Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Mirax. hineinbohrt; daß dagegen der ganze Jnhalt ausströmt,wenn man dem Fasse den Boden ausschlägt. Auch muß zugegeben werden, daß das Gedächtnis gewissermaßen das Gefäß ist, welches das Gesamtwissen der Menschheit zusammenhält. Mirax berief sich in dieser Hinsicht auf Kant und Goethe, und man weiß, daß Mirax ein Kenner dieser nicht unbedeutenden Schriftsteller ist. Das lächerliche Geschrei einiger Professoren, daß sich ein solcher Ausspruch weder bei Kant noch bei Goethe finde, noch auch nach der ganzen Eigenart dieser Geister bei ihnen sich finden könne, ist als lediglich dem Brotneid ent- stammend kurzer Hand zurückzuweisen. Man darf zu- versichtlich erwarten, daß kein Miraxianer die Schriften jener Männer selbst nachlesen wird. Mit Hilfe der beiden obigen Prinzipien schloß Mirax, daß, wenn man nur in das Gedächtnis der Menschheit ein genügend großes Loch schlagen könnte, sofort der gesamte Wissens- inhalt auslaufen würde. Man müßte denselben als- dann auffangen und auf Flaschen ziehen. Darauf wollte er seine neue Pädagogik gründen und so die Erziehung der Menschheit endlich in Ordnung bringen. Die Zeit- schrift "Mysterium" veröffentlichte eine Reihe von Ar- tikeln, worin mit Repliken und Dupliken heftig gekämpft wurde, welche Gestalt die anzuwendenden Geistflaschen haben sollten; es ist bedauerlich, daß darüber Streit entstehen konnte, da die altdeutsche Form des "Nürn- berger Trichters" zweifellos die einzige ist, welche der nationalen Würde entspricht. Hoffentlich nimmt der Staat bald die Sache in die Hand. Mirax. hineinbohrt; daß dagegen der ganze Jnhalt ausſtrömt,wenn man dem Faſſe den Boden ausſchlägt. Auch muß zugegeben werden, daß das Gedächtnis gewiſſermaßen das Gefäß iſt, welches das Geſamtwiſſen der Menſchheit zuſammenhält. Mirax berief ſich in dieſer Hinſicht auf Kant und Goethe, und man weiß, daß Mirax ein Kenner dieſer nicht unbedeutenden Schriftſteller iſt. Das lächerliche Geſchrei einiger Profeſſoren, daß ſich ein ſolcher Ausſpruch weder bei Kant noch bei Goethe finde, noch auch nach der ganzen Eigenart dieſer Geiſter bei ihnen ſich finden könne, iſt als lediglich dem Brotneid ent- ſtammend kurzer Hand zurückzuweiſen. Man darf zu- verſichtlich erwarten, daß kein Miraxianer die Schriften jener Männer ſelbſt nachleſen wird. Mit Hilfe der beiden obigen Prinzipien ſchloß Mirax, daß, wenn man nur in das Gedächtnis der Menſchheit ein genügend großes Loch ſchlagen könnte, ſofort der geſamte Wiſſens- inhalt auslaufen würde. Man müßte denſelben als- dann auffangen und auf Flaſchen ziehen. Darauf wollte er ſeine neue Pädagogik gründen und ſo die Erziehung der Menſchheit endlich in Ordnung bringen. Die Zeit- ſchrift „Myſterium“ veröffentlichte eine Reihe von Ar- tikeln, worin mit Repliken und Dupliken heftig gekämpft wurde, welche Geſtalt die anzuwendenden Geiſtflaſchen haben ſollten; es iſt bedauerlich, daß darüber Streit entſtehen konnte, da die altdeutſche Form des „Nürn- berger Trichters“ zweifellos die einzige iſt, welche der nationalen Würde entſpricht. Hoffentlich nimmt der Staat bald die Sache in die Hand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0187" n="181"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mirax.</hi></fw><lb/> hineinbohrt; daß dagegen der ganze Jnhalt ausſtrömt,<lb/> wenn man dem Faſſe den Boden ausſchlägt. Auch muß<lb/> zugegeben werden, daß das Gedächtnis gewiſſermaßen<lb/> das Gefäß iſt, welches das Geſamtwiſſen der Menſchheit<lb/> zuſammenhält. Mirax berief ſich in dieſer Hinſicht auf<lb/> Kant und Goethe, und man weiß, daß Mirax ein<lb/> Kenner dieſer nicht unbedeutenden Schriftſteller iſt. 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Mirax.
hineinbohrt; daß dagegen der ganze Jnhalt ausſtrömt,
wenn man dem Faſſe den Boden ausſchlägt. Auch muß
zugegeben werden, daß das Gedächtnis gewiſſermaßen
das Gefäß iſt, welches das Geſamtwiſſen der Menſchheit
zuſammenhält. Mirax berief ſich in dieſer Hinſicht auf
Kant und Goethe, und man weiß, daß Mirax ein
Kenner dieſer nicht unbedeutenden Schriftſteller iſt. Das
lächerliche Geſchrei einiger Profeſſoren, daß ſich ein ſolcher
Ausſpruch weder bei Kant noch bei Goethe finde, noch
auch nach der ganzen Eigenart dieſer Geiſter bei ihnen
ſich finden könne, iſt als lediglich dem Brotneid ent-
ſtammend kurzer Hand zurückzuweiſen. Man darf zu-
verſichtlich erwarten, daß kein Miraxianer die Schriften
jener Männer ſelbſt nachleſen wird. Mit Hilfe der
beiden obigen Prinzipien ſchloß Mirax, daß, wenn man
nur in das Gedächtnis der Menſchheit ein genügend
großes Loch ſchlagen könnte, ſofort der geſamte Wiſſens-
inhalt auslaufen würde. Man müßte denſelben als-
dann auffangen und auf Flaſchen ziehen. Darauf wollte
er ſeine neue Pädagogik gründen und ſo die Erziehung
der Menſchheit endlich in Ordnung bringen. Die Zeit-
ſchrift „Myſterium“ veröffentlichte eine Reihe von Ar-
tikeln, worin mit Repliken und Dupliken heftig gekämpft
wurde, welche Geſtalt die anzuwendenden Geiſtflaſchen
haben ſollten; es iſt bedauerlich, daß darüber Streit
entſtehen konnte, da die altdeutſche Form des „Nürn-
berger Trichters“ zweifellos die einzige iſt, welche der
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Zitationshilfe: | Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/187>, abgerufen am 22.07.2024. |