Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Achtunddreißigstes Kapitel. Luftschiffen. Er saß also gerade in dem Ziel selbstdarin! Die erste Granate war zu weit gegangen, die zweite zu nahe, die dritte würde sicherlich treffen. Und jetzt sofort mußte der Schuß erfolgen! Da hatte er sich ja einen recht geeigneten Ort zur Ruhe aus- gesucht! Ob noch Zeit war hinauszuspringen? Jn- stinktiv wollte er es thun, aber er faßte sich. Draußen war es offenbar noch gefährlicher -- die Martier er- warteten ja wohl, daß das Ziel Widerstand leiste. Freilich, diese dünnen Wände! Jetzt sah er, wo das Geschütz stand. Es blitzte auf. Er empfahl seine Seele Gott und richtete seinen Blick standhaft gegen die Schußrichtung. Er hörte das Heransausen des Geschosses. Und wie ein Wunder schien es ihm, was er sah. Etwa zehn Meter vor seinem Standpunkt, in gleicher Höhe wie das Schiff, in welchem er sich befand, wurde die Granate sichtbar, weil sie plötzlich langsam heranschwebte. Noch auf fünf, auf vier Meter näherte sie sich -- Saltners Züge verzerrten sich krampfhaft, aber er konnte den Blick von dem Ver- derben drohenden Geschoß nicht abwenden. Jetzt stand es still, ohne zu explodieren -- und vor seinen Augen verschwand die stählerne Spitze, der Bleimantel, die Sprengladung löste sich unschädlich auf und der Rest des Geschosses, zu einer mürben Masse zer- setzt, senkte sich langsam, wie ein Häufchen Asche, zu Boden. Saltner glaubte zu träumen. Aber schon vernahm Achtunddreißigſtes Kapitel. Luftſchiffen. Er ſaß alſo gerade in dem Ziel ſelbſtdarin! Die erſte Granate war zu weit gegangen, die zweite zu nahe, die dritte würde ſicherlich treffen. Und jetzt ſofort mußte der Schuß erfolgen! Da hatte er ſich ja einen recht geeigneten Ort zur Ruhe aus- geſucht! Ob noch Zeit war hinauszuſpringen? Jn- ſtinktiv wollte er es thun, aber er faßte ſich. Draußen war es offenbar noch gefährlicher — die Martier er- warteten ja wohl, daß das Ziel Widerſtand leiſte. Freilich, dieſe dünnen Wände! Jetzt ſah er, wo das Geſchütz ſtand. Es blitzte auf. Er empfahl ſeine Seele Gott und richtete ſeinen Blick ſtandhaft gegen die Schußrichtung. Er hörte das Heranſauſen des Geſchoſſes. Und wie ein Wunder ſchien es ihm, was er ſah. Etwa zehn Meter vor ſeinem Standpunkt, in gleicher Höhe wie das Schiff, in welchem er ſich befand, wurde die Granate ſichtbar, weil ſie plötzlich langſam heranſchwebte. Noch auf fünf, auf vier Meter näherte ſie ſich — Saltners Züge verzerrten ſich krampfhaft, aber er konnte den Blick von dem Ver- derben drohenden Geſchoß nicht abwenden. Jetzt ſtand es ſtill, ohne zu explodieren — und vor ſeinen Augen verſchwand die ſtählerne Spitze, der Bleimantel, die Sprengladung löſte ſich unſchädlich auf und der Reſt des Geſchoſſes, zu einer mürben Maſſe zer- ſetzt, ſenkte ſich langſam, wie ein Häufchen Aſche, zu Boden. Saltner glaubte zu träumen. Aber ſchon vernahm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0184" n="176"/><fw place="top" type="header">Achtunddreißigſtes Kapitel.</fw><lb/> Luftſchiffen. Er ſaß alſo gerade in dem Ziel ſelbſt<lb/> darin! Die erſte Granate war zu weit gegangen, die<lb/> zweite zu nahe, die dritte würde ſicherlich treffen.<lb/> Und jetzt ſofort mußte der Schuß erfolgen! Da hatte<lb/> er ſich ja einen recht geeigneten Ort zur Ruhe aus-<lb/> geſucht! Ob noch Zeit war hinauszuſpringen? Jn-<lb/> ſtinktiv wollte er es thun, aber er faßte ſich. Draußen<lb/> war es offenbar noch gefährlicher — die Martier er-<lb/> warteten ja wohl, daß das Ziel Widerſtand leiſte.<lb/> Freilich, dieſe dünnen Wände! Jetzt ſah er, wo das<lb/> Geſchütz ſtand. Es blitzte auf. Er empfahl ſeine<lb/> Seele Gott und richtete ſeinen Blick ſtandhaft gegen<lb/> die Schußrichtung. Er hörte das Heranſauſen des<lb/> Geſchoſſes. Und wie ein Wunder ſchien es ihm, was<lb/> er ſah. Etwa zehn Meter vor ſeinem Standpunkt,<lb/> in gleicher Höhe wie das Schiff, in welchem er ſich<lb/> befand, wurde die Granate ſichtbar, weil ſie plötzlich<lb/> langſam heranſchwebte. Noch auf fünf, auf vier Meter<lb/> näherte ſie ſich — Saltners Züge verzerrten ſich<lb/> krampfhaft, aber er konnte den Blick von dem Ver-<lb/> derben drohenden Geſchoß nicht abwenden. Jetzt ſtand<lb/> es ſtill, ohne zu explodieren — und vor ſeinen Augen<lb/> verſchwand die ſtählerne Spitze, der Bleimantel, die<lb/> Sprengladung löſte ſich unſchädlich auf und der<lb/> Reſt des Geſchoſſes, zu einer mürben Maſſe zer-<lb/> ſetzt, ſenkte ſich langſam, wie ein Häufchen Aſche, zu<lb/> Boden.</p><lb/> <p>Saltner glaubte zu träumen. Aber ſchon vernahm<lb/> er das Heranſauſen einer zweiten Granate. Dasſelbe<lb/> Schauſpiel — nahe vor der Spitze des Schiffes, gegen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0184]
Achtunddreißigſtes Kapitel.
Luftſchiffen. Er ſaß alſo gerade in dem Ziel ſelbſt
darin! Die erſte Granate war zu weit gegangen, die
zweite zu nahe, die dritte würde ſicherlich treffen.
Und jetzt ſofort mußte der Schuß erfolgen! Da hatte
er ſich ja einen recht geeigneten Ort zur Ruhe aus-
geſucht! Ob noch Zeit war hinauszuſpringen? Jn-
ſtinktiv wollte er es thun, aber er faßte ſich. Draußen
war es offenbar noch gefährlicher — die Martier er-
warteten ja wohl, daß das Ziel Widerſtand leiſte.
Freilich, dieſe dünnen Wände! Jetzt ſah er, wo das
Geſchütz ſtand. Es blitzte auf. Er empfahl ſeine
Seele Gott und richtete ſeinen Blick ſtandhaft gegen
die Schußrichtung. Er hörte das Heranſauſen des
Geſchoſſes. Und wie ein Wunder ſchien es ihm, was
er ſah. Etwa zehn Meter vor ſeinem Standpunkt,
in gleicher Höhe wie das Schiff, in welchem er ſich
befand, wurde die Granate ſichtbar, weil ſie plötzlich
langſam heranſchwebte. Noch auf fünf, auf vier Meter
näherte ſie ſich — Saltners Züge verzerrten ſich
krampfhaft, aber er konnte den Blick von dem Ver-
derben drohenden Geſchoß nicht abwenden. Jetzt ſtand
es ſtill, ohne zu explodieren — und vor ſeinen Augen
verſchwand die ſtählerne Spitze, der Bleimantel, die
Sprengladung löſte ſich unſchädlich auf und der
Reſt des Geſchoſſes, zu einer mürben Maſſe zer-
ſetzt, ſenkte ſich langſam, wie ein Häufchen Aſche, zu
Boden.
Saltner glaubte zu träumen. Aber ſchon vernahm
er das Heranſauſen einer zweiten Granate. Dasſelbe
Schauſpiel — nahe vor der Spitze des Schiffes, gegen
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