auf Frau Jsma Torm, und diesmal stößt sie selbst mit an, und das ist das Beste. Und nun, Grunthe, können Sie wieder sagen: Es lebe die Menschheit!"
Grunthe erhob sich steif. Sein Unterarm streckte sich im rechten Winkel von seinem Körper aus, und seine möglichst wenig gebogenen Finger balancierten das Weinglas wie ein Lot, mit dem er eine Messung ausführen wollte.
"Es lebe die Menschheit", sagte er, "so sprach ich einst. Jch sage es jetzt deutlicher: Es lebe die Frei- heit! Denn ohne diese ist sie des Lebens nicht wert. Wenn die Freiheit lebt, so ist es auch kein Wider- spruch, wenn ich mich dessen freue, was meine ver- ehrten Freunde von der Polexpedition für ihre Frei- heit halten, die Vereinigung mit einem Vernunftwesen, das kein Mann ist. Um aber den abstrakten Begriff der Freiheit durch eine konkrete Persönlichkeit unsrer symbolischen Handlung zugänglich zu machen, sage ich, sie lebe, die uns die Freiheit gebracht hat. Wie sie herabstieg von dem Sitz der Nume und den Wandel seliger Götter tauschte mit dem schwanken Geschick der Menschen, nur weil sie erkannte, daß es keine höhere Würde giebt als die Treue gegen uns selbst, so zeigte sie uns, wie die Menschheit sich erheben kann über ihr Geschick, wenn sie nur sich selbst getreu ist. Denn es giebt nur eine Würde, die Numen und Menschen ge- meinsam ist, wie der Sternenhimmel über uns, das ist die Kraft, nachzuleben dem Gesetze der Freiheit in uns. Sie that es, und so brachte sie die Freiheit diesen meinen Freunden, und allen ein Vorbild, wie
Achtundfünfzigſtes Kapitel.
auf Frau Jsma Torm, und diesmal ſtößt ſie ſelbſt mit an, und das iſt das Beſte. Und nun, Grunthe, können Sie wieder ſagen: Es lebe die Menſchheit!‟
Grunthe erhob ſich ſteif. Sein Unterarm ſtreckte ſich im rechten Winkel von ſeinem Körper aus, und ſeine möglichſt wenig gebogenen Finger balancierten das Weinglas wie ein Lot, mit dem er eine Meſſung ausführen wollte.
„Es lebe die Menſchheit‟, ſagte er, „ſo ſprach ich einſt. Jch ſage es jetzt deutlicher: Es lebe die Frei- heit! Denn ohne dieſe iſt ſie des Lebens nicht wert. Wenn die Freiheit lebt, ſo iſt es auch kein Wider- ſpruch, wenn ich mich deſſen freue, was meine ver- ehrten Freunde von der Polexpedition für ihre Frei- heit halten, die Vereinigung mit einem Vernunftweſen, das kein Mann iſt. Um aber den abſtrakten Begriff der Freiheit durch eine konkrete Perſönlichkeit unſrer ſymboliſchen Handlung zugänglich zu machen, ſage ich, ſie lebe, die uns die Freiheit gebracht hat. Wie ſie herabſtieg von dem Sitz der Nume und den Wandel ſeliger Götter tauſchte mit dem ſchwanken Geſchick der Menſchen, nur weil ſie erkannte, daß es keine höhere Würde giebt als die Treue gegen uns ſelbſt, ſo zeigte ſie uns, wie die Menſchheit ſich erheben kann über ihr Geſchick, wenn ſie nur ſich ſelbſt getreu iſt. Denn es giebt nur eine Würde, die Numen und Menſchen ge- meinſam iſt, wie der Sternenhimmel über uns, das iſt die Kraft, nachzuleben dem Geſetze der Freiheit in uns. Sie that es, und ſo brachte ſie die Freiheit dieſen meinen Freunden, und allen ein Vorbild, wie
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Achtundfünfzigſtes Kapitel.
auf Frau Jsma Torm, und diesmal ſtößt ſie ſelbſt
mit an, und das iſt das Beſte. Und nun, Grunthe,
können Sie wieder ſagen: Es lebe die Menſchheit!‟
Grunthe erhob ſich ſteif. Sein Unterarm ſtreckte
ſich im rechten Winkel von ſeinem Körper aus, und
ſeine möglichſt wenig gebogenen Finger balancierten
das Weinglas wie ein Lot, mit dem er eine Meſſung
ausführen wollte.
„Es lebe die Menſchheit‟, ſagte er, „ſo ſprach ich
einſt. Jch ſage es jetzt deutlicher: Es lebe die Frei-
heit! Denn ohne dieſe iſt ſie des Lebens nicht wert.
Wenn die Freiheit lebt, ſo iſt es auch kein Wider-
ſpruch, wenn ich mich deſſen freue, was meine ver-
ehrten Freunde von der Polexpedition für ihre Frei-
heit halten, die Vereinigung mit einem Vernunftweſen,
das kein Mann iſt. Um aber den abſtrakten Begriff
der Freiheit durch eine konkrete Perſönlichkeit unſrer
ſymboliſchen Handlung zugänglich zu machen, ſage ich,
ſie lebe, die uns die Freiheit gebracht hat. Wie ſie
herabſtieg von dem Sitz der Nume und den Wandel
ſeliger Götter tauſchte mit dem ſchwanken Geſchick der
Menſchen, nur weil ſie erkannte, daß es keine höhere
Würde giebt als die Treue gegen uns ſelbſt, ſo zeigte
ſie uns, wie die Menſchheit ſich erheben kann über ihr
Geſchick, wenn ſie nur ſich ſelbſt getreu iſt. Denn es
giebt nur eine Würde, die Numen und Menſchen ge-
meinſam iſt, wie der Sternenhimmel über uns, das
iſt die Kraft, nachzuleben dem Geſetze der Freiheit in
uns. Sie that es, und ſo brachte ſie die Freiheit
dieſen meinen Freunden, und allen ein Vorbild, wie
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/508>, abgerufen am 22.11.2024.
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