Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Mirax. Sonne geben, welche das Eisen schmieden; und da ein"Tischlein-deck'-dich" eine hübsche Sache ist, so steht zu vermuten, daß jene Wesen auch gern vom Himmel ge- fallene Speisen haben möchten. Nun fallen aber die Meteorsteine vom Himmel und bestehen aus Eisen -- folglich sind sie die Lieblingsspeise der Sonnenbewohner. Da endlich wir Menschen noch nicht Eisen verdauen können, die lebenden Wesen jedoch in einer Fortentwicke- lung begriffen sind, und endlich die Sonne älter ist als die Erde, so folgt daraus: 1) Die Sonnenbewohner sind höher organisierte Wesen als die Menschen; 2) die Menschen werden später dazu kommen, Eisen zu ver- dauen; 3) in einer -- allerdings noch weit entfernten -- Zukunft wird man zum Nachtisch den Gästen Granaten in den Mund schießen. Es muß freilich hinzugefügt werden, daß die letzte Folgerung nicht von allen An- hängern des Heino Mirax zugegeben wurde, und daß sie auch in der That nicht ganz unbedenklich ist; die Neu- Miraxianer, welche dieselbe leugnen, haben vielleicht recht. Aber auf Grund der beiden ersten Sätze hatte sich Mirax eine zuverlässige Schule geschaffen, welche alle umfaßte, die das Bedürfnis hatten, etwas bisher gänzlich Un- bekanntes durch eine unbefangenere Logik zu erfahren. Sie erklärten Heino Mirax für einen der tiefsinnigsten und zugleich klarsten Denker aller Zeiten. Er auch. Aber Mirax führte nicht nur die Naturforschung Mirax. Sonne geben, welche das Eiſen ſchmieden; und da ein„Tiſchlein-deck’-dich“ eine hübſche Sache iſt, ſo ſteht zu vermuten, daß jene Weſen auch gern vom Himmel ge- fallene Speiſen haben möchten. Nun fallen aber die Meteorſteine vom Himmel und beſtehen aus Eiſen — folglich ſind ſie die Lieblingsſpeiſe der Sonnenbewohner. Da endlich wir Menſchen noch nicht Eiſen verdauen können, die lebenden Weſen jedoch in einer Fortentwicke- lung begriffen ſind, und endlich die Sonne älter iſt als die Erde, ſo folgt daraus: 1) Die Sonnenbewohner ſind höher organiſierte Weſen als die Menſchen; 2) die Menſchen werden ſpäter dazu kommen, Eiſen zu ver- dauen; 3) in einer — allerdings noch weit entfernten — Zukunft wird man zum Nachtiſch den Gäſten Granaten in den Mund ſchießen. Es muß freilich hinzugefügt werden, daß die letzte Folgerung nicht von allen An- hängern des Heino Mirax zugegeben wurde, und daß ſie auch in der That nicht ganz unbedenklich iſt; die Neu- Miraxianer, welche dieſelbe leugnen, haben vielleicht recht. Aber auf Grund der beiden erſten Sätze hatte ſich Mirax eine zuverläſſige Schule geſchaffen, welche alle umfaßte, die das Bedürfnis hatten, etwas bisher gänzlich Un- bekanntes durch eine unbefangenere Logik zu erfahren. Sie erklärten Heino Mirax für einen der tiefſinnigſten und zugleich klarſten Denker aller Zeiten. Er auch. Aber Mirax führte nicht nur die Naturforſchung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="180"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mirax.</hi></fw><lb/> Sonne geben, welche das Eiſen ſchmieden; und da ein<lb/> „Tiſchlein-deck’-dich“ eine hübſche Sache iſt, ſo ſteht zu<lb/> vermuten, daß jene Weſen auch gern vom Himmel ge-<lb/> fallene Speiſen haben möchten. Nun fallen aber die<lb/> Meteorſteine vom Himmel und beſtehen aus Eiſen —<lb/> folglich ſind ſie die Lieblingsſpeiſe der Sonnenbewohner.<lb/> Da endlich wir Menſchen noch nicht Eiſen verdauen<lb/> können, die lebenden Weſen jedoch in einer Fortentwicke-<lb/> lung begriffen ſind, und endlich die Sonne älter iſt<lb/> als die Erde, ſo folgt daraus: 1) Die Sonnenbewohner<lb/> ſind höher organiſierte Weſen als die Menſchen; 2) die<lb/> Menſchen werden ſpäter dazu kommen, Eiſen zu ver-<lb/> dauen; 3) in einer — allerdings noch weit entfernten<lb/> — Zukunft wird man zum Nachtiſch den Gäſten Granaten<lb/> in den Mund ſchießen. Es muß freilich hinzugefügt<lb/> werden, daß die letzte Folgerung nicht von allen An-<lb/> hängern des Heino Mirax zugegeben wurde, und daß ſie<lb/> auch in der That nicht ganz unbedenklich iſt; die Neu-<lb/> Miraxianer, welche dieſelbe leugnen, haben vielleicht recht.<lb/> Aber auf Grund der beiden erſten Sätze hatte ſich Mirax<lb/> eine zuverläſſige Schule geſchaffen, welche alle umfaßte,<lb/> die das Bedürfnis hatten, etwas bisher gänzlich Un-<lb/> bekanntes durch eine unbefangenere Logik zu erfahren.<lb/> Sie erklärten Heino Mirax für einen der tiefſinnigſten<lb/> und zugleich klarſten Denker aller Zeiten. Er auch.</p><lb/> <p>Aber Mirax führte nicht nur die Naturforſchung<lb/> neue Wege, er brachte auch die Philoſophie in erſtaun-<lb/> lichen Schwung. Es iſt unleugbar, daß ein Faß Wein<lb/> nicht ausläuft, wenn man nur ein einziges kleines Loch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [180/0186]
Mirax.
Sonne geben, welche das Eiſen ſchmieden; und da ein
„Tiſchlein-deck’-dich“ eine hübſche Sache iſt, ſo ſteht zu
vermuten, daß jene Weſen auch gern vom Himmel ge-
fallene Speiſen haben möchten. Nun fallen aber die
Meteorſteine vom Himmel und beſtehen aus Eiſen —
folglich ſind ſie die Lieblingsſpeiſe der Sonnenbewohner.
Da endlich wir Menſchen noch nicht Eiſen verdauen
können, die lebenden Weſen jedoch in einer Fortentwicke-
lung begriffen ſind, und endlich die Sonne älter iſt
als die Erde, ſo folgt daraus: 1) Die Sonnenbewohner
ſind höher organiſierte Weſen als die Menſchen; 2) die
Menſchen werden ſpäter dazu kommen, Eiſen zu ver-
dauen; 3) in einer — allerdings noch weit entfernten
— Zukunft wird man zum Nachtiſch den Gäſten Granaten
in den Mund ſchießen. Es muß freilich hinzugefügt
werden, daß die letzte Folgerung nicht von allen An-
hängern des Heino Mirax zugegeben wurde, und daß ſie
auch in der That nicht ganz unbedenklich iſt; die Neu-
Miraxianer, welche dieſelbe leugnen, haben vielleicht recht.
Aber auf Grund der beiden erſten Sätze hatte ſich Mirax
eine zuverläſſige Schule geſchaffen, welche alle umfaßte,
die das Bedürfnis hatten, etwas bisher gänzlich Un-
bekanntes durch eine unbefangenere Logik zu erfahren.
Sie erklärten Heino Mirax für einen der tiefſinnigſten
und zugleich klarſten Denker aller Zeiten. Er auch.
Aber Mirax führte nicht nur die Naturforſchung
neue Wege, er brachte auch die Philoſophie in erſtaun-
lichen Schwung. Es iſt unleugbar, daß ein Faß Wein
nicht ausläuft, wenn man nur ein einziges kleines Loch
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