,Ja, ich glaube an die Vernunft!' Und sehen Sie, Ell, ich glaube! An die Vernunft und an Sie! Und wenn ich das nicht mehr könnte --"
Sie brach ab. Ell aber ergriff ihre Hand und rief:
"Sie können es, Jsma, Sie können es! Mein Glaube an die Vernunft ist nicht erschüttert, und mich sollen Sie nicht weichen sehen aus feiger Schwäche. Aber die Vernunft ist ewig, ich bin ein vergänglicher Zeuge ihres zeitlichen Gesetzes, und ich muß gefaßt sein, daß sie über mich hinwegschreitet. Denn ich habe mir angemaßt zu beginnen, was zu vollenden Geschlechter gehören. Wenn ich mich nun täuschte in den Mitteln, die ich für die richtigen hielt?"
"Es wird nicht sein. Es werden Fehler gemacht werden, das ist natürlich. Aber die Grundlagen werden sich bewähren. Sie müssen Geduld haben."
"Wie danke ich Jhnen, Jsma, für Jhr Vertrauen, das mich vor mir selbst rechtfertigt. Einen Fehler habe ich begangen von Anfang an, der mehr ist als ein Fehler, daß ich eine Zeit lang die Erde vergaß --"
"O mein Freund, den büße ich für Sie -- davon nichts mehr --"
"Und das andre, wenn es ein Fehler ist, so weiß ich nicht, wie ich ihn hätte vermeiden sollen. Wenn ich auf die Menschen wirken wollte, konnte ich es anders als durch die Mittel, an die sie gewöhnt sind, durch die Autorität der Macht? Und doch weiß ich, daß hier ein Widerspruch liegt mit dem Zwecke, den ich erstrebe, der inneren Freiheit. Den Zustand will
Siebenundvierzigſtes Kapitel.
‚Ja, ich glaube an die Vernunft!‛ Und ſehen Sie, Ell, ich glaube! An die Vernunft und an Sie! Und wenn ich das nicht mehr könnte —‟
Sie brach ab. Ell aber ergriff ihre Hand und rief:
„Sie können es, Jsma, Sie können es! Mein Glaube an die Vernunft iſt nicht erſchüttert, und mich ſollen Sie nicht weichen ſehen aus feiger Schwäche. Aber die Vernunft iſt ewig, ich bin ein vergänglicher Zeuge ihres zeitlichen Geſetzes, und ich muß gefaßt ſein, daß ſie über mich hinwegſchreitet. Denn ich habe mir angemaßt zu beginnen, was zu vollenden Geſchlechter gehören. Wenn ich mich nun täuſchte in den Mitteln, die ich für die richtigen hielt?‟
„Es wird nicht ſein. Es werden Fehler gemacht werden, das iſt natürlich. Aber die Grundlagen werden ſich bewähren. Sie müſſen Geduld haben.‟
„Wie danke ich Jhnen, Jsma, für Jhr Vertrauen, das mich vor mir ſelbſt rechtfertigt. Einen Fehler habe ich begangen von Anfang an, der mehr iſt als ein Fehler, daß ich eine Zeit lang die Erde vergaß —‟
„O mein Freund, den büße ich für Sie — davon nichts mehr —‟
„Und das andre, wenn es ein Fehler iſt, ſo weiß ich nicht, wie ich ihn hätte vermeiden ſollen. Wenn ich auf die Menſchen wirken wollte, konnte ich es anders als durch die Mittel, an die ſie gewöhnt ſind, durch die Autorität der Macht? Und doch weiß ich, daß hier ein Widerſpruch liegt mit dem Zwecke, den ich erſtrebe, der inneren Freiheit. Den Zuſtand will
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0326"n="318"/><fwplace="top"type="header">Siebenundvierzigſtes Kapitel.</fw><lb/>‚Ja, ich glaube an die Vernunft!‛ Und ſehen Sie,<lb/>
Ell, ich glaube! An die Vernunft und an Sie! Und<lb/>
wenn ich das nicht mehr könnte —‟</p><lb/><p>Sie brach ab. Ell aber ergriff ihre Hand und<lb/>
rief:</p><lb/><p>„Sie können es, Jsma, Sie können es! Mein<lb/>
Glaube an die Vernunft iſt nicht erſchüttert, und mich<lb/>ſollen Sie nicht weichen ſehen aus feiger Schwäche.<lb/>
Aber die Vernunft iſt ewig, ich bin ein vergänglicher<lb/>
Zeuge ihres zeitlichen Geſetzes, und ich muß gefaßt<lb/>ſein, daß ſie über mich hinwegſchreitet. Denn ich<lb/>
habe mir angemaßt zu beginnen, was zu vollenden<lb/>
Geſchlechter gehören. Wenn ich mich nun täuſchte in<lb/>
den Mitteln, die ich für die richtigen hielt?‟</p><lb/><p>„Es wird nicht ſein. Es werden Fehler gemacht<lb/>
werden, das iſt natürlich. Aber die Grundlagen<lb/>
werden ſich bewähren. Sie müſſen Geduld haben.‟</p><lb/><p>„Wie danke ich Jhnen, Jsma, für Jhr Vertrauen,<lb/>
das mich vor mir ſelbſt rechtfertigt. Einen Fehler<lb/>
habe ich begangen von Anfang an, der mehr iſt als<lb/>
ein Fehler, daß ich eine Zeit lang die Erde vergaß —‟</p><lb/><p>„O mein Freund, den büße ich für Sie — davon<lb/>
nichts mehr —‟</p><lb/><p>„Und das andre, wenn es ein Fehler iſt, ſo weiß<lb/>
ich nicht, wie ich ihn hätte vermeiden ſollen. Wenn<lb/>
ich auf die Menſchen wirken wollte, konnte ich es<lb/>
anders als durch die Mittel, an die ſie gewöhnt ſind,<lb/>
durch die Autorität der Macht? Und doch weiß ich,<lb/>
daß hier ein Widerſpruch liegt mit dem Zwecke, den<lb/>
ich erſtrebe, der inneren Freiheit. Den Zuſtand will<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0326]
Siebenundvierzigſtes Kapitel.
‚Ja, ich glaube an die Vernunft!‛ Und ſehen Sie,
Ell, ich glaube! An die Vernunft und an Sie! Und
wenn ich das nicht mehr könnte —‟
Sie brach ab. Ell aber ergriff ihre Hand und
rief:
„Sie können es, Jsma, Sie können es! Mein
Glaube an die Vernunft iſt nicht erſchüttert, und mich
ſollen Sie nicht weichen ſehen aus feiger Schwäche.
Aber die Vernunft iſt ewig, ich bin ein vergänglicher
Zeuge ihres zeitlichen Geſetzes, und ich muß gefaßt
ſein, daß ſie über mich hinwegſchreitet. Denn ich
habe mir angemaßt zu beginnen, was zu vollenden
Geſchlechter gehören. Wenn ich mich nun täuſchte in
den Mitteln, die ich für die richtigen hielt?‟
„Es wird nicht ſein. Es werden Fehler gemacht
werden, das iſt natürlich. Aber die Grundlagen
werden ſich bewähren. Sie müſſen Geduld haben.‟
„Wie danke ich Jhnen, Jsma, für Jhr Vertrauen,
das mich vor mir ſelbſt rechtfertigt. Einen Fehler
habe ich begangen von Anfang an, der mehr iſt als
ein Fehler, daß ich eine Zeit lang die Erde vergaß —‟
„O mein Freund, den büße ich für Sie — davon
nichts mehr —‟
„Und das andre, wenn es ein Fehler iſt, ſo weiß
ich nicht, wie ich ihn hätte vermeiden ſollen. Wenn
ich auf die Menſchen wirken wollte, konnte ich es
anders als durch die Mittel, an die ſie gewöhnt ſind,
durch die Autorität der Macht? Und doch weiß ich,
daß hier ein Widerſpruch liegt mit dem Zwecke, den
ich erſtrebe, der inneren Freiheit. Den Zuſtand will
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/326>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.