trällerte sie eine Francaise und tanzte einmal auf und ab durch die Stube. Sie faltete den Brief und gab ihn dem Boten.
Ein ernster Mann stand in seinem Zimmer. Durch das Fenster zog die Sonne des Sommerabends ihre Lichtstreifen, und unser Glimmerblättchen schwebte darin. Er preßte die Hände zusammen, und sein starrer Blick folgte den Strahlen. Er sah die großen schwarzen Augen jenes Mädchens vor sich -- diese Augen -- und diese Lieblichkeit und Anmut -- niemand kann sie beschreiben, außer Einem, der hat's gekonnt, und alle Welt hat's gelesen -- --
"Wie soll das enden?" rief er seufzend. "Jch will sie nicht wiedersehen und lebe doch nur in der Hoff- nung, daß ich sie sehen werde. Meine Arme streck' ich aus, eine Welt möchte ich umarmen und in's Leere fass' ich, das mit trügerischen Hoffnungen erfüllt ein Traum mir vorgegaukelt. Und ich wußte es, daß es ein Traum sein müsse -- und doch! O Lotte, Lotte!"
Mit diesem Seufzer griff er nach dem Zettel, der geöffnet neben ihm lag, er riß ihn mit sehnsüchtiger Glut an seine Lippen und drückte einen heißen Kuß auf den Namen der Geliebten.
"Endlich!" sagte das Körnchen und sprang ihm zwischen die Zähne, daß sie knirschten. Und mit dem Tuche, das eben seine Thränen benetzt, wischte er sich den Streusand von den Lippen --"
"Nun?" fragte Lenore, da Richard schwieg. "Und
Stäubchen.
trällerte ſie eine Françaiſe und tanzte einmal auf und ab durch die Stube. Sie faltete den Brief und gab ihn dem Boten.
Ein ernſter Mann ſtand in ſeinem Zimmer. Durch das Fenſter zog die Sonne des Sommerabends ihre Lichtſtreifen, und unſer Glimmerblättchen ſchwebte darin. Er preßte die Hände zuſammen, und ſein ſtarrer Blick folgte den Strahlen. Er ſah die großen ſchwarzen Augen jenes Mädchens vor ſich — dieſe Augen — und dieſe Lieblichkeit und Anmut — niemand kann ſie beſchreiben, außer Einem, der hat’s gekonnt, und alle Welt hat’s geleſen — —
„Wie ſoll das enden?“ rief er ſeufzend. „Jch will ſie nicht wiederſehen und lebe doch nur in der Hoff- nung, daß ich ſie ſehen werde. Meine Arme ſtreck’ ich aus, eine Welt möchte ich umarmen und in’s Leere faſſ’ ich, das mit trügeriſchen Hoffnungen erfüllt ein Traum mir vorgegaukelt. Und ich wußte es, daß es ein Traum ſein müſſe — und doch! O Lotte, Lotte!“
Mit dieſem Seufzer griff er nach dem Zettel, der geöffnet neben ihm lag, er riß ihn mit ſehnſüchtiger Glut an ſeine Lippen und drückte einen heißen Kuß auf den Namen der Geliebten.
„Endlich!“ ſagte das Körnchen und ſprang ihm zwiſchen die Zähne, daß ſie knirſchten. Und mit dem Tuche, das eben ſeine Thränen benetzt, wiſchte er ſich den Streuſand von den Lippen —“
„Nun?“ fragte Lenore, da Richard ſchwieg. „Und
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Stäubchen.
trällerte ſie eine Françaiſe und tanzte einmal auf und
ab durch die Stube. Sie faltete den Brief und gab
ihn dem Boten.
Ein ernſter Mann ſtand in ſeinem Zimmer. Durch
das Fenſter zog die Sonne des Sommerabends ihre
Lichtſtreifen, und unſer Glimmerblättchen ſchwebte darin.
Er preßte die Hände zuſammen, und ſein ſtarrer Blick
folgte den Strahlen. Er ſah die großen ſchwarzen
Augen jenes Mädchens vor ſich — dieſe Augen —
und dieſe Lieblichkeit und Anmut — niemand kann ſie
beſchreiben, außer Einem, der hat’s gekonnt, und alle
Welt hat’s geleſen — —
„Wie ſoll das enden?“ rief er ſeufzend. „Jch will
ſie nicht wiederſehen und lebe doch nur in der Hoff-
nung, daß ich ſie ſehen werde. Meine Arme ſtreck’
ich aus, eine Welt möchte ich umarmen und in’s
Leere faſſ’ ich, das mit trügeriſchen Hoffnungen erfüllt
ein Traum mir vorgegaukelt. Und ich wußte es,
daß es ein Traum ſein müſſe — und doch! O
Lotte, Lotte!“
Mit dieſem Seufzer griff er nach dem Zettel, der
geöffnet neben ihm lag, er riß ihn mit ſehnſüchtiger Glut
an ſeine Lippen und drückte einen heißen Kuß auf
den Namen der Geliebten.
„Endlich!“ ſagte das Körnchen und ſprang ihm
zwiſchen die Zähne, daß ſie knirſchten. Und mit dem
Tuche, das eben ſeine Thränen benetzt, wiſchte er ſich
den Streuſand von den Lippen —“
„Nun?“ fragte Lenore, da Richard ſchwieg. „Und
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/43>, abgerufen am 16.07.2024.
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