Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Aus dem Tagebuche einer Ameise. von blankem Stoffe, wie ihn die Menschen am Armetragen. Am Kopfe hatte er zwei Augen, in dem einen saß ein roter Stein, das andere war leer. Jnwendig war der Wurm oder die Schlange hohl -- hier konnten wir uns verbergen! Führer, Arbeiter und Keulenkäferchen, alles brachten wir in den Windungen des Armbands unter. Wir hörten die Mutter schelten -- weder die Ameisen noch die Papiere fand sie! Es folgten die furchtbarsten Tage meines Lebens. Beutesonne 17 starb der Führer Mrs und fünf Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. von blankem Stoffe, wie ihn die Menſchen am Armetragen. Am Kopfe hatte er zwei Augen, in dem einen ſaß ein roter Stein, das andere war leer. Jnwendig war der Wurm oder die Schlange hohl — hier konnten wir uns verbergen! Führer, Arbeiter und Keulenkäferchen, alles brachten wir in den Windungen des Armbands unter. Wir hörten die Mutter ſchelten — weder die Ameiſen noch die Papiere fand ſie! Es folgten die furchtbarſten Tage meines Lebens. Beuteſonne 17 ſtarb der Führer Mrs und fünf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0115" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.</hi></fw><lb/> von blankem Stoffe, wie ihn die Menſchen am Arme<lb/> tragen. Am Kopfe hatte er zwei Augen, in dem einen<lb/> ſaß ein roter Stein, das andere war leer. Jnwendig<lb/> war der Wurm oder die Schlange hohl — hier konnten<lb/> wir uns verbergen! Führer, Arbeiter und Keulenkäferchen,<lb/> alles brachten wir in den Windungen des Armbands<lb/> unter. Wir hörten die Mutter ſchelten — weder die<lb/> Ameiſen noch die Papiere fand ſie!</p><lb/> <p>Es folgten die furchtbarſten Tage meines Lebens.<lb/> Der Schrank blieb verſchloſſen, aber auch das Schlüſſel-<lb/> loch. Es war uns unmöglich zu entfliehen. Wenn<lb/> Geräuſch entſtand, verbargen wir uns in dem Armband.<lb/> Hier ſaßen wir zuſammengedrängt, vom Hunger er-<lb/> ſchöpft. Nach einer ſolchen Flucht fanden wir die<lb/> Papiere wieder im Schranke vor, wir ſtudierten ſie<lb/> weiter trotz unſeres erbarmungswürdigen Zuſtandes.<lb/> Der Schlüſſel war auch wieder abgezogen, aber es<lb/> war ein anderer feſter Gegenſtand vorgeſchoben, den<lb/> wir nicht beſeitigen konnten. Noch immer keine Ausſicht<lb/> auf Rettung! Wir verſuchten das Papier zu verzehren,<lb/> aber es bekam uns nicht.</p><lb/> <p>Beuteſonne 17 ſtarb der Führer Mrs und fünf<lb/> Arbeiter. Die Käfer ſind noch wohlauf. Beuteſonne 18<lb/> verloren wir einen Führer und zehn Arbeiter. Wir<lb/> hatten beſchloſſen, einen Rettungsverſuch zu unternehmen.<lb/> Sich beim Öffnen der Thür hinauszuwagen, wäre<lb/> direktes Verderben geweſen. Wir hatten jedoch bemerkt,<lb/> daß, wenn die Thür aufging, an der Seite, wo ſie ſich<lb/> drehte, ein ſchmaler Spalt entſtand. Ein Führer und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0115]
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
von blankem Stoffe, wie ihn die Menſchen am Arme
tragen. Am Kopfe hatte er zwei Augen, in dem einen
ſaß ein roter Stein, das andere war leer. Jnwendig
war der Wurm oder die Schlange hohl — hier konnten
wir uns verbergen! Führer, Arbeiter und Keulenkäferchen,
alles brachten wir in den Windungen des Armbands
unter. Wir hörten die Mutter ſchelten — weder die
Ameiſen noch die Papiere fand ſie!
Es folgten die furchtbarſten Tage meines Lebens.
Der Schrank blieb verſchloſſen, aber auch das Schlüſſel-
loch. Es war uns unmöglich zu entfliehen. Wenn
Geräuſch entſtand, verbargen wir uns in dem Armband.
Hier ſaßen wir zuſammengedrängt, vom Hunger er-
ſchöpft. Nach einer ſolchen Flucht fanden wir die
Papiere wieder im Schranke vor, wir ſtudierten ſie
weiter trotz unſeres erbarmungswürdigen Zuſtandes.
Der Schlüſſel war auch wieder abgezogen, aber es
war ein anderer feſter Gegenſtand vorgeſchoben, den
wir nicht beſeitigen konnten. Noch immer keine Ausſicht
auf Rettung! Wir verſuchten das Papier zu verzehren,
aber es bekam uns nicht.
Beuteſonne 17 ſtarb der Führer Mrs und fünf
Arbeiter. Die Käfer ſind noch wohlauf. Beuteſonne 18
verloren wir einen Führer und zehn Arbeiter. Wir
hatten beſchloſſen, einen Rettungsverſuch zu unternehmen.
Sich beim Öffnen der Thür hinauszuwagen, wäre
direktes Verderben geweſen. Wir hatten jedoch bemerkt,
daß, wenn die Thür aufging, an der Seite, wo ſie ſich
drehte, ein ſchmaler Spalt entſtand. Ein Führer und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |