Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Aus dem Tagebuche einer Ameise. das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Be-wunderung und Ehrfurcht: Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir" -- -- Wenn dies das Beste ist, was sie haben, so sind sie zu be- dauern, denn ich weiß damit keinen Sinn zu verbinden. Über mir, und wenn ich auf den höchsten Baum klettere, sehe ich nicht, was sie Sterne nennen -- und in mir -- ich weiß nur, daß alles so ist, wie es ist -- was bedeutet das Gebot: Es soll sein? Oder sollte es noch etwas geben, was selbst wir nicht zu begreifen vermögen? Beutesonne 22. Nach langer Pause kehre ich zu meinem Buche Was ist Liebe? Die Frage ließ mir keine Ruhe. Laßwitz, Seifenblasen. 7
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Be-wunderung und Ehrfurcht: Der geſtirnte Himmel über mir und das moraliſche Geſetz in mir“ — — Wenn dies das Beſte iſt, was ſie haben, ſo ſind ſie zu be- dauern, denn ich weiß damit keinen Sinn zu verbinden. Über mir, und wenn ich auf den höchſten Baum klettere, ſehe ich nicht, was ſie Sterne nennen — und in mir — ich weiß nur, daß alles ſo iſt, wie es iſt — was bedeutet das Gebot: Es ſoll ſein? Oder ſollte es noch etwas geben, was ſelbſt wir nicht zu begreifen vermögen? Beuteſonne 22. Nach langer Pauſe kehre ich zu meinem Buche Was iſt Liebe? Die Frage ließ mir keine Ruhe. Laßwitz, Seifenblaſen. 7
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Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Be-
wunderung und Ehrfurcht: Der geſtirnte Himmel über
mir und das moraliſche Geſetz in mir“ — — Wenn
dies das Beſte iſt, was ſie haben, ſo ſind ſie zu be-
dauern, denn ich weiß damit keinen Sinn zu verbinden.
Über mir, und wenn ich auf den höchſten Baum
klettere, ſehe ich nicht, was ſie Sterne nennen — und
in mir — ich weiß nur, daß alles ſo iſt, wie es iſt —
was bedeutet das Gebot: Es ſoll ſein? Oder ſollte
es noch etwas geben, was ſelbſt wir nicht zu begreifen
vermögen?
Beuteſonne 22.
Nach langer Pauſe kehre ich zu meinem Buche
zurück!
Was iſt Liebe? Die Frage ließ mir keine Ruhe.
Jmmer kehrte ſie mir wieder, und immer wieder zer-
brach ich mir vergeblich den Kopf. Es ſchien mir eine
Schande für das Ameiſengeſchlecht, daß es uns nicht
gelingen ſollte, die von uns abweichenden Eigentümlich-
keiten des rohen Menſchen kennen zu lernen und zu
erklären, und da das Problem der Liebe nicht zu den
Aufgaben gehörte, welche unſerer Expedition ausdrücklich
geſtellt waren, ſo trieb mich Wißbegier und — geſteh’
ich’s nur, obwohl dies faſt nach menſchlicher Anſteckung
ausſieht — auch eine Art von Ehrgeiz, die Löſung
der Frage auf eigene Gefahr zu verſuchen. Es war
ein Leichtſinn! Mit Schaudern denke ich an die Tage
zurück, welche ich verleben mußte — ein Wunder, daß
ich ſie überleben konnte!
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