"Nein," entgegnete der Philosoph kurz, "das kann ich nicht; das wäre unter meiner Würde und würde mich als Gelehrten diskreditieren."
"Aber giebt es denn wirklich keinen Weg zum Selbstbewußtsein zu gelangen?"
"Jch sage Jhnen ja, daß man hier nichts wissen kann. Der menschliche Verstand reicht nicht über seine Grenzen; wer Jhnen mehr verspricht, der phantasiert. Wenn Sie aber kein Selbstbewußtsein haben, so seien Sie froh, alsdann kann Sie die ganze Frage nichts kümmern. Die Rätsel des Daseins beginnen erst mit dem Augen- blicke, wo Sie sich als Jch gegenüber der Welt er- kennen; bleiben Sie in dem glücklichen Zustande, in welchem es nichts giebt als das unbesorgte Spiel Jhres eigenen Gemüts!"
"Aber Herr Mirax hat doch geschrieben --"
"Herr Mirax?" rief der Philosoph und lachte laut. "Ja, wenn Sie Mirax gelesen haben, der weiß es frei- lich; der konstruiert Jhnen die Welt auf Bestellung und sieht überall Geister; der wird Jhnen auch sagen können, wie Sie zum Selbstbewußtsein kommen. Aber da müssen Sie sich schon zu ihm selbst bemühen. Jch empfehle mich Jhnen."
Und so fragte sich denn der Erdgeist glücklich bis zu Heino Mirax hindurch. Da er ihm imponieren wollte, so erschien er ihm in seiner natürlichen Gestalt, wie er im Erdrindenkasino zu kegeln pflegte. Aber Mirax war an Geistererscheinungen gewöhnt, und so erregte Litho- sphäros bei ihm wenig Schrecken. Als der Erdgeist seinen
Mirax.
„Nein,“ entgegnete der Philoſoph kurz, „das kann ich nicht; das wäre unter meiner Würde und würde mich als Gelehrten diskreditieren.“
„Aber giebt es denn wirklich keinen Weg zum Selbſtbewußtſein zu gelangen?“
„Jch ſage Jhnen ja, daß man hier nichts wiſſen kann. Der menſchliche Verſtand reicht nicht über ſeine Grenzen; wer Jhnen mehr verſpricht, der phantaſiert. Wenn Sie aber kein Selbſtbewußtſein haben, ſo ſeien Sie froh, alsdann kann Sie die ganze Frage nichts kümmern. Die Rätſel des Daſeins beginnen erſt mit dem Augen- blicke, wo Sie ſich als Jch gegenüber der Welt er- kennen; bleiben Sie in dem glücklichen Zuſtande, in welchem es nichts giebt als das unbeſorgte Spiel Jhres eigenen Gemüts!“
„Aber Herr Mirax hat doch geſchrieben —“
„Herr Mirax?“ rief der Philoſoph und lachte laut. „Ja, wenn Sie Mirax geleſen haben, der weiß es frei- lich; der konſtruiert Jhnen die Welt auf Beſtellung und ſieht überall Geiſter; der wird Jhnen auch ſagen können, wie Sie zum Selbſtbewußtſein kommen. Aber da müſſen Sie ſich ſchon zu ihm ſelbſt bemühen. Jch empfehle mich Jhnen.“
Und ſo fragte ſich denn der Erdgeiſt glücklich bis zu Heino Mirax hindurch. Da er ihm imponieren wollte, ſo erſchien er ihm in ſeiner natürlichen Geſtalt, wie er im Erdrindenkaſino zu kegeln pflegte. Aber Mirax war an Geiſtererſcheinungen gewöhnt, und ſo erregte Litho- ſphäros bei ihm wenig Schrecken. Als der Erdgeiſt ſeinen
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Mirax.
„Nein,“ entgegnete der Philoſoph kurz, „das kann
ich nicht; das wäre unter meiner Würde und würde
mich als Gelehrten diskreditieren.“
„Aber giebt es denn wirklich keinen Weg zum
Selbſtbewußtſein zu gelangen?“
„Jch ſage Jhnen ja, daß man hier nichts wiſſen kann.
Der menſchliche Verſtand reicht nicht über ſeine Grenzen;
wer Jhnen mehr verſpricht, der phantaſiert. Wenn Sie
aber kein Selbſtbewußtſein haben, ſo ſeien Sie froh,
alsdann kann Sie die ganze Frage nichts kümmern.
Die Rätſel des Daſeins beginnen erſt mit dem Augen-
blicke, wo Sie ſich als Jch gegenüber der Welt er-
kennen; bleiben Sie in dem glücklichen Zuſtande, in
welchem es nichts giebt als das unbeſorgte Spiel Jhres
eigenen Gemüts!“
„Aber Herr Mirax hat doch geſchrieben —“
„Herr Mirax?“ rief der Philoſoph und lachte laut.
„Ja, wenn Sie Mirax geleſen haben, der weiß es frei-
lich; der konſtruiert Jhnen die Welt auf Beſtellung und
ſieht überall Geiſter; der wird Jhnen auch ſagen können,
wie Sie zum Selbſtbewußtſein kommen. Aber da müſſen
Sie ſich ſchon zu ihm ſelbſt bemühen. Jch empfehle
mich Jhnen.“
Und ſo fragte ſich denn der Erdgeiſt glücklich bis zu
Heino Mirax hindurch. Da er ihm imponieren wollte,
ſo erſchien er ihm in ſeiner natürlichen Geſtalt, wie er
im Erdrindenkaſino zu kegeln pflegte. Aber Mirax war
an Geiſtererſcheinungen gewöhnt, und ſo erregte Litho-
ſphäros bei ihm wenig Schrecken. Als der Erdgeiſt ſeinen
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/205>, abgerufen am 22.07.2024.
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