jeder eine Mark pro Stunde, die er in der Fort- bildungsschule sitzt. Jch sage Jhnen, gelehrt sind wir schon, das ist kolossal. Nächstens gebe ich ein philo- sophisches Buch heraus, auf das will ich Stadtrat werden, oder vielleicht Regierungsrat. Nämlich wegen der Schwerkraft. Auf dem Mars ist doch alles leichter. Nun schlage ich vor, wenn man schwer von Begriffen ist, so geht man auf den Mars, und dort -- ah, guten Abend Herr von Schnabel, guten Abend Herr Doktor, guten Abend, Herr Direktor -- entschuldigen Sie, ich will nur die Herren bedienen --"
Der Wirt wandte sich zu den eingetretenen Gästen, die sich an ihren Stammtisch setzten.
Der Fremde hatte seine Mahlzeit beendet. Er sah nach der Uhr, es war noch zu früh, um Grunthe zu treffen. Er rückte sich tiefer in die Ecke, blickte in die Zeitung und wandte den Gästen den Rücken zu. Sie waren ihm bekannt. Seltsam, dachte er im Stillen, während er, scheinbar in seine Lektüre ver- tieft, auf ihre Stimmen hörte, wie kommen die Leute in diese Vorstadtkneipe? Früher hatten sie ihren Stammtisch im "Fürst Karl Sigmund", dieser Schnabel führte da das große Wort. Er scheint auch jetzt wieder zu schimpfen.
Die halblauten Stimmen der Stammgäste waren deutlich vernehmbar, insbesondere das hohe, quetschige Organ Schnabels.
"Haben Sie wieder den Knix von der Warsolska gesehen", sagte Schnabel, "wie der Kerl, der Dor, 'rausging? Und wie die Anton die Augen verdrehte?
Die Beſiegten.
jeder eine Mark pro Stunde, die er in der Fort- bildungsſchule ſitzt. Jch ſage Jhnen, gelehrt ſind wir ſchon, das iſt koloſſal. Nächſtens gebe ich ein philo- ſophiſches Buch heraus, auf das will ich Stadtrat werden, oder vielleicht Regierungsrat. Nämlich wegen der Schwerkraft. Auf dem Mars iſt doch alles leichter. Nun ſchlage ich vor, wenn man ſchwer von Begriffen iſt, ſo geht man auf den Mars, und dort — ah, guten Abend Herr von Schnabel, guten Abend Herr Doktor, guten Abend, Herr Direktor — entſchuldigen Sie, ich will nur die Herren bedienen —‟
Der Wirt wandte ſich zu den eingetretenen Gäſten, die ſich an ihren Stammtiſch ſetzten.
Der Fremde hatte ſeine Mahlzeit beendet. Er ſah nach der Uhr, es war noch zu früh, um Grunthe zu treffen. Er rückte ſich tiefer in die Ecke, blickte in die Zeitung und wandte den Gäſten den Rücken zu. Sie waren ihm bekannt. Seltſam, dachte er im Stillen, während er, ſcheinbar in ſeine Lektüre ver- tieft, auf ihre Stimmen hörte, wie kommen die Leute in dieſe Vorſtadtkneipe? Früher hatten ſie ihren Stammtiſch im „Fürſt Karl Sigmund‟, dieſer Schnabel führte da das große Wort. Er ſcheint auch jetzt wieder zu ſchimpfen.
Die halblauten Stimmen der Stammgäſte waren deutlich vernehmbar, insbeſondere das hohe, quetſchige Organ Schnabels.
„Haben Sie wieder den Knix von der Warſolska geſehen‟, ſagte Schnabel, „wie der Kerl, der Dor, ’rausging? Und wie die Anton die Augen verdrehte?
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0259"n="251"/><fwplace="top"type="header">Die Beſiegten.</fw><lb/>
jeder eine Mark pro Stunde, die er in der Fort-<lb/>
bildungsſchule ſitzt. Jch ſage Jhnen, gelehrt ſind wir<lb/>ſchon, das iſt koloſſal. Nächſtens gebe ich ein philo-<lb/>ſophiſches Buch heraus, auf das will ich Stadtrat<lb/>
werden, oder vielleicht Regierungsrat. Nämlich wegen<lb/>
der Schwerkraft. Auf dem Mars iſt doch alles leichter.<lb/>
Nun ſchlage ich vor, wenn man ſchwer von Begriffen<lb/>
iſt, ſo geht man auf den Mars, und dort — ah,<lb/>
guten Abend Herr von Schnabel, guten Abend Herr<lb/>
Doktor, guten Abend, Herr Direktor — entſchuldigen<lb/>
Sie, ich will nur die Herren bedienen —‟</p><lb/><p>Der Wirt wandte ſich zu den eingetretenen Gäſten,<lb/>
die ſich an ihren Stammtiſch ſetzten.</p><lb/><p>Der Fremde hatte ſeine Mahlzeit beendet. Er ſah<lb/>
nach der Uhr, es war noch zu früh, um Grunthe zu<lb/>
treffen. Er rückte ſich tiefer in die Ecke, blickte in<lb/>
die Zeitung und wandte den Gäſten den Rücken zu.<lb/>
Sie waren ihm bekannt. Seltſam, dachte er im<lb/>
Stillen, während er, ſcheinbar in ſeine Lektüre ver-<lb/>
tieft, auf ihre Stimmen hörte, wie kommen die Leute<lb/>
in dieſe Vorſtadtkneipe? Früher hatten ſie ihren<lb/>
Stammtiſch im „Fürſt Karl Sigmund‟, dieſer Schnabel<lb/>
führte da das große Wort. Er ſcheint auch jetzt<lb/>
wieder zu ſchimpfen.</p><lb/><p>Die halblauten Stimmen der Stammgäſte waren<lb/>
deutlich vernehmbar, insbeſondere das hohe, quetſchige<lb/>
Organ Schnabels.</p><lb/><p>„Haben Sie wieder den Knix von der Warſolska<lb/>
geſehen‟, ſagte Schnabel, „wie der Kerl, der Dor,<lb/>’rausging? Und wie die Anton die Augen verdrehte?<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[251/0259]
Die Beſiegten.
jeder eine Mark pro Stunde, die er in der Fort-
bildungsſchule ſitzt. Jch ſage Jhnen, gelehrt ſind wir
ſchon, das iſt koloſſal. Nächſtens gebe ich ein philo-
ſophiſches Buch heraus, auf das will ich Stadtrat
werden, oder vielleicht Regierungsrat. Nämlich wegen
der Schwerkraft. Auf dem Mars iſt doch alles leichter.
Nun ſchlage ich vor, wenn man ſchwer von Begriffen
iſt, ſo geht man auf den Mars, und dort — ah,
guten Abend Herr von Schnabel, guten Abend Herr
Doktor, guten Abend, Herr Direktor — entſchuldigen
Sie, ich will nur die Herren bedienen —‟
Der Wirt wandte ſich zu den eingetretenen Gäſten,
die ſich an ihren Stammtiſch ſetzten.
Der Fremde hatte ſeine Mahlzeit beendet. Er ſah
nach der Uhr, es war noch zu früh, um Grunthe zu
treffen. Er rückte ſich tiefer in die Ecke, blickte in
die Zeitung und wandte den Gäſten den Rücken zu.
Sie waren ihm bekannt. Seltſam, dachte er im
Stillen, während er, ſcheinbar in ſeine Lektüre ver-
tieft, auf ihre Stimmen hörte, wie kommen die Leute
in dieſe Vorſtadtkneipe? Früher hatten ſie ihren
Stammtiſch im „Fürſt Karl Sigmund‟, dieſer Schnabel
führte da das große Wort. Er ſcheint auch jetzt
wieder zu ſchimpfen.
Die halblauten Stimmen der Stammgäſte waren
deutlich vernehmbar, insbeſondere das hohe, quetſchige
Organ Schnabels.
„Haben Sie wieder den Knix von der Warſolska
geſehen‟, ſagte Schnabel, „wie der Kerl, der Dor,
’rausging? Und wie die Anton die Augen verdrehte?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/259>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.