Jn schwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betrübt --"
aber die Schlußzeilen fielen mir nicht ein."
Forbach sah Amalie fragend an und sagte zu Siebler:
"Und wie malte Jhnen der Traum diese Stimmung? Denn der Traum spricht nur in Bildern."
"Ganz richtig, nur kann ich dieselben nicht festhalten und muß mich begnügen, Jhnen den Gesamteindruck zu schildern. Das wesentliche Moment aber war dieses. Es wurde über das Traummonopol abgestimmt und schließlich hatte ich die entscheidende Stimme abzugeben. Jch stimmte dafür, es ging durch, und sofort auch war ich Traumminister. Ja, ich war verantwortlicher Chef des gesamten kolossalen Apparats der Schlaf- und Traumverteilung. Jch steckte bis an den Kopf in Seifenblasen, die ich fortwährend nach allen Seiten hin verteilen mußte, indem ich unausgesetzt in den Haufen hineinblies; da flogen sie nach jeder Richtung, und immer neue quollen hervor. Jn einem ungeheuren Amphitheater aber saß das gesamte Volk, jedem einzelnen flog eine Seifenblase an den Kopf und zerplatzte; sie wurde zu Glasscherben, die man mir mit Grimassen zurückwarf, und bald steckte ich bis an die Brust in den scharfen Splittern. ,Das ist nicht mein Traum,' schrie der eine; ,ich will einen anderen,' der zweite; ,heute will ich gar keinen,' der dritte; ,das ist ja er- bärmliches Zeug,' der vierte; und so ging es weiter mit Beschwerden, und jedesmal flogen mir die Scherben um
Der Traumfabrikant.
Jn ſchwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betrübt —“
aber die Schlußzeilen fielen mir nicht ein.“
Forbach ſah Amalie fragend an und ſagte zu Siebler:
„Und wie malte Jhnen der Traum dieſe Stimmung? Denn der Traum ſpricht nur in Bildern.“
„Ganz richtig, nur kann ich dieſelben nicht feſthalten und muß mich begnügen, Jhnen den Geſamteindruck zu ſchildern. Das weſentliche Moment aber war dieſes. Es wurde über das Traummonopol abgeſtimmt und ſchließlich hatte ich die entſcheidende Stimme abzugeben. Jch ſtimmte dafür, es ging durch, und ſofort auch war ich Traumminiſter. Ja, ich war verantwortlicher Chef des geſamten koloſſalen Apparats der Schlaf- und Traumverteilung. Jch ſteckte bis an den Kopf in Seifenblaſen, die ich fortwährend nach allen Seiten hin verteilen mußte, indem ich unausgeſetzt in den Haufen hineinblies; da flogen ſie nach jeder Richtung, und immer neue quollen hervor. Jn einem ungeheuren Amphitheater aber ſaß das geſamte Volk, jedem einzelnen flog eine Seifenblaſe an den Kopf und zerplatzte; ſie wurde zu Glasſcherben, die man mir mit Grimaſſen zurückwarf, und bald ſteckte ich bis an die Bruſt in den ſcharfen Splittern. ‚Das iſt nicht mein Traum,‘ ſchrie der eine; ‚ich will einen anderen,‘ der zweite; ‚heute will ich gar keinen,‘ der dritte; ‚das iſt ja er- bärmliches Zeug,‘ der vierte; und ſo ging es weiter mit Beſchwerden, und jedesmal flogen mir die Scherben um
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Der Traumfabrikant.
Jn ſchwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt —“
aber die Schlußzeilen fielen mir nicht ein.“
Forbach ſah Amalie fragend an und ſagte zu Siebler:
„Und wie malte Jhnen der Traum dieſe Stimmung?
Denn der Traum ſpricht nur in Bildern.“
„Ganz richtig, nur kann ich dieſelben nicht feſthalten
und muß mich begnügen, Jhnen den Geſamteindruck
zu ſchildern. Das weſentliche Moment aber war dieſes.
Es wurde über das Traummonopol abgeſtimmt und
ſchließlich hatte ich die entſcheidende Stimme abzugeben.
Jch ſtimmte dafür, es ging durch, und ſofort auch war
ich Traumminiſter. Ja, ich war verantwortlicher
Chef des geſamten koloſſalen Apparats der Schlaf-
und Traumverteilung. Jch ſteckte bis an den Kopf in
Seifenblaſen, die ich fortwährend nach allen Seiten hin
verteilen mußte, indem ich unausgeſetzt in den Haufen
hineinblies; da flogen ſie nach jeder Richtung, und
immer neue quollen hervor. Jn einem ungeheuren
Amphitheater aber ſaß das geſamte Volk, jedem einzelnen
flog eine Seifenblaſe an den Kopf und zerplatzte; ſie
wurde zu Glasſcherben, die man mir mit Grimaſſen
zurückwarf, und bald ſteckte ich bis an die Bruſt in
den ſcharfen Splittern. ‚Das iſt nicht mein Traum,‘
ſchrie der eine; ‚ich will einen anderen,‘ der zweite;
‚heute will ich gar keinen,‘ der dritte; ‚das iſt ja er-
bärmliches Zeug,‘ der vierte; und ſo ging es weiter mit
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/161>, abgerufen am 22.07.2024.
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