ſo
grob organiſiert ſind!
Eine Beobachtung, die ich früher einmal ſelbſt ge-
macht habe, ſcheint dafür zu ſprechen. Jch ſah einen
noch nicht ganz erwachſenen Menſchen im benachbarten
Felde auf einem Apfelbaum ſitzen und freſſen. Ein
größerer ſchlich ſich heran, hob den einen Fühler in die
Höhe und ergriff jenen am Beine, ſo daß er herabfiel.
Es ſchien mir dabei, als wenn der andere Fühler noch
einen dünneren Fortſatz hätte, der ſich in ſchwingender
Bewegung befand. Beide Menſchen betaſteten ſich hier-
auf lebhaft mit ihren Fühlern, worauf der kleinere plötz-
lich in großer Eile davonlief. Was mögen ſie ſich wohl
zu ſagen gehabt haben? Ob ſie eine Sprache beſitzen,
oder ob alles nur auf Nachahmung beruht? Vielleicht
hatte der kleinere Menſch ſchon in früheren Fällen die
Erfahrung gemacht, daß das Davonlaufen mit irgend
einem Vorteile verbunden ſei. Oder ſollte es ſich um
einen ererbten Jnſtinkt handeln? Jch bin neugierig, was
Sſrr über dieſe Frage ſagen wird. Vorläufig bin ich
erſt bei der Beſchreibung des menſchlichen Organismus.
Larvenſonne 5.
Wie weiſe hat doch die Erde ſelbſt für ihre plumpſten
Geſchöpfe geſorgt! Auch beim Menſchen iſt der
edelſte und ameiſenähnlichſte Teil, das Gehirn, von
einem ſchützenden Knochengerüſt umgeben, während im
übrigen Körper die feſten Stützen im Jnnern liegen.
Laßwitz, Seifenblaſen. 6
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/87>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.