Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Tröpfchen. Was ringt sich herauf, Weiß glänzendes Band, Am steilen Hang, Am gesprengten Felsen?' An des Gebirgs verwitternder Mauer Klammert die sprossende Menschheit Sich mit kletternden Ranken an. Wo doch wurzelt die treibende Kraft, Himmel und Erde die Säfte entringend Zur unendlichen Arbeit? Siehe, was hebt sich in dämmernder Ferne, Wo der bleichere Himmel Ringender Geister, emsiger Hände Rastlos schaffende Sorge deckt? Aus leichtem Rauch zum Gebilde geballt Trittst du hervor, Meinen sterblichen Augen Enthüllst du dich gnädig, göttliches Bild, Genius der Menschheit! Das Haupt erhebst du, Und geordnet im Raume Rollen die Sterne gemessene Bahnen, Zucken des Äthers leuchtende Wellen, Strömen die Körper nach festem Gesetze, Und im Zwang des geregelten Wirbels Zu ewigem Kreislauf Beugt sich Natur. Jm All verloren auf Weltenstäubchen Soll ich verwehen, ein Spiel der Zeit, Ziellos vernichtet? Tröpfchen. Was ringt ſich herauf, Weiß glänzendes Band, Am ſteilen Hang, Am geſprengten Felſen?’ An des Gebirgs verwitternder Mauer Klammert die ſproſſende Menſchheit Sich mit kletternden Ranken an. Wo doch wurzelt die treibende Kraft, Himmel und Erde die Säfte entringend Zur unendlichen Arbeit? Siehe, was hebt ſich in dämmernder Ferne, Wo der bleichere Himmel Ringender Geiſter, emſiger Hände Raſtlos ſchaffende Sorge deckt? Aus leichtem Rauch zum Gebilde geballt Trittſt du hervor, Meinen ſterblichen Augen Enthüllſt du dich gnädig, göttliches Bild, Genius der Menſchheit! Das Haupt erhebſt du, Und geordnet im Raume Rollen die Sterne gemeſſene Bahnen, Zucken des Äthers leuchtende Wellen, Strömen die Körper nach feſtem Geſetze, Und im Zwang des geregelten Wirbels Zu ewigem Kreislauf Beugt ſich Natur. Jm All verloren auf Weltenſtäubchen Soll ich verwehen, ein Spiel der Zeit, Ziellos vernichtet? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0225" n="219"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Tröpfchen.</hi> </fw><lb/> <lg n="3"> <l>Was ringt ſich herauf,</l><lb/> <l>Weiß glänzendes Band,</l><lb/> <l>Am ſteilen Hang,</l><lb/> <l>Am geſprengten Felſen?’</l><lb/> <l>An des Gebirgs verwitternder Mauer</l><lb/> <l>Klammert die ſproſſende Menſchheit</l><lb/> <l>Sich mit kletternden Ranken an.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wo doch wurzelt die treibende Kraft,</l><lb/> <l>Himmel und Erde die Säfte entringend</l><lb/> <l>Zur unendlichen Arbeit?</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Siehe, was hebt ſich in dämmernder Ferne,</l><lb/> <l>Wo der bleichere Himmel</l><lb/> <l>Ringender Geiſter, emſiger Hände</l><lb/> <l>Raſtlos ſchaffende Sorge deckt?</l><lb/> <l>Aus leichtem Rauch zum Gebilde geballt</l><lb/> <l>Trittſt du hervor,</l><lb/> <l>Meinen ſterblichen Augen</l><lb/> <l>Enthüllſt du dich gnädig, göttliches Bild,</l><lb/> <l>Genius der Menſchheit!</l><lb/> <l>Das Haupt erhebſt du,</l><lb/> <l>Und geordnet im Raume</l><lb/> <l>Rollen die Sterne gemeſſene Bahnen,</l><lb/> <l>Zucken des Äthers leuchtende Wellen,</l><lb/> <l>Strömen die Körper nach feſtem Geſetze,</l><lb/> <l>Und im Zwang des geregelten Wirbels</l><lb/> <l>Zu ewigem Kreislauf</l><lb/> <l>Beugt ſich <hi rendition="#g">Natur.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Jm All verloren auf Weltenſtäubchen</l><lb/> <l>Soll ich verwehen, ein Spiel der Zeit,</l><lb/> <l>Ziellos vernichtet?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [219/0225]
Tröpfchen.
Was ringt ſich herauf,
Weiß glänzendes Band,
Am ſteilen Hang,
Am geſprengten Felſen?’
An des Gebirgs verwitternder Mauer
Klammert die ſproſſende Menſchheit
Sich mit kletternden Ranken an.
Wo doch wurzelt die treibende Kraft,
Himmel und Erde die Säfte entringend
Zur unendlichen Arbeit?
Siehe, was hebt ſich in dämmernder Ferne,
Wo der bleichere Himmel
Ringender Geiſter, emſiger Hände
Raſtlos ſchaffende Sorge deckt?
Aus leichtem Rauch zum Gebilde geballt
Trittſt du hervor,
Meinen ſterblichen Augen
Enthüllſt du dich gnädig, göttliches Bild,
Genius der Menſchheit!
Das Haupt erhebſt du,
Und geordnet im Raume
Rollen die Sterne gemeſſene Bahnen,
Zucken des Äthers leuchtende Wellen,
Strömen die Körper nach feſtem Geſetze,
Und im Zwang des geregelten Wirbels
Zu ewigem Kreislauf
Beugt ſich Natur.
Jm All verloren auf Weltenſtäubchen
Soll ich verwehen, ein Spiel der Zeit,
Ziellos vernichtet?
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Zitationshilfe: | Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/225>, abgerufen am 29.06.2024. |