subjektiv, indem sie den einzelnen unfähig machen, des Glücks der inneren Freiheit sich zu erfreuen. Aber auch hier kann nur eine Vertiefung der Einsicht helfen. Die Handlungen sind ja immer bedingt durch diejenigen Vorstellungen, denen der höchste Gefühlswert zukommt, und diese Gefühlswerte richtig zu verteilen, ist Sache der Bildung."
"Wenn aber jemand", sagte La, "ganz genau weiß, z. B. ein Schüler, deine Pflicht verlangt jetzt, das und das zu thun, diese Arbeit zu vollenden, und wenn du es nicht thust, so wirst du nicht bloß Reue haben, sondern auch sinnlich schwer dafür büßen, und trotz dieser klaren Einsicht verleitet ihn doch eine momentane Lust, und sei es bloß das Lustgefühl der Faulheit, die Arbeit nicht zu thun, so sehen Sie doch, alle Einsicht hilft nichts gegen die Willensschwäche."
"Das spricht gerade für mich", erwiderte Ell leb- haft. "Willensschwäche ist doch nur falsche Richtung des Willens, Richtung auf das Unterlassen statt auf das Handeln. Vorstellungen sind immer dabei ent- scheidend. Die Einsicht war dann eben thatsächlich noch nicht vorhanden, nicht umfassend genug. Dem Schüler in Jhrem Beispiel haben sich etwa die Vor- stellungen eingeschlichen, die an ihn gestellte Forderung sei ein unberechtigter Zwang, oder die gefürchteten Nach- teile werden zu umgehen sein und dergleichen. Der Erwachsene, der den Zusammenhang klarer durchschaut, wird einfach seine Pflicht thun. Jn andern Fällen wird er sich in der Lage des Schülers befinden, aber diese Fälle werden immer seltener, je weiter die Ein-
Jdeale.
ſubjektiv, indem ſie den einzelnen unfähig machen, des Glücks der inneren Freiheit ſich zu erfreuen. Aber auch hier kann nur eine Vertiefung der Einſicht helfen. Die Handlungen ſind ja immer bedingt durch diejenigen Vorſtellungen, denen der höchſte Gefühlswert zukommt, und dieſe Gefühlswerte richtig zu verteilen, iſt Sache der Bildung.‟
„Wenn aber jemand‟, ſagte La, „ganz genau weiß, z. B. ein Schüler, deine Pflicht verlangt jetzt, das und das zu thun, dieſe Arbeit zu vollenden, und wenn du es nicht thuſt, ſo wirſt du nicht bloß Reue haben, ſondern auch ſinnlich ſchwer dafür büßen, und trotz dieſer klaren Einſicht verleitet ihn doch eine momentane Luſt, und ſei es bloß das Luſtgefühl der Faulheit, die Arbeit nicht zu thun, ſo ſehen Sie doch, alle Einſicht hilft nichts gegen die Willensſchwäche.‟
„Das ſpricht gerade für mich‟, erwiderte Ell leb- haft. „Willensſchwäche iſt doch nur falſche Richtung des Willens, Richtung auf das Unterlaſſen ſtatt auf das Handeln. Vorſtellungen ſind immer dabei ent- ſcheidend. Die Einſicht war dann eben thatſächlich noch nicht vorhanden, nicht umfaſſend genug. Dem Schüler in Jhrem Beiſpiel haben ſich etwa die Vor- ſtellungen eingeſchlichen, die an ihn geſtellte Forderung ſei ein unberechtigter Zwang, oder die gefürchteten Nach- teile werden zu umgehen ſein und dergleichen. Der Erwachſene, der den Zuſammenhang klarer durchſchaut, wird einfach ſeine Pflicht thun. Jn andern Fällen wird er ſich in der Lage des Schülers befinden, aber dieſe Fälle werden immer ſeltener, je weiter die Ein-
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Jdeale.
ſubjektiv, indem ſie den einzelnen unfähig machen,
des Glücks der inneren Freiheit ſich zu erfreuen. Aber
auch hier kann nur eine Vertiefung der Einſicht helfen.
Die Handlungen ſind ja immer bedingt durch diejenigen
Vorſtellungen, denen der höchſte Gefühlswert zukommt,
und dieſe Gefühlswerte richtig zu verteilen, iſt Sache
der Bildung.‟
„Wenn aber jemand‟, ſagte La, „ganz genau
weiß, z. B. ein Schüler, deine Pflicht verlangt jetzt,
das und das zu thun, dieſe Arbeit zu vollenden, und
wenn du es nicht thuſt, ſo wirſt du nicht bloß Reue
haben, ſondern auch ſinnlich ſchwer dafür büßen, und
trotz dieſer klaren Einſicht verleitet ihn doch eine
momentane Luſt, und ſei es bloß das Luſtgefühl der
Faulheit, die Arbeit nicht zu thun, ſo ſehen Sie doch,
alle Einſicht hilft nichts gegen die Willensſchwäche.‟
„Das ſpricht gerade für mich‟, erwiderte Ell leb-
haft. „Willensſchwäche iſt doch nur falſche Richtung
des Willens, Richtung auf das Unterlaſſen ſtatt auf
das Handeln. Vorſtellungen ſind immer dabei ent-
ſcheidend. Die Einſicht war dann eben thatſächlich
noch nicht vorhanden, nicht umfaſſend genug. Dem
Schüler in Jhrem Beiſpiel haben ſich etwa die Vor-
ſtellungen eingeſchlichen, die an ihn geſtellte Forderung
ſei ein unberechtigter Zwang, oder die gefürchteten Nach-
teile werden zu umgehen ſein und dergleichen. Der
Erwachſene, der den Zuſammenhang klarer durchſchaut,
wird einfach ſeine Pflicht thun. Jn andern Fällen
wird er ſich in der Lage des Schülers befinden, aber
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/99>, abgerufen am 24.11.2024.
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