Freund, wie aber empfängt mich der Kultor -- was habe ich zu erwarten?"
"Jch verstehe Sie nur halb", erwiderte Ell be- troffen. "Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen Sie offen -- Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?"
Torm zuckte zusammen. "Ach, Sie wissen? Doch nun hören Sie erst alles."
Er berichtete kurz über seine Flucht vom Pol und aus dem Luftschiff und die Ereignisse, die sich dabei zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was ihn veranlaßt hatte, weder seine Frau noch Ell auf- zusuchen, sondern sich in Friedau verborgen zu halten, wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Jsma infolgedessen aufgesucht hätte, und er jetzt hier sei, um den Rat Ells zu vernehmen und die Folgen seiner Handlungen zu tragen.
Ell hörte schweigend zu, den Kopf sinnend auf die Hand gestützt. Er unterbrach ihn mit keinem Worte, keine Miene verriet, was in ihm vorging.
Das hatte er nicht gewußt. Die That gegen den Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell, als oberster Beamter der Nume hierselbst, mußte sie verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm seine Pflicht eingeschärft. Wenn er dieser Pflicht folgte, wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, so war Torm verloren. Torms Schicksal war in seine Hand gelegt. Ein Druck auf diese Klingel, und er kehrte nicht mehr aus diesem Zimmer zurück, nicht mehr zu Jsma -- -- Und dann? Jsma war frei. Aber wo war sie? Ohne ein Wort des Abschieds
Achtundfünfzigſtes Kapitel.
Freund, wie aber empfängt mich der Kultor — was habe ich zu erwarten?‟
„Jch verſtehe Sie nur halb‟, erwiderte Ell be- troffen. „Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen Sie offen — Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?‟
Torm zuckte zuſammen. „Ach, Sie wiſſen? Doch nun hören Sie erſt alles.‟
Er berichtete kurz über ſeine Flucht vom Pol und aus dem Luftſchiff und die Ereigniſſe, die ſich dabei zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was ihn veranlaßt hatte, weder ſeine Frau noch Ell auf- zuſuchen, ſondern ſich in Friedau verborgen zu halten, wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Jsma infolgedeſſen aufgeſucht hätte, und er jetzt hier ſei, um den Rat Ells zu vernehmen und die Folgen ſeiner Handlungen zu tragen.
Ell hörte ſchweigend zu, den Kopf ſinnend auf die Hand geſtützt. Er unterbrach ihn mit keinem Worte, keine Miene verriet, was in ihm vorging.
Das hatte er nicht gewußt. Die That gegen den Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell, als oberſter Beamter der Nume hierſelbſt, mußte ſie verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm ſeine Pflicht eingeſchärft. Wenn er dieſer Pflicht folgte, wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, ſo war Torm verloren. Torms Schickſal war in ſeine Hand gelegt. Ein Druck auf dieſe Klingel, und er kehrte nicht mehr aus dieſem Zimmer zurück, nicht mehr zu Jsma — — Und dann? Jsma war frei. Aber wo war ſie? Ohne ein Wort des Abſchieds
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[494/0502]
Achtundfünfzigſtes Kapitel.
Freund, wie aber empfängt mich der Kultor — was
habe ich zu erwarten?‟
„Jch verſtehe Sie nur halb‟, erwiderte Ell be-
troffen. „Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen
Sie offen — Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?‟
Torm zuckte zuſammen. „Ach, Sie wiſſen? Doch
nun hören Sie erſt alles.‟
Er berichtete kurz über ſeine Flucht vom Pol und
aus dem Luftſchiff und die Ereigniſſe, die ſich dabei
zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was
ihn veranlaßt hatte, weder ſeine Frau noch Ell auf-
zuſuchen, ſondern ſich in Friedau verborgen zu halten,
wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Jsma infolgedeſſen
aufgeſucht hätte, und er jetzt hier ſei, um den Rat
Ells zu vernehmen und die Folgen ſeiner Handlungen
zu tragen.
Ell hörte ſchweigend zu, den Kopf ſinnend auf die
Hand geſtützt. Er unterbrach ihn mit keinem Worte,
keine Miene verriet, was in ihm vorging.
Das hatte er nicht gewußt. Die That gegen den
Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell,
als oberſter Beamter der Nume hierſelbſt, mußte ſie
verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm ſeine
Pflicht eingeſchärft. Wenn er dieſer Pflicht folgte,
wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, ſo
war Torm verloren. Torms Schickſal war in ſeine
Hand gelegt. Ein Druck auf dieſe Klingel, und er
kehrte nicht mehr aus dieſem Zimmer zurück, nicht
mehr zu Jsma — — Und dann? Jsma war frei.
Aber wo war ſie? Ohne ein Wort des Abſchieds
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/502>, abgerufen am 22.11.2024.
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