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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Die beleibte Dame suchte nach ihrem Katalog eine
bestimmte Nummer. Vor dem betreffenden Kasten
angelangt, streifte sie die Aermel auf und steckte die
Arme zunächst in ein Becken. Es war nicht mit
Wasser gefüllt, sondern ein Luftstrom führte ein fein
verteiltes ätherisches Oel gegen die Haut und bereitete
durch diese Reinigung auf den nachfolgenden Kunst-
genuß vor. Alsdann brachte die Kunstjüngerin durch
einen Handgriff ein Uhrwerk in Gang, setzte sich auf
einen Stuhl vor dem Kasten, steckte ihre Arme in die
Oeffnungen und versank in Schwärmerei. Jsma und
Ell hatten ihr auf gut Glück an dem ersten besten
Kasten, der unbesetzt war, alles nachgeahmt. Aber
nach wenigen Minuten zog Jsma ihre Hände zurück.

"Wollen Sie noch bleiben?" fragte sie Ell.

"Fällt mir nicht ein, wenn Sie nicht Lust haben.
Jch wollte Sie nur nicht stören."

"Jch verzichte auf den Genuß. Jch kann nichts
spüren als ein abwechselndes Drücken, Ziehen, Prickeln,
Reiben -- für mich ist das nur eine Art Massage."

"Mir ging es auch so. Es ist eine Kunst für
Blinde. Wir müssen nicht tastkünstlerisch beanlagt
sein. Wir wollen lieber nur einen kurzen Gang durch
einen der andern Säle machen, und dann will ich Sie
in das technische Museum führen."

Ohne von der Tast-Enthusiastin bemerkt zu werden,
gingen die untastlichen Erdgeborenen nach dem Coupe
zurück, das sie bald wieder in der Rotunde absetzte.
Ein anderer Wagen, dicht von Besuchern erfüllt, trug
sie in eine der Abteilungen für Skulptur. Hier fand

Neunundzwanzigſtes Kapitel.

Die beleibte Dame ſuchte nach ihrem Katalog eine
beſtimmte Nummer. Vor dem betreffenden Kaſten
angelangt, ſtreifte ſie die Aermel auf und ſteckte die
Arme zunächſt in ein Becken. Es war nicht mit
Waſſer gefüllt, ſondern ein Luftſtrom führte ein fein
verteiltes ätheriſches Oel gegen die Haut und bereitete
durch dieſe Reinigung auf den nachfolgenden Kunſt-
genuß vor. Alsdann brachte die Kunſtjüngerin durch
einen Handgriff ein Uhrwerk in Gang, ſetzte ſich auf
einen Stuhl vor dem Kaſten, ſteckte ihre Arme in die
Oeffnungen und verſank in Schwärmerei. Jsma und
Ell hatten ihr auf gut Glück an dem erſten beſten
Kaſten, der unbeſetzt war, alles nachgeahmt. Aber
nach wenigen Minuten zog Jsma ihre Hände zurück.

„Wollen Sie noch bleiben?‟ fragte ſie Ell.

„Fällt mir nicht ein, wenn Sie nicht Luſt haben.
Jch wollte Sie nur nicht ſtören.‟

„Jch verzichte auf den Genuß. Jch kann nichts
ſpüren als ein abwechſelndes Drücken, Ziehen, Prickeln,
Reiben — für mich iſt das nur eine Art Maſſage.‟

„Mir ging es auch ſo. Es iſt eine Kunſt für
Blinde. Wir müſſen nicht taſtkünſtleriſch beanlagt
ſein. Wir wollen lieber nur einen kurzen Gang durch
einen der andern Säle machen, und dann will ich Sie
in das techniſche Muſeum führen.‟

Ohne von der Taſt-Enthuſiaſtin bemerkt zu werden,
gingen die untaſtlichen Erdgeborenen nach dem Coupé
zurück, das ſie bald wieder in der Rotunde abſetzte.
Ein anderer Wagen, dicht von Beſuchern erfüllt, trug
ſie in eine der Abteilungen für Skulptur. Hier fand

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[42/0050] Neunundzwanzigſtes Kapitel. Die beleibte Dame ſuchte nach ihrem Katalog eine beſtimmte Nummer. Vor dem betreffenden Kaſten angelangt, ſtreifte ſie die Aermel auf und ſteckte die Arme zunächſt in ein Becken. Es war nicht mit Waſſer gefüllt, ſondern ein Luftſtrom führte ein fein verteiltes ätheriſches Oel gegen die Haut und bereitete durch dieſe Reinigung auf den nachfolgenden Kunſt- genuß vor. Alsdann brachte die Kunſtjüngerin durch einen Handgriff ein Uhrwerk in Gang, ſetzte ſich auf einen Stuhl vor dem Kaſten, ſteckte ihre Arme in die Oeffnungen und verſank in Schwärmerei. Jsma und Ell hatten ihr auf gut Glück an dem erſten beſten Kaſten, der unbeſetzt war, alles nachgeahmt. Aber nach wenigen Minuten zog Jsma ihre Hände zurück. „Wollen Sie noch bleiben?‟ fragte ſie Ell. „Fällt mir nicht ein, wenn Sie nicht Luſt haben. Jch wollte Sie nur nicht ſtören.‟ „Jch verzichte auf den Genuß. Jch kann nichts ſpüren als ein abwechſelndes Drücken, Ziehen, Prickeln, Reiben — für mich iſt das nur eine Art Maſſage.‟ „Mir ging es auch ſo. Es iſt eine Kunſt für Blinde. Wir müſſen nicht taſtkünſtleriſch beanlagt ſein. Wir wollen lieber nur einen kurzen Gang durch einen der andern Säle machen, und dann will ich Sie in das techniſche Muſeum führen.‟ Ohne von der Taſt-Enthuſiaſtin bemerkt zu werden, gingen die untaſtlichen Erdgeborenen nach dem Coupé zurück, das ſie bald wieder in der Rotunde abſetzte. Ein anderer Wagen, dicht von Beſuchern erfüllt, trug ſie in eine der Abteilungen für Skulptur. Hier fand

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/50>, abgerufen am 23.11.2024.