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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Der Traumfabrikant.
dividuelle Freiheit zu vereinen sei mit dem notwendigen
Zwange staatlicher Ordnung. Je weniger die Menschen
wachen, um so weniger bedürfen sie des Zwanges, um
so weiter dehnt sich das Reich seliger Traumfreiheit.

Aber diese Freiheit darf keine Bestimmungslosigkeit
sein. Sie soll erquicken, nicht durch Überraschungen
quälen. Daher muß nach Mitteln gesucht werden,
wenigstens die allgemeinen Bahnen des Traumverlaufs
zu bestimmen, die Schreckbilder abzuhalten, die ungefähre
Richtung der dichtenden Phantasie vorzuschreiben. Auch
dies Problem hatte die Biomystik gelöst; ein Professor
der Physiologie, der sich in somnambulen Zustand versetzt
hatte, entdeckte im Hochschlafe das "Traumorgan".

Ja, das Traumorgan existierte wirklich, und zwar
dort, wo es die Verehrer des tierischen Magnetismus
gesucht hatten, in der Nähe der Magengrube, mit welcher
die Somnambulen bekanntlich lesen können; es saß im
sogenannten Sonnengeflecht des Gangliensystems in
Gestalt eines die Nervenbläschen erfüllenden specifischen
Nervengases und hatte die empirische Formel C632 H418
N26 S8 Fe2 O99.
Man hatte es einem Mörder exstirpiert,
der vor Gewissensbissen nicht schlafen konnte; seitdem
erfreute er sich eines ruhigen, traumlosen Schlafes. Ein
Philosoph, welcher dem Mysticismus huldigte, verlor das
Traumorgan durch einen unglücklichen Sturz auf den
Magen, indem er über eine seiner nachschleppenden
Perioden stolperte; seit jenem Tage schrieb er durchaus
klare Bücher.

Dormio Forbach war Spezialist für das Traum-

Der Traumfabrikant.
dividuelle Freiheit zu vereinen ſei mit dem notwendigen
Zwange ſtaatlicher Ordnung. Je weniger die Menſchen
wachen, um ſo weniger bedürfen ſie des Zwanges, um
ſo weiter dehnt ſich das Reich ſeliger Traumfreiheit.

Aber dieſe Freiheit darf keine Beſtimmungsloſigkeit
ſein. Sie ſoll erquicken, nicht durch Überraſchungen
quälen. Daher muß nach Mitteln geſucht werden,
wenigſtens die allgemeinen Bahnen des Traumverlaufs
zu beſtimmen, die Schreckbilder abzuhalten, die ungefähre
Richtung der dichtenden Phantaſie vorzuſchreiben. Auch
dies Problem hatte die Biomyſtik gelöſt; ein Profeſſor
der Phyſiologie, der ſich in ſomnambulen Zuſtand verſetzt
hatte, entdeckte im Hochſchlafe das „Traumorgan“.

Ja, das Traumorgan exiſtierte wirklich, und zwar
dort, wo es die Verehrer des tieriſchen Magnetismus
geſucht hatten, in der Nähe der Magengrube, mit welcher
die Somnambulen bekanntlich leſen können; es ſaß im
ſogenannten Sonnengeflecht des Ganglienſyſtems in
Geſtalt eines die Nervenbläschen erfüllenden ſpecifiſchen
Nervengaſes und hatte die empiriſche Formel C632 H418
N26 S8 Fe2 O99.
Man hatte es einem Mörder exſtirpiert,
der vor Gewiſſensbiſſen nicht ſchlafen konnte; ſeitdem
erfreute er ſich eines ruhigen, traumloſen Schlafes. Ein
Philoſoph, welcher dem Myſticismus huldigte, verlor das
Traumorgan durch einen unglücklichen Sturz auf den
Magen, indem er über eine ſeiner nachſchleppenden
Perioden ſtolperte; ſeit jenem Tage ſchrieb er durchaus
klare Bücher.

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[146/0152] Der Traumfabrikant. dividuelle Freiheit zu vereinen ſei mit dem notwendigen Zwange ſtaatlicher Ordnung. Je weniger die Menſchen wachen, um ſo weniger bedürfen ſie des Zwanges, um ſo weiter dehnt ſich das Reich ſeliger Traumfreiheit. Aber dieſe Freiheit darf keine Beſtimmungsloſigkeit ſein. Sie ſoll erquicken, nicht durch Überraſchungen quälen. Daher muß nach Mitteln geſucht werden, wenigſtens die allgemeinen Bahnen des Traumverlaufs zu beſtimmen, die Schreckbilder abzuhalten, die ungefähre Richtung der dichtenden Phantaſie vorzuſchreiben. Auch dies Problem hatte die Biomyſtik gelöſt; ein Profeſſor der Phyſiologie, der ſich in ſomnambulen Zuſtand verſetzt hatte, entdeckte im Hochſchlafe das „Traumorgan“. Ja, das Traumorgan exiſtierte wirklich, und zwar dort, wo es die Verehrer des tieriſchen Magnetismus geſucht hatten, in der Nähe der Magengrube, mit welcher die Somnambulen bekanntlich leſen können; es ſaß im ſogenannten Sonnengeflecht des Ganglienſyſtems in Geſtalt eines die Nervenbläschen erfüllenden ſpecifiſchen Nervengaſes und hatte die empiriſche Formel C632 H418 N26 S8 Fe2 O99. Man hatte es einem Mörder exſtirpiert, der vor Gewiſſensbiſſen nicht ſchlafen konnte; ſeitdem erfreute er ſich eines ruhigen, traumloſen Schlafes. Ein Philoſoph, welcher dem Myſticismus huldigte, verlor das Traumorgan durch einen unglücklichen Sturz auf den Magen, indem er über eine ſeiner nachſchleppenden Perioden ſtolperte; ſeit jenem Tage ſchrieb er durchaus klare Bücher. Dormio Forbach war Spezialiſt für das Traum-

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/152>, abgerufen am 05.12.2024.