Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Musen und Weise.

"Aber warum heißt es denn dann nicht Pitter-
Bier?"

"Das weiß ich nicht," entgegnete Klio ungehalten,
"fragen Sie Herrn Simonides. Übrigens können Sie es
aussprechen, wie sie wollen."

Die Einladungskarten wurden geschrieben und soll-
ten eben abgeschickt werden, als sich herausstellte, daß
sie garnicht mehr zur rechten Zeit durch die olympische
Post befördert werden konnten. Und dies kam von der
strengen Feiertagsheiligung, welche in den olympischen
Kreisen selbstverständlich eingeführt war. Nun war aber
jeder der sieben Wochentage einem Gotte oder einer
Göttin geweiht, und infolgedessen durfte an demselben
nicht gearbeitet werden; das war eben das Angenehme
im Olymp, daß man es garnicht nötig hatte, sich ab-
zuhetzen. Die Post ging also, streng genommen, gar-
nicht, ausnahmsweise jedoch des Mittwochs, weil dieser
Tag dem Hermes geheiligt war; da ging sie manchmal
zum Vergnügen. Die Musen hatten ihren Beschluß des
Donnerstags gefaßt, und Samstag sollte die Gesell-
schaft sein.

Sie entschlossen sich also kurz und nahmen sich einen
alten Lohndiener, welcher früher bei Hermes Briefbote
gewesen war und daher die Adressen gut kannte. Dem
sagten sie, er solle die Einladungen mündlich bestellen:
die Herren Weisen Griechenlands möchten den Musen
die Ehre geben, sie auf den Samstag zu einer Tasse
Thee zu besuchen.

Der Bote trat seinen Rundgang an, und die Weisen

Muſen und Weiſe.

„Aber warum heißt es denn dann nicht Pitter-
Bier?“

„Das weiß ich nicht,“ entgegnete Klio ungehalten,
„fragen Sie Herrn Simonides. Übrigens können Sie es
ausſprechen, wie ſie wollen.“

Die Einladungskarten wurden geſchrieben und ſoll-
ten eben abgeſchickt werden, als ſich herausſtellte, daß
ſie garnicht mehr zur rechten Zeit durch die olympiſche
Poſt befördert werden konnten. Und dies kam von der
ſtrengen Feiertagsheiligung, welche in den olympiſchen
Kreiſen ſelbſtverſtändlich eingeführt war. Nun war aber
jeder der ſieben Wochentage einem Gotte oder einer
Göttin geweiht, und infolgedeſſen durfte an demſelben
nicht gearbeitet werden; das war eben das Angenehme
im Olymp, daß man es garnicht nötig hatte, ſich ab-
zuhetzen. Die Poſt ging alſo, ſtreng genommen, gar-
nicht, ausnahmsweiſe jedoch des Mittwochs, weil dieſer
Tag dem Hermes geheiligt war; da ging ſie manchmal
zum Vergnügen. Die Muſen hatten ihren Beſchluß des
Donnerstags gefaßt, und Samstag ſollte die Geſell-
ſchaft ſein.

Sie entſchloſſen ſich alſo kurz und nahmen ſich einen
alten Lohndiener, welcher früher bei Hermes Briefbote
geweſen war und daher die Adreſſen gut kannte. Dem
ſagten ſie, er ſolle die Einladungen mündlich beſtellen:
die Herren Weiſen Griechenlands möchten den Muſen
die Ehre geben, ſie auf den Samstag zu einer Taſſe
Thee zu beſuchen.

Der Bote trat ſeinen Rundgang an, und die Weiſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0128" n="122"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Mu&#x017F;en und Wei&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
        <p>&#x201E;Aber warum heißt es denn dann nicht Pitter-<lb/>
Bier?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das weiß ich nicht,&#x201C; entgegnete Klio ungehalten,<lb/>
&#x201E;fragen Sie Herrn Simonides. Übrigens können Sie es<lb/>
aus&#x017F;prechen, wie &#x017F;ie wollen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Einladungskarten wurden ge&#x017F;chrieben und &#x017F;oll-<lb/>
ten eben abge&#x017F;chickt werden, als &#x017F;ich heraus&#x017F;tellte, daß<lb/>
&#x017F;ie garnicht mehr zur rechten Zeit durch die olympi&#x017F;che<lb/>
Po&#x017F;t befördert werden konnten. Und dies kam von der<lb/>
&#x017F;trengen Feiertagsheiligung, welche in den olympi&#x017F;chen<lb/>
Krei&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich eingeführt war. Nun war aber<lb/>
jeder der &#x017F;ieben Wochentage einem Gotte oder einer<lb/>
Göttin geweiht, und infolgede&#x017F;&#x017F;en durfte an dem&#x017F;elben<lb/>
nicht gearbeitet werden; das war eben das Angenehme<lb/>
im Olymp, daß man es garnicht nötig hatte, &#x017F;ich ab-<lb/>
zuhetzen. Die Po&#x017F;t ging al&#x017F;o, &#x017F;treng genommen, gar-<lb/>
nicht, ausnahmswei&#x017F;e jedoch des Mittwochs, weil die&#x017F;er<lb/>
Tag dem Hermes geheiligt war; da ging &#x017F;ie manchmal<lb/>
zum Vergnügen. Die Mu&#x017F;en hatten ihren Be&#x017F;chluß des<lb/>
Donnerstags gefaßt, und Samstag &#x017F;ollte die Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>Sie ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich al&#x017F;o kurz und nahmen &#x017F;ich einen<lb/>
alten Lohndiener, welcher früher bei Hermes Briefbote<lb/>
gewe&#x017F;en war und daher die Adre&#x017F;&#x017F;en gut kannte. Dem<lb/>
&#x017F;agten &#x017F;ie, er &#x017F;olle die Einladungen mündlich be&#x017F;tellen:<lb/>
die Herren Wei&#x017F;en Griechenlands möchten den Mu&#x017F;en<lb/>
die Ehre geben, &#x017F;ie auf den Samstag zu einer Ta&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Thee zu be&#x017F;uchen.</p><lb/>
        <p>Der Bote trat &#x017F;einen Rundgang an, und die Wei&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0128] Muſen und Weiſe. „Aber warum heißt es denn dann nicht Pitter- Bier?“ „Das weiß ich nicht,“ entgegnete Klio ungehalten, „fragen Sie Herrn Simonides. Übrigens können Sie es ausſprechen, wie ſie wollen.“ Die Einladungskarten wurden geſchrieben und ſoll- ten eben abgeſchickt werden, als ſich herausſtellte, daß ſie garnicht mehr zur rechten Zeit durch die olympiſche Poſt befördert werden konnten. Und dies kam von der ſtrengen Feiertagsheiligung, welche in den olympiſchen Kreiſen ſelbſtverſtändlich eingeführt war. Nun war aber jeder der ſieben Wochentage einem Gotte oder einer Göttin geweiht, und infolgedeſſen durfte an demſelben nicht gearbeitet werden; das war eben das Angenehme im Olymp, daß man es garnicht nötig hatte, ſich ab- zuhetzen. Die Poſt ging alſo, ſtreng genommen, gar- nicht, ausnahmsweiſe jedoch des Mittwochs, weil dieſer Tag dem Hermes geheiligt war; da ging ſie manchmal zum Vergnügen. Die Muſen hatten ihren Beſchluß des Donnerstags gefaßt, und Samstag ſollte die Geſell- ſchaft ſein. Sie entſchloſſen ſich alſo kurz und nahmen ſich einen alten Lohndiener, welcher früher bei Hermes Briefbote geweſen war und daher die Adreſſen gut kannte. Dem ſagten ſie, er ſolle die Einladungen mündlich beſtellen: die Herren Weiſen Griechenlands möchten den Muſen die Ehre geben, ſie auf den Samstag zu einer Taſſe Thee zu beſuchen. Der Bote trat ſeinen Rundgang an, und die Weiſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/128
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/128>, abgerufen am 12.12.2024.