zurück, es sind dann noch einige Schlaf- und Traum- versuche anzustellen. Jnzwischen fahre ich mit dem Gelde nach der Kasse, vielleicht treffe ich noch einen Beamten, ich besorge Jhnen den Schein, und darauf wird der Direktor die Entlassung verfügen."
"Sie sind außerordentlich liebenswürdig", sagte Saltner. "Es ist nur fraglich, ob es nicht schon zu spät am Tage ist -- wollen Sie mir nicht auf Jhre Verantwortung meine Mutter anvertrauen?"
"Das ist mir ganz unmöglich, so gern ich möchte."
"Nun", sagte Saltner mit einem Gesichte, das wenig Freude verriet, "dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Jhr freundliches Anerbieten anzunehmen."
"Sehr gern. Sobald ich Sie zu Jhrer Mutter gebracht habe, fahre ich, und in einer halben Stunde bin ich wieder hier."
Saltner war in verzweifelter Stimmung. Er konnte das Anerbieten des Numen nicht ablehnen, aber er konnte auch unmöglich diese Entwicklung der Ange- legenheit abwarten. Denn abgesehen davon, daß sich heute vielleicht überhaupt nichts mehr erreichen ließ, so mußten doch noch gegen zwei Stunden vergehen, ehe die Entlassung vom Direktor zu erhalten war. Das war für Saltner so gut als die Vereitelung seiner Rettung. Denn selbst wenn, was keineswegs ausge- schlossen war, Oß von der Zahlung nichts erfuhr, so mußte doch Saltner mit Gewißheit annehmen, daß noch in dieser Stunde Oß seine Drohung ausführen und ihn persönlich zur Rechenschaft ziehen würde. Vermutlich war sein Haus jetzt schon besetzt; wenn er
Neunundvierzigſtes Kapitel.
zurück, es ſind dann noch einige Schlaf- und Traum- verſuche anzuſtellen. Jnzwiſchen fahre ich mit dem Gelde nach der Kaſſe, vielleicht treffe ich noch einen Beamten, ich beſorge Jhnen den Schein, und darauf wird der Direktor die Entlaſſung verfügen.‟
„Sie ſind außerordentlich liebenswürdig‟, ſagte Saltner. „Es iſt nur fraglich, ob es nicht ſchon zu ſpät am Tage iſt — wollen Sie mir nicht auf Jhre Verantwortung meine Mutter anvertrauen?‟
„Das iſt mir ganz unmöglich, ſo gern ich möchte.‟
„Nun‟, ſagte Saltner mit einem Geſichte, das wenig Freude verriet, „dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Jhr freundliches Anerbieten anzunehmen.‟
„Sehr gern. Sobald ich Sie zu Jhrer Mutter gebracht habe, fahre ich, und in einer halben Stunde bin ich wieder hier.‟
Saltner war in verzweifelter Stimmung. Er konnte das Anerbieten des Numen nicht ablehnen, aber er konnte auch unmöglich dieſe Entwicklung der Ange- legenheit abwarten. Denn abgeſehen davon, daß ſich heute vielleicht überhaupt nichts mehr erreichen ließ, ſo mußten doch noch gegen zwei Stunden vergehen, ehe die Entlaſſung vom Direktor zu erhalten war. Das war für Saltner ſo gut als die Vereitelung ſeiner Rettung. Denn ſelbſt wenn, was keineswegs ausge- ſchloſſen war, Oß von der Zahlung nichts erfuhr, ſo mußte doch Saltner mit Gewißheit annehmen, daß noch in dieſer Stunde Oß ſeine Drohung ausführen und ihn perſönlich zur Rechenſchaft ziehen würde. Vermutlich war ſein Haus jetzt ſchon beſetzt; wenn er
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Neunundvierzigſtes Kapitel.
zurück, es ſind dann noch einige Schlaf- und Traum-
verſuche anzuſtellen. Jnzwiſchen fahre ich mit dem
Gelde nach der Kaſſe, vielleicht treffe ich noch einen
Beamten, ich beſorge Jhnen den Schein, und darauf
wird der Direktor die Entlaſſung verfügen.‟
„Sie ſind außerordentlich liebenswürdig‟, ſagte
Saltner. „Es iſt nur fraglich, ob es nicht ſchon zu
ſpät am Tage iſt — wollen Sie mir nicht auf Jhre
Verantwortung meine Mutter anvertrauen?‟
„Das iſt mir ganz unmöglich, ſo gern ich möchte.‟
„Nun‟, ſagte Saltner mit einem Geſichte, das
wenig Freude verriet, „dann bleibt mir nichts anderes
übrig, als Jhr freundliches Anerbieten anzunehmen.‟
„Sehr gern. Sobald ich Sie zu Jhrer Mutter
gebracht habe, fahre ich, und in einer halben Stunde
bin ich wieder hier.‟
Saltner war in verzweifelter Stimmung. Er konnte
das Anerbieten des Numen nicht ablehnen, aber er
konnte auch unmöglich dieſe Entwicklung der Ange-
legenheit abwarten. Denn abgeſehen davon, daß ſich
heute vielleicht überhaupt nichts mehr erreichen ließ,
ſo mußten doch noch gegen zwei Stunden vergehen,
ehe die Entlaſſung vom Direktor zu erhalten war.
Das war für Saltner ſo gut als die Vereitelung ſeiner
Rettung. Denn ſelbſt wenn, was keineswegs ausge-
ſchloſſen war, Oß von der Zahlung nichts erfuhr, ſo
mußte doch Saltner mit Gewißheit annehmen, daß
noch in dieſer Stunde Oß ſeine Drohung ausführen
und ihn perſönlich zur Rechenſchaft ziehen würde.
Vermutlich war ſein Haus jetzt ſchon beſetzt; wenn er
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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