"Eines Tages wurde es wieder hell um das Körnchen. Es fand sich nebst einigen Korinthen zwischen den Fingern eines Kindes, das eben von jenen naschen wollte, als die älteste Schwester in das Zimmer trat und ihm auf das Händchen klopfte. Das Kind ließ die Rosinen los und begann zu weinen; das Körnchen war bis auf den Tisch geflogen.
"Man reißt sich um mich," sprach es, "man gönnt mich niemand."
Das junge Mädchen, welches das Kind zurecht- gewiesen, trat an den Tisch und sagte: "Da hat der Bruder wieder Streusand ausgeschüttet," und -- eins -- zwei -- drei -- hatte sie das Quarzkörnchen mit dem Streusand in die Büchse gefegt. Die vom Streu- sand moquierten sich über seine Toilette; es sei nicht einmal blau gefärbt, meinten sie. Das Quarzkörnchen aber bemerkte hochmütig, auf dem Parnaß sei Weiß Mode, und darauf käme es doch wohl an. Jndessen hatte sich das junge Mädchen an den Tisch gesetzt und einige Worte auf einen Zettel geworfen.
"Lieber Werther. Erkundigen Sie sich doch bei dem Kaufmann, wann er wieder frische Orangen be- kommt. Nächsten Mittwoch erwarten wir Albert. Auf Wiedersehen! Lotte."
Einen Augenblick wurde sie nachdenklich, danu
Stäubchen.
„Und wenn es nur wäre —?“
„Um Jlluſionen zu zerſtören —“
„Ah — laſſen Sie hören!“
„Wie Sie befehlen.“
„Eines Tages wurde es wieder hell um das Körnchen. Es fand ſich nebſt einigen Korinthen zwiſchen den Fingern eines Kindes, das eben von jenen naſchen wollte, als die älteſte Schweſter in das Zimmer trat und ihm auf das Händchen klopfte. Das Kind ließ die Roſinen los und begann zu weinen; das Körnchen war bis auf den Tiſch geflogen.
Das junge Mädchen, welches das Kind zurecht- gewieſen, trat an den Tiſch und ſagte: „Da hat der Bruder wieder Streuſand ausgeſchüttet,“ und — eins — zwei — drei — hatte ſie das Quarzkörnchen mit dem Streuſand in die Büchſe gefegt. Die vom Streu- ſand moquierten ſich über ſeine Toilette; es ſei nicht einmal blau gefärbt, meinten ſie. Das Quarzkörnchen aber bemerkte hochmütig, auf dem Parnaß ſei Weiß Mode, und darauf käme es doch wohl an. Jndeſſen hatte ſich das junge Mädchen an den Tiſch geſetzt und einige Worte auf einen Zettel geworfen.
„Lieber Werther. Erkundigen Sie ſich doch bei dem Kaufmann, wann er wieder friſche Orangen be- kommt. Nächſten Mittwoch erwarten wir Albert. Auf Wiederſehen! Lotte.“
Einen Augenblick wurde ſie nachdenklich, danu
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Stäubchen.
„Und wenn es nur wäre —?“
„Um Jlluſionen zu zerſtören —“
„Ah — laſſen Sie hören!“
„Wie Sie befehlen.“
„Eines Tages wurde es wieder hell um das
Körnchen. Es fand ſich nebſt einigen Korinthen zwiſchen
den Fingern eines Kindes, das eben von jenen naſchen
wollte, als die älteſte Schweſter in das Zimmer trat
und ihm auf das Händchen klopfte. Das Kind ließ
die Roſinen los und begann zu weinen; das Körnchen
war bis auf den Tiſch geflogen.
„Man reißt ſich um mich,“ ſprach es, „man gönnt
mich niemand.“
Das junge Mädchen, welches das Kind zurecht-
gewieſen, trat an den Tiſch und ſagte: „Da hat der
Bruder wieder Streuſand ausgeſchüttet,“ und — eins
— zwei — drei — hatte ſie das Quarzkörnchen mit
dem Streuſand in die Büchſe gefegt. Die vom Streu-
ſand moquierten ſich über ſeine Toilette; es ſei nicht
einmal blau gefärbt, meinten ſie. Das Quarzkörnchen
aber bemerkte hochmütig, auf dem Parnaß ſei Weiß
Mode, und darauf käme es doch wohl an. Jndeſſen
hatte ſich das junge Mädchen an den Tiſch geſetzt und
einige Worte auf einen Zettel geworfen.
„Lieber Werther. Erkundigen Sie ſich doch bei
dem Kaufmann, wann er wieder friſche Orangen be-
kommt. Nächſten Mittwoch erwarten wir Albert. Auf
Wiederſehen! Lotte.“
Einen Augenblick wurde ſie nachdenklich, danu
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/42>, abgerufen am 16.02.2025.
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