"Du weißt nicht, was Du verlangst, weißt nicht, welch namenlose Qual diese Stunde mir bereitet. Du verlangst mehr als mein Leben, du verlangst meine Freiheit, meine Numenheit. -- Wenn ich dir nachgebe, wenn ich diesem Rausche der Gegenwart unterliege -- o mein Freund -- dann bin ich keine Nume mehr, dann bin ich ein Mensch! Aus dem reinen Spiel des Gefühls verfalle ich in den Zwang der Leidenschaft, die Freiheit verlöre ich und müßte niedersteigen mit Dir zur Erde. Und kann Deine Liebe das wollen?"
Saltner barg sein Haupt zwischen den Händen, seine Brust hob sich krampfhaft.
"Verzeih mir, La, verzeihe mir," kam es endlich von seinen Lippen.
La nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände und blickte ihn an, ihre Augen strahlten in einem verklärten Glanze.
"Du sollst es wissen, mein Freund," sagte sie langsam, "ich liebe Ell nicht, ich liebe nur Dich."
"La!" hauchte er selig.
Thränen traten in ihre Augen und mit gebrochener Stimme sagte sie: "Und dies ist das Schicksal, das uns trennt."
Er sah sie sprachlos an.
"Jch bin eine Nume, und weil ich ihn nicht liebe, weil ich fühle, daß ich ihn nicht lieben kann, darum müssen wir scheiden. -- Darum müssen wir scheiden", wiederholte sie leise, "denn in dieser Liebe zu Dir ver- löre ich meine Freiheit. Was ich heute sprach, darfst
Gefährlicher Ruheplatz.
„Du weißt nicht, was Du verlangſt, weißt nicht, welch namenloſe Qual dieſe Stunde mir bereitet. Du verlangſt mehr als mein Leben, du verlangſt meine Freiheit, meine Numenheit. — Wenn ich dir nachgebe, wenn ich dieſem Rauſche der Gegenwart unterliege — o mein Freund — dann bin ich keine Nume mehr, dann bin ich ein Menſch! Aus dem reinen Spiel des Gefühls verfalle ich in den Zwang der Leidenſchaft, die Freiheit verlöre ich und müßte niederſteigen mit Dir zur Erde. Und kann Deine Liebe das wollen?‟
„Verzeih mir, La, verzeihe mir,‟ kam es endlich von ſeinen Lippen.
La nahm ſeinen Kopf zwiſchen ihre Hände und blickte ihn an, ihre Augen ſtrahlten in einem verklärten Glanze.
„Du ſollſt es wiſſen, mein Freund,‟ ſagte ſie langſam, „ich liebe Ell nicht, ich liebe nur Dich.‟
„La!‟ hauchte er ſelig.
Thränen traten in ihre Augen und mit gebrochener Stimme ſagte ſie: „Und dies iſt das Schickſal, das uns trennt.‟
Er ſah ſie ſprachlos an.
„Jch bin eine Nume, und weil ich ihn nicht liebe, weil ich fühle, daß ich ihn nicht lieben kann, darum müſſen wir ſcheiden. — Darum müſſen wir ſcheiden‟, wiederholte ſie leiſe, „denn in dieſer Liebe zu Dir ver- löre ich meine Freiheit. Was ich heute ſprach, darfſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0195"n="187"/><fwplace="top"type="header">Gefährlicher Ruheplatz.</fw><lb/><p>„Du weißt nicht, was Du verlangſt, weißt nicht,<lb/>
welch namenloſe Qual dieſe Stunde mir bereitet. Du<lb/>
verlangſt mehr als mein Leben, du verlangſt meine<lb/>
Freiheit, meine Numenheit. — Wenn ich dir nachgebe,<lb/>
wenn ich dieſem Rauſche der Gegenwart unterliege —<lb/>
o mein Freund — dann bin ich keine Nume mehr,<lb/>
dann bin ich ein Menſch! Aus dem reinen Spiel des<lb/>
Gefühls verfalle ich in den Zwang der Leidenſchaft,<lb/>
die Freiheit verlöre ich und müßte niederſteigen<lb/>
mit Dir zur Erde. Und kann Deine Liebe das<lb/>
wollen?‟</p><lb/><p>Saltner barg ſein Haupt zwiſchen den Händen,<lb/>ſeine Bruſt hob ſich krampfhaft.</p><lb/><p>„Verzeih mir, La, verzeihe mir,‟ kam es endlich<lb/>
von ſeinen Lippen.</p><lb/><p>La nahm ſeinen Kopf zwiſchen ihre Hände und<lb/>
blickte ihn an, ihre Augen ſtrahlten in einem verklärten<lb/>
Glanze.</p><lb/><p>„Du ſollſt es wiſſen, mein Freund,‟ſagte ſie<lb/>
langſam, „ich liebe Ell nicht, ich liebe nur Dich.‟</p><lb/><p>„La!‟ hauchte er ſelig.</p><lb/><p>Thränen traten in ihre Augen und mit gebrochener<lb/>
Stimme ſagte ſie: „Und dies iſt das Schickſal, das<lb/>
uns trennt.‟</p><lb/><p>Er ſah ſie ſprachlos an.</p><lb/><p>„Jch bin eine Nume, und weil ich ihn <hirendition="#g">nicht</hi> liebe,<lb/>
weil ich fühle, daß ich ihn nicht lieben kann, darum<lb/>
müſſen wir ſcheiden. — Darum müſſen wir ſcheiden‟,<lb/>
wiederholte ſie leiſe, „denn in dieſer Liebe zu Dir ver-<lb/>
löre ich meine Freiheit. Was ich heute ſprach, darfſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[187/0195]
Gefährlicher Ruheplatz.
„Du weißt nicht, was Du verlangſt, weißt nicht,
welch namenloſe Qual dieſe Stunde mir bereitet. Du
verlangſt mehr als mein Leben, du verlangſt meine
Freiheit, meine Numenheit. — Wenn ich dir nachgebe,
wenn ich dieſem Rauſche der Gegenwart unterliege —
o mein Freund — dann bin ich keine Nume mehr,
dann bin ich ein Menſch! Aus dem reinen Spiel des
Gefühls verfalle ich in den Zwang der Leidenſchaft,
die Freiheit verlöre ich und müßte niederſteigen
mit Dir zur Erde. Und kann Deine Liebe das
wollen?‟
Saltner barg ſein Haupt zwiſchen den Händen,
ſeine Bruſt hob ſich krampfhaft.
„Verzeih mir, La, verzeihe mir,‟ kam es endlich
von ſeinen Lippen.
La nahm ſeinen Kopf zwiſchen ihre Hände und
blickte ihn an, ihre Augen ſtrahlten in einem verklärten
Glanze.
„Du ſollſt es wiſſen, mein Freund,‟ ſagte ſie
langſam, „ich liebe Ell nicht, ich liebe nur Dich.‟
„La!‟ hauchte er ſelig.
Thränen traten in ihre Augen und mit gebrochener
Stimme ſagte ſie: „Und dies iſt das Schickſal, das
uns trennt.‟
Er ſah ſie ſprachlos an.
„Jch bin eine Nume, und weil ich ihn nicht liebe,
weil ich fühle, daß ich ihn nicht lieben kann, darum
müſſen wir ſcheiden. — Darum müſſen wir ſcheiden‟,
wiederholte ſie leiſe, „denn in dieſer Liebe zu Dir ver-
löre ich meine Freiheit. Was ich heute ſprach, darfſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/195>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.