Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Aus dem Tagebuche einer Ameise. treiben. Wenn irgendwo, so mußte hier zu entdeckensein, was Liebe ist, denn Lydia schien dies ja genau zu wissen. Vergebens sah ich mich nach Nahrungsmitteln um. Jn der nächsten Nacht führte ich eine Abteilung Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. treiben. Wenn irgendwo, ſo mußte hier zu entdeckenſein, was Liebe iſt, denn Lydia ſchien dies ja genau zu wiſſen. Vergebens ſah ich mich nach Nahrungsmitteln um. Jn der nächſten Nacht führte ich eine Abteilung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0113" n="107"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.</hi></fw><lb/> treiben. Wenn irgendwo, ſo mußte hier zu entdecken<lb/> ſein, was Liebe iſt, denn Lydia ſchien dies ja genau<lb/> zu wiſſen.</p><lb/> <p>Vergebens ſah ich mich nach Nahrungsmitteln um.<lb/> Mich hungerte und ich verließ wieder das Schränkchen.<lb/> Weite Wanderungen legte ich unter Entbehrungen und<lb/> Gefahren zurück, ich fühlte mich einſam und beklagte<lb/> meinen Fürwitz. Schon nahte der Tag und ich mußte<lb/> daran denken mich zu verbergen. Da — ich atmete<lb/> auf — ſpürte ich die Nähe von Honig. Jch drang<lb/> durch die Ritze eines Schrankes, ich fand einen großen<lb/> Vorrat — aber — andere Ameiſen waren bereits dabei!<lb/> Sie ſtürzten auf mich zu — ich war verloren oder<lb/> wenigſtens zum Sklaven gemacht! Jch wollte tapfer<lb/> ſterben und rüſtete mich zum Kampfe. Den erſten packte<lb/> ich mit den Zangen — da berührten ihn meine Fühler,<lb/> und — ich erkannte Rlf! Es war unſer eigener Stamm,<lb/> unſre Expedition, die hier ihr Vorratslager hatte. Jm<lb/> Triumphe führten ſie mich in ihr Verſteck unter den<lb/> Dielen. Sie erzählten von ihren Entdeckungen, ſie<lb/> zeigten mir die große Anzahl übertaſteter Keulenkäferchen,<lb/> eine glänzende Bibliothek, aber vor allem hatte ich das<lb/> Bedürfnis nach Nahrung und Ruhe. Beides wurde<lb/> mir zuteil.</p><lb/> <p>Jn der nächſten Nacht führte ich eine Abteilung<lb/> unſerer Expedition mit den nötigen Keulenkäferchen in<lb/> Lydias Geheimfach, um die Akten der Liebe zu durch-<lb/> ſtöbern und aufzunehmen. Wir begannen zu überſetzen<lb/> und zu übertaſten. Jn unſerm Eifer bemerkten wir<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0113]
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
treiben. Wenn irgendwo, ſo mußte hier zu entdecken
ſein, was Liebe iſt, denn Lydia ſchien dies ja genau
zu wiſſen.
Vergebens ſah ich mich nach Nahrungsmitteln um.
Mich hungerte und ich verließ wieder das Schränkchen.
Weite Wanderungen legte ich unter Entbehrungen und
Gefahren zurück, ich fühlte mich einſam und beklagte
meinen Fürwitz. Schon nahte der Tag und ich mußte
daran denken mich zu verbergen. Da — ich atmete
auf — ſpürte ich die Nähe von Honig. Jch drang
durch die Ritze eines Schrankes, ich fand einen großen
Vorrat — aber — andere Ameiſen waren bereits dabei!
Sie ſtürzten auf mich zu — ich war verloren oder
wenigſtens zum Sklaven gemacht! Jch wollte tapfer
ſterben und rüſtete mich zum Kampfe. Den erſten packte
ich mit den Zangen — da berührten ihn meine Fühler,
und — ich erkannte Rlf! Es war unſer eigener Stamm,
unſre Expedition, die hier ihr Vorratslager hatte. Jm
Triumphe führten ſie mich in ihr Verſteck unter den
Dielen. Sie erzählten von ihren Entdeckungen, ſie
zeigten mir die große Anzahl übertaſteter Keulenkäferchen,
eine glänzende Bibliothek, aber vor allem hatte ich das
Bedürfnis nach Nahrung und Ruhe. Beides wurde
mir zuteil.
Jn der nächſten Nacht führte ich eine Abteilung
unſerer Expedition mit den nötigen Keulenkäferchen in
Lydias Geheimfach, um die Akten der Liebe zu durch-
ſtöbern und aufzunehmen. Wir begannen zu überſetzen
und zu übertaſten. Jn unſerm Eifer bemerkten wir
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