Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Psychotomie.
parate sind selbst Personen, unvollständige freilich, denn
sie sind ja nur Theile der vollen, menschlichen Persön-
lichkeit, aber sie sind doch lebendig und ein sonderbares
Völkchen, das man mit Vergnügen studiert."

"Das ist mir vollkommen klar," sagte der Philosoph,
"ich danke Jhnen. Sie haben offenbar eine Methode --"

"Lieber Herr Doktor," unterbrach ihn der Fremde,
"die Methode der Psychotomie kann ich Jhnen heute
nicht entwickeln, begnügen Sie sich vorläufig mit den
Resultaten. Jch habe die wesentlichsten mitgebracht."

Damit öffnete er das Kästchen und entnahm ihm ver-
schiedene Päckchen und Gläser.

"Zuerst einige Kleinigkeiten," begann er wieder.
"Das sind Dinge, mit denen wir unsere Fabrikation
anfingen, ehe wir die eigentlichen Seelenthätigkeiten
darstellen konnten. Hier z. B. haben Sie die berühm-
ten platonischen Jdeen."

Er reichte ein versiegeltes Päckchen hin, das Schulze
aufzuwickeln versuchte.

"Ja," rief der Psychotom, indem er ihm das Päck-
chen wieder fortnahm, "öffnen dürfen Sie es nicht. Die
Jdeen sind ohne materielle Umhüllung nicht sichtbar."

"Aber dann weiß ich ja garnicht, was in dem Pa-
pier ist."

"Das müssen Sie mir eben glauben! Hier sind
übrigens einige Atome von Demokrit, sie sind etwas
zu groß geraten, ich will sie Jhnen schenken. Wir
haben auch einige moderne Atome dargestellt, aber es
ist kein Staat damit zu machen. Wofür halten Sie

Pſychotomie.
parate ſind ſelbſt Perſonen, unvollſtändige freilich, denn
ſie ſind ja nur Theile der vollen, menſchlichen Perſön-
lichkeit, aber ſie ſind doch lebendig und ein ſonderbares
Völkchen, das man mit Vergnügen ſtudiert.“

„Das iſt mir vollkommen klar,“ ſagte der Philoſoph,
„ich danke Jhnen. Sie haben offenbar eine Methode —“

„Lieber Herr Doktor,“ unterbrach ihn der Fremde,
„die Methode der Pſychotomie kann ich Jhnen heute
nicht entwickeln, begnügen Sie ſich vorläufig mit den
Reſultaten. Jch habe die weſentlichſten mitgebracht.“

Damit öffnete er das Käſtchen und entnahm ihm ver-
ſchiedene Päckchen und Gläſer.

„Zuerſt einige Kleinigkeiten,“ begann er wieder.
„Das ſind Dinge, mit denen wir unſere Fabrikation
anfingen, ehe wir die eigentlichen Seelenthätigkeiten
darſtellen konnten. Hier z. B. haben Sie die berühm-
ten platoniſchen Jdeen.“

Er reichte ein verſiegeltes Päckchen hin, das Schulze
aufzuwickeln verſuchte.

„Ja,“ rief der Pſychotom, indem er ihm das Päck-
chen wieder fortnahm, „öffnen dürfen Sie es nicht. Die
Jdeen ſind ohne materielle Umhüllung nicht ſichtbar.“

„Aber dann weiß ich ja garnicht, was in dem Pa-
pier iſt.“

„Das müſſen Sie mir eben glauben! Hier ſind
übrigens einige Atome von Demokrit, ſie ſind etwas
zu groß geraten, ich will ſie Jhnen ſchenken. Wir
haben auch einige moderne Atome dargeſtellt, aber es
iſt kein Staat damit zu machen. Wofür halten Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0168" n="162"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">P&#x017F;ychotomie.</hi></fw><lb/>
parate &#x017F;ind &#x017F;elb&#x017F;t Per&#x017F;onen, unvoll&#x017F;tändige freilich, denn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind ja nur Theile der vollen, men&#x017F;chlichen Per&#x017F;ön-<lb/>
lichkeit, aber &#x017F;ie &#x017F;ind doch lebendig und ein &#x017F;onderbares<lb/>
Völkchen, das man mit Vergnügen &#x017F;tudiert.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t mir vollkommen klar,&#x201C; &#x017F;agte der Philo&#x017F;oph,<lb/>
&#x201E;ich danke Jhnen. Sie haben offenbar eine Methode &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Lieber Herr Doktor,&#x201C; unterbrach ihn der Fremde,<lb/>
&#x201E;die Methode der P&#x017F;ychotomie kann ich Jhnen heute<lb/>
nicht entwickeln, begnügen Sie &#x017F;ich vorläufig mit den<lb/>
Re&#x017F;ultaten. Jch habe die we&#x017F;entlich&#x017F;ten mitgebracht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Damit öffnete er das Kä&#x017F;tchen und entnahm ihm ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Päckchen und Glä&#x017F;er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zuer&#x017F;t einige Kleinigkeiten,&#x201C; begann er wieder.<lb/>
&#x201E;Das &#x017F;ind Dinge, mit denen wir un&#x017F;ere Fabrikation<lb/>
anfingen, ehe wir die eigentlichen Seelenthätigkeiten<lb/>
dar&#x017F;tellen konnten. Hier z. B. haben Sie die berühm-<lb/>
ten platoni&#x017F;chen Jdeen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er reichte ein ver&#x017F;iegeltes Päckchen hin, das Schulze<lb/>
aufzuwickeln ver&#x017F;uchte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; rief der P&#x017F;ychotom, indem er ihm das Päck-<lb/>
chen wieder fortnahm, &#x201E;öffnen dürfen Sie es nicht. Die<lb/>
Jdeen &#x017F;ind ohne materielle Umhüllung nicht &#x017F;ichtbar.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber dann weiß ich ja garnicht, was in dem Pa-<lb/>
pier i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das mü&#x017F;&#x017F;en Sie mir eben glauben! Hier &#x017F;ind<lb/>
übrigens einige Atome von Demokrit, &#x017F;ie &#x017F;ind etwas<lb/>
zu groß geraten, ich will &#x017F;ie Jhnen &#x017F;chenken. Wir<lb/>
haben auch einige moderne Atome darge&#x017F;tellt, aber es<lb/>
i&#x017F;t kein Staat damit zu machen. Wofür halten Sie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0168] Pſychotomie. parate ſind ſelbſt Perſonen, unvollſtändige freilich, denn ſie ſind ja nur Theile der vollen, menſchlichen Perſön- lichkeit, aber ſie ſind doch lebendig und ein ſonderbares Völkchen, das man mit Vergnügen ſtudiert.“ „Das iſt mir vollkommen klar,“ ſagte der Philoſoph, „ich danke Jhnen. Sie haben offenbar eine Methode —“ „Lieber Herr Doktor,“ unterbrach ihn der Fremde, „die Methode der Pſychotomie kann ich Jhnen heute nicht entwickeln, begnügen Sie ſich vorläufig mit den Reſultaten. Jch habe die weſentlichſten mitgebracht.“ Damit öffnete er das Käſtchen und entnahm ihm ver- ſchiedene Päckchen und Gläſer. „Zuerſt einige Kleinigkeiten,“ begann er wieder. „Das ſind Dinge, mit denen wir unſere Fabrikation anfingen, ehe wir die eigentlichen Seelenthätigkeiten darſtellen konnten. Hier z. B. haben Sie die berühm- ten platoniſchen Jdeen.“ Er reichte ein verſiegeltes Päckchen hin, das Schulze aufzuwickeln verſuchte. „Ja,“ rief der Pſychotom, indem er ihm das Päck- chen wieder fortnahm, „öffnen dürfen Sie es nicht. Die Jdeen ſind ohne materielle Umhüllung nicht ſichtbar.“ „Aber dann weiß ich ja garnicht, was in dem Pa- pier iſt.“ „Das müſſen Sie mir eben glauben! Hier ſind übrigens einige Atome von Demokrit, ſie ſind etwas zu groß geraten, ich will ſie Jhnen ſchenken. Wir haben auch einige moderne Atome dargeſtellt, aber es iſt kein Staat damit zu machen. Wofür halten Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/168
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/168>, abgerufen am 04.12.2024.