tors nur widerwillig vollzogen, hätten es gern gesehen, wenn die Frauen sich auf irgend eine Weise unsicht- bar gemacht hätten. Und als sie endlich in das Haus traten, hatte sich auch Kathrin versteckt und war nicht zu finden. Frau Saltner aber saß auf ihrem Platze und sagte nur: "Jch bin eine alte Frau und geh nicht eher hier fort, bis mein Sohn kommt. Jhr könnt machen, was ihr wollt."
Da sie keine andre Antwort erhielten und gegen die alte Frau, noch dazu die Mutter eines in der ganzen Umgegend gekannten und beliebten Mannes, keine Gewalt brauchen wollten, entfernten sie sich wieder und brachten irgend eine Entschuldigung vor. Es war aber, als ob der Jnstruktor alles heraussuchte, womit er Saltner Kränkungen bereiten konnte, so daß er sich persönlich um die Einzelheiten kümmerte, wenn Saltner in Frage kam. Er schickte einen der Assistenten des Laboratoriums, einen jungen Nume, der hier seine Studien machte, mit seinen beiden Beds ab, und Frau Saltner wurde in einem Krankenstuhl in das Labora- torium geschafft.
"Sie haben es gewagt, diese Schufte?" rief Saltner wütend. "Eine fast siebzigjährige Frau! Und das nennt sich Nume! Und was hat denn die Mutter gesagt?"
"Gar nichts hat sie gesagt", antwortete Kathrin unter neuem Schluchzen, "als nur immer, mein Josef, mein armer Josef, und, ich überleb's nimmer, und ge- weint hat sie, aber gesagt hat sie nichts mehr."
Saltner stand stumm und überlegte, was zu thun
Achtundvierzigſtes Kapitel.
tors nur widerwillig vollzogen, hätten es gern geſehen, wenn die Frauen ſich auf irgend eine Weiſe unſicht- bar gemacht hätten. Und als ſie endlich in das Haus traten, hatte ſich auch Kathrin verſteckt und war nicht zu finden. Frau Saltner aber ſaß auf ihrem Platze und ſagte nur: „Jch bin eine alte Frau und geh nicht eher hier fort, bis mein Sohn kommt. Jhr könnt machen, was ihr wollt.‟
Da ſie keine andre Antwort erhielten und gegen die alte Frau, noch dazu die Mutter eines in der ganzen Umgegend gekannten und beliebten Mannes, keine Gewalt brauchen wollten, entfernten ſie ſich wieder und brachten irgend eine Entſchuldigung vor. Es war aber, als ob der Jnſtruktor alles herausſuchte, womit er Saltner Kränkungen bereiten konnte, ſo daß er ſich perſönlich um die Einzelheiten kümmerte, wenn Saltner in Frage kam. Er ſchickte einen der Aſſiſtenten des Laboratoriums, einen jungen Nume, der hier ſeine Studien machte, mit ſeinen beiden Beds ab, und Frau Saltner wurde in einem Krankenſtuhl in das Labora- torium geſchafft.
„Sie haben es gewagt, dieſe Schufte?‟ rief Saltner wütend. „Eine faſt ſiebzigjährige Frau! Und das nennt ſich Nume! Und was hat denn die Mutter geſagt?‟
„Gar nichts hat ſie geſagt‟, antwortete Kathrin unter neuem Schluchzen, „als nur immer, mein Joſef, mein armer Joſef, und, ich überleb’s nimmer, und ge- weint hat ſie, aber geſagt hat ſie nichts mehr.‟
Saltner ſtand ſtumm und überlegte, was zu thun
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Achtundvierzigſtes Kapitel.
tors nur widerwillig vollzogen, hätten es gern geſehen,
wenn die Frauen ſich auf irgend eine Weiſe unſicht-
bar gemacht hätten. Und als ſie endlich in das Haus
traten, hatte ſich auch Kathrin verſteckt und war nicht
zu finden. Frau Saltner aber ſaß auf ihrem Platze
und ſagte nur: „Jch bin eine alte Frau und geh nicht
eher hier fort, bis mein Sohn kommt. Jhr könnt
machen, was ihr wollt.‟
Da ſie keine andre Antwort erhielten und gegen
die alte Frau, noch dazu die Mutter eines in der
ganzen Umgegend gekannten und beliebten Mannes,
keine Gewalt brauchen wollten, entfernten ſie ſich wieder
und brachten irgend eine Entſchuldigung vor. Es war
aber, als ob der Jnſtruktor alles herausſuchte, womit
er Saltner Kränkungen bereiten konnte, ſo daß er ſich
perſönlich um die Einzelheiten kümmerte, wenn Saltner
in Frage kam. Er ſchickte einen der Aſſiſtenten des
Laboratoriums, einen jungen Nume, der hier ſeine
Studien machte, mit ſeinen beiden Beds ab, und Frau
Saltner wurde in einem Krankenſtuhl in das Labora-
torium geſchafft.
„Sie haben es gewagt, dieſe Schufte?‟ rief Saltner
wütend. „Eine faſt ſiebzigjährige Frau! Und das
nennt ſich Nume! Und was hat denn die Mutter
geſagt?‟
„Gar nichts hat ſie geſagt‟, antwortete Kathrin
unter neuem Schluchzen, „als nur immer, mein Joſef,
mein armer Joſef, und, ich überleb’s nimmer, und ge-
weint hat ſie, aber geſagt hat ſie nichts mehr.‟
Saltner ſtand ſtumm und überlegte, was zu thun
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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