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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

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Auf der Sternwarte.

Se lächelte. "Jch habe mich schon lange darüber
geärgert", sagte sie, "daß diese Bahn so unbequeme
Sitze hat. Bei mir gehen die kleinen Erdenleiden in
keinem großen auf, und ich merke unter anderm auch,
daß die heutigen Strapazen und Erregungen uns ganz
schwach zur Friedauer Sternwarte werden kommen
lassen. Aber ich habe mich nicht wie heute früh auf
die Erde verlassen, sondern mir eine ganze Schachtel
Energiepillen eingesteckt."

"Jch auch", sagte La und zog das Büchschen aus
ihrem Reisetäschchen.

"Ach sieh doch", neckte sie Se. "Also hat das
Zutrauen zu den "Geselchten" doch seine Grenzen."

"Närrchen, wozu haben wir denn unsre Vernunft?
Doch nicht, um das Kleine über dem Großen zu ver-
gessen, sondern alles in seinem richtigen Verhältnis
als Zweck und Mittel abzuwägen."

"Aha, du sprichst schon im Grunthe-Ton. Da
werden wir wohl bald da sein, hier sieht man bereits
erleuchtete Straßen. Nun schnell die Pillen geschluckt."

Nicht lange darauf hielt der Wagen an der End-
station. Die Fahrgäste in den übrigen Abteilen des
Wagens waren alle schon unterwegs ausgestiegen. Die
beiden Martierinnen standen allein auf der Straße
und sahen sich ziemlich ratlos um. Der Wagenführer
schaltete seine Lichter um und verschwand in der be-
nachbarten Restauration, um sich in seiner kurzen
Ruhepause zu stärken. Kein Mensch war auf der
Straße sichtbar.

Der Boden war noch feucht und teilweise mit den

Auf der Sternwarte.

Se lächelte. „Jch habe mich ſchon lange darüber
geärgert‟, ſagte ſie, „daß dieſe Bahn ſo unbequeme
Sitze hat. Bei mir gehen die kleinen Erdenleiden in
keinem großen auf, und ich merke unter anderm auch,
daß die heutigen Strapazen und Erregungen uns ganz
ſchwach zur Friedauer Sternwarte werden kommen
laſſen. Aber ich habe mich nicht wie heute früh auf
die Erde verlaſſen, ſondern mir eine ganze Schachtel
Energiepillen eingeſteckt.‟

„Jch auch‟, ſagte La und zog das Büchschen aus
ihrem Reiſetäſchchen.

„Ach ſieh doch‟, neckte ſie Se. „Alſo hat das
Zutrauen zu den „Geſelchten‟ doch ſeine Grenzen.‟

„Närrchen, wozu haben wir denn unſre Vernunft?
Doch nicht, um das Kleine über dem Großen zu ver-
geſſen, ſondern alles in ſeinem richtigen Verhältnis
als Zweck und Mittel abzuwägen.‟

„Aha, du ſprichſt ſchon im Grunthe-Ton. Da
werden wir wohl bald da ſein, hier ſieht man bereits
erleuchtete Straßen. Nun ſchnell die Pillen geſchluckt.‟

Nicht lange darauf hielt der Wagen an der End-
ſtation. Die Fahrgäſte in den übrigen Abteilen des
Wagens waren alle ſchon unterwegs ausgeſtiegen. Die
beiden Martierinnen ſtanden allein auf der Straße
und ſahen ſich ziemlich ratlos um. Der Wagenführer
ſchaltete ſeine Lichter um und verſchwand in der be-
nachbarten Reſtauration, um ſich in ſeiner kurzen
Ruhepauſe zu ſtärken. Kein Menſch war auf der
Straße ſichtbar.

Der Boden war noch feucht und teilweiſe mit den

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[423/0431] Auf der Sternwarte. Se lächelte. „Jch habe mich ſchon lange darüber geärgert‟, ſagte ſie, „daß dieſe Bahn ſo unbequeme Sitze hat. Bei mir gehen die kleinen Erdenleiden in keinem großen auf, und ich merke unter anderm auch, daß die heutigen Strapazen und Erregungen uns ganz ſchwach zur Friedauer Sternwarte werden kommen laſſen. Aber ich habe mich nicht wie heute früh auf die Erde verlaſſen, ſondern mir eine ganze Schachtel Energiepillen eingeſteckt.‟ „Jch auch‟, ſagte La und zog das Büchschen aus ihrem Reiſetäſchchen. „Ach ſieh doch‟, neckte ſie Se. „Alſo hat das Zutrauen zu den „Geſelchten‟ doch ſeine Grenzen.‟ „Närrchen, wozu haben wir denn unſre Vernunft? Doch nicht, um das Kleine über dem Großen zu ver- geſſen, ſondern alles in ſeinem richtigen Verhältnis als Zweck und Mittel abzuwägen.‟ „Aha, du ſprichſt ſchon im Grunthe-Ton. Da werden wir wohl bald da ſein, hier ſieht man bereits erleuchtete Straßen. Nun ſchnell die Pillen geſchluckt.‟ Nicht lange darauf hielt der Wagen an der End- ſtation. Die Fahrgäſte in den übrigen Abteilen des Wagens waren alle ſchon unterwegs ausgeſtiegen. Die beiden Martierinnen ſtanden allein auf der Straße und ſahen ſich ziemlich ratlos um. Der Wagenführer ſchaltete ſeine Lichter um und verſchwand in der be- nachbarten Reſtauration, um ſich in ſeiner kurzen Ruhepauſe zu ſtärken. Kein Menſch war auf der Straße ſichtbar. Der Boden war noch feucht und teilweiſe mit den

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/431>, abgerufen am 22.11.2024.