Tröpfchen befand sich wieder im Freien. Ein breiter Strom wälzte es mit seinen Wogen. Niedrig und grau zogen die Wolken und der Wind wehte kalt vom flachen Ufer her. Dort standen zwei Menschen eng ver- schlungen.
"Fürchtest Du Dich?" fragte er.
"Jch fürchte nichts als die Trennung von Dir."
"Es giebt nur einen Weg, der uns vereint."
"Er liegt vor uns, wir werden ihn gehen."
"Fluch ihnen, die uns hineintreiben!"
"Nein, vergieb ihnen, denn wir werden Ruhe finden."
"Armes, unglückseliges Weib, leb' wohl!"
"Jch bleibe bei Dir."
Ein dumpfer Fall -- entsetzt stob Tröpfchen in die Höhe -- da waren ja Menschen selbst zu ihm ge- kommen! Aber sie wollten nicht reden. Vorüber -- dem Meere zu, dem Meere!
Lange barg sich Tröpfchen im Meere. Welt und Menschen wollten ihm nicht gefallen. Da unten war's einsam. Es wußte nicht, wie lange es durch die Ozeane hin und her trieb, bis ihm eines Tages die Sehnsucht kam nach Fichte und Stein, bei denen es einst geweilt. Von der Höhe des Wellenkammes lugte es in die Ferne.
Ein Schiff schnitt eilend durchs Wasser mit ge- schwellten Segeln. Gebräunte Männer mit weißem Turban schauen rückwärts, sorgenvoll und finster. Dumpfes Klagen schallt aus dem Raume. Das Sklavenschiff jagt mit günstigem Winde. Aber schneller ist die graue
Tröpfchen.
Tröpfchen befand ſich wieder im Freien. Ein breiter Strom wälzte es mit ſeinen Wogen. Niedrig und grau zogen die Wolken und der Wind wehte kalt vom flachen Ufer her. Dort ſtanden zwei Menſchen eng ver- ſchlungen.
„Fürchteſt Du Dich?“ fragte er.
„Jch fürchte nichts als die Trennung von Dir.“
„Es giebt nur einen Weg, der uns vereint.“
„Er liegt vor uns, wir werden ihn gehen.“
„Fluch ihnen, die uns hineintreiben!“
„Nein, vergieb ihnen, denn wir werden Ruhe finden.“
„Armes, unglückſeliges Weib, leb’ wohl!“
„Jch bleibe bei Dir.“
Ein dumpfer Fall — entſetzt ſtob Tröpfchen in die Höhe — da waren ja Menſchen ſelbſt zu ihm ge- kommen! Aber ſie wollten nicht reden. Vorüber — dem Meere zu, dem Meere!
Lange barg ſich Tröpfchen im Meere. Welt und Menſchen wollten ihm nicht gefallen. Da unten war’s einſam. Es wußte nicht, wie lange es durch die Ozeane hin und her trieb, bis ihm eines Tages die Sehnſucht kam nach Fichte und Stein, bei denen es einſt geweilt. Von der Höhe des Wellenkammes lugte es in die Ferne.
Ein Schiff ſchnitt eilend durchs Waſſer mit ge- ſchwellten Segeln. Gebräunte Männer mit weißem Turban ſchauen rückwärts, ſorgenvoll und finſter. Dumpfes Klagen ſchallt aus dem Raume. Das Sklavenſchiff jagt mit günſtigem Winde. Aber ſchneller iſt die graue
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Tröpfchen.
Tröpfchen befand ſich wieder im Freien. Ein breiter
Strom wälzte es mit ſeinen Wogen. Niedrig und grau
zogen die Wolken und der Wind wehte kalt vom flachen
Ufer her. Dort ſtanden zwei Menſchen eng ver-
ſchlungen.
„Fürchteſt Du Dich?“ fragte er.
„Jch fürchte nichts als die Trennung von Dir.“
„Es giebt nur einen Weg, der uns vereint.“
„Er liegt vor uns, wir werden ihn gehen.“
„Fluch ihnen, die uns hineintreiben!“
„Nein, vergieb ihnen, denn wir werden Ruhe finden.“
„Armes, unglückſeliges Weib, leb’ wohl!“
„Jch bleibe bei Dir.“
Ein dumpfer Fall — entſetzt ſtob Tröpfchen in die
Höhe — da waren ja Menſchen ſelbſt zu ihm ge-
kommen! Aber ſie wollten nicht reden. Vorüber — dem
Meere zu, dem Meere!
Lange barg ſich Tröpfchen im Meere. Welt und
Menſchen wollten ihm nicht gefallen. Da unten war’s
einſam. Es wußte nicht, wie lange es durch die Ozeane
hin und her trieb, bis ihm eines Tages die Sehnſucht
kam nach Fichte und Stein, bei denen es einſt
geweilt. Von der Höhe des Wellenkammes lugte es in
die Ferne.
Ein Schiff ſchnitt eilend durchs Waſſer mit ge-
ſchwellten Segeln. Gebräunte Männer mit weißem
Turban ſchauen rückwärts, ſorgenvoll und finſter. Dumpfes
Klagen ſchallt aus dem Raume. Das Sklavenſchiff jagt
mit günſtigem Winde. Aber ſchneller iſt die graue
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/245>, abgerufen am 29.06.2024.
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