Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.
Sechzigstes Kapitel. Widerstande der Menschen die Oberfläche der Erdeunbewohnbar gemacht werden konnte. Einzelne Blätter brachten detaillierte Ausführungen. Es handelte sich um nichts Geringeres als die Absicht, die tägliche Um- drehung der Erde um ihre Axe aufzuheben. Diese Rotation der Erde sollte so verlangsamt werden, daß der Tag allmählich immer länger wurde und endlich mit dem Umlauf der Erde um die Sonne zusammen- fiele, daß also Tag und Jahr gleich würden. Dann würde die Erde in derselben Lage zur Sonne sein, wie der Mond zur Erde, d. h. sie würde der Sonne stets dieselbe Seite zukehren. Es gäbe keinen Unter- schied mehr von Tag und Nacht, die eine Seite der Erde hätte ewigen Sonnenschein, die andere ewige Finsternis -- die Sonne bliebe für denselben Ort stets in demselben Meridian stehen. -- Die Folgen einer solchen Veränderung wären furchtbar gewesen. Der Plan der Martier sollte angeblich dahin gehen, die Erde in eine solche Stellung zu bringen, daß der stille Ozean in ewiger Sonnenglut, die großen Fest- landmassen aber, der Hauptsitz der zivilisierten Staaten, in ununterbrochener Nacht blieben. Dann mußte all- mählich eine Verdampfung des gesamten Meeres statt- finden. Denn die Wasserdämpfe würden sich auf der immer kälter werdenden Nachtseite der Erde nieder- schlagen und diese mit ewigem Schnee und unschmelz- barem Gletschereise überziehen. Eine Eiszeit, der kein Leben widerstehen könnte, würde auf der Schattenseite der Erde hereinbrechen, während die Sonnenseite in Gluten verdorren würde. Wohl nur auf einer schmalen Sechzigſtes Kapitel. Widerſtande der Menſchen die Oberfläche der Erdeunbewohnbar gemacht werden konnte. Einzelne Blätter brachten detaillierte Ausführungen. Es handelte ſich um nichts Geringeres als die Abſicht, die tägliche Um- drehung der Erde um ihre Axe aufzuheben. Dieſe Rotation der Erde ſollte ſo verlangſamt werden, daß der Tag allmählich immer länger wurde und endlich mit dem Umlauf der Erde um die Sonne zuſammen- fiele, daß alſo Tag und Jahr gleich würden. Dann würde die Erde in derſelben Lage zur Sonne ſein, wie der Mond zur Erde, d. h. ſie würde der Sonne ſtets dieſelbe Seite zukehren. Es gäbe keinen Unter- ſchied mehr von Tag und Nacht, die eine Seite der Erde hätte ewigen Sonnenſchein, die andere ewige Finſternis — die Sonne bliebe für denſelben Ort ſtets in demſelben Meridian ſtehen. — Die Folgen einer ſolchen Veränderung wären furchtbar geweſen. Der Plan der Martier ſollte angeblich dahin gehen, die Erde in eine ſolche Stellung zu bringen, daß der ſtille Ozean in ewiger Sonnenglut, die großen Feſt- landmaſſen aber, der Hauptſitz der ziviliſierten Staaten, in ununterbrochener Nacht blieben. Dann mußte all- mählich eine Verdampfung des geſamten Meeres ſtatt- finden. Denn die Waſſerdämpfe würden ſich auf der immer kälter werdenden Nachtſeite der Erde nieder- ſchlagen und dieſe mit ewigem Schnee und unſchmelz- barem Gletſchereiſe überziehen. Eine Eiszeit, der kein Leben widerſtehen könnte, würde auf der Schattenſeite der Erde hereinbrechen, während die Sonnenſeite in Gluten verdorren würde. Wohl nur auf einer ſchmalen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0538" n="530"/><fw place="top" type="header">Sechzigſtes Kapitel.</fw><lb/> Widerſtande der Menſchen die Oberfläche der Erde<lb/> unbewohnbar gemacht werden konnte. Einzelne Blätter<lb/> brachten detaillierte Ausführungen. Es handelte ſich<lb/> um nichts Geringeres als die Abſicht, die tägliche Um-<lb/> drehung der Erde um ihre Axe aufzuheben. Dieſe<lb/> Rotation der Erde ſollte ſo verlangſamt werden, daß<lb/> der Tag allmählich immer länger wurde und endlich<lb/> mit dem Umlauf der Erde um die Sonne zuſammen-<lb/> fiele, daß alſo Tag und Jahr gleich würden. Dann<lb/> würde die Erde in derſelben Lage zur Sonne ſein,<lb/> wie der Mond zur Erde, d. h. ſie würde der Sonne<lb/> ſtets dieſelbe Seite zukehren. Es gäbe keinen Unter-<lb/> ſchied mehr von Tag und Nacht, die eine Seite der<lb/> Erde hätte ewigen Sonnenſchein, die andere ewige<lb/> Finſternis — die Sonne bliebe für denſelben Ort ſtets<lb/> in demſelben Meridian ſtehen. — Die Folgen einer<lb/> ſolchen Veränderung wären furchtbar geweſen. Der<lb/> Plan der Martier ſollte angeblich dahin gehen, die<lb/> Erde in eine ſolche Stellung zu bringen, daß der<lb/> ſtille Ozean in ewiger Sonnenglut, die großen Feſt-<lb/> landmaſſen aber, der Hauptſitz der ziviliſierten Staaten,<lb/> in ununterbrochener Nacht blieben. Dann mußte all-<lb/> mählich eine Verdampfung des geſamten Meeres ſtatt-<lb/> finden. Denn die Waſſerdämpfe würden ſich auf der<lb/> immer kälter werdenden Nachtſeite der Erde nieder-<lb/> ſchlagen und dieſe mit ewigem Schnee und unſchmelz-<lb/> barem Gletſchereiſe überziehen. Eine Eiszeit, der kein<lb/> Leben widerſtehen könnte, würde auf der Schattenſeite<lb/> der Erde hereinbrechen, während die Sonnenſeite in<lb/> Gluten verdorren würde. Wohl nur auf einer ſchmalen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [530/0538]
Sechzigſtes Kapitel.
Widerſtande der Menſchen die Oberfläche der Erde
unbewohnbar gemacht werden konnte. Einzelne Blätter
brachten detaillierte Ausführungen. Es handelte ſich
um nichts Geringeres als die Abſicht, die tägliche Um-
drehung der Erde um ihre Axe aufzuheben. Dieſe
Rotation der Erde ſollte ſo verlangſamt werden, daß
der Tag allmählich immer länger wurde und endlich
mit dem Umlauf der Erde um die Sonne zuſammen-
fiele, daß alſo Tag und Jahr gleich würden. Dann
würde die Erde in derſelben Lage zur Sonne ſein,
wie der Mond zur Erde, d. h. ſie würde der Sonne
ſtets dieſelbe Seite zukehren. Es gäbe keinen Unter-
ſchied mehr von Tag und Nacht, die eine Seite der
Erde hätte ewigen Sonnenſchein, die andere ewige
Finſternis — die Sonne bliebe für denſelben Ort ſtets
in demſelben Meridian ſtehen. — Die Folgen einer
ſolchen Veränderung wären furchtbar geweſen. Der
Plan der Martier ſollte angeblich dahin gehen, die
Erde in eine ſolche Stellung zu bringen, daß der
ſtille Ozean in ewiger Sonnenglut, die großen Feſt-
landmaſſen aber, der Hauptſitz der ziviliſierten Staaten,
in ununterbrochener Nacht blieben. Dann mußte all-
mählich eine Verdampfung des geſamten Meeres ſtatt-
finden. Denn die Waſſerdämpfe würden ſich auf der
immer kälter werdenden Nachtſeite der Erde nieder-
ſchlagen und dieſe mit ewigem Schnee und unſchmelz-
barem Gletſchereiſe überziehen. Eine Eiszeit, der kein
Leben widerſtehen könnte, würde auf der Schattenſeite
der Erde hereinbrechen, während die Sonnenſeite in
Gluten verdorren würde. Wohl nur auf einer ſchmalen
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| Zitationshilfe: | Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/538>, abgerufen am 25.11.2024. |
