beweggrund gewesen sei, der sie hier zurückhielt -- er hatte sich dessen geschmeichelt. Aber warum war er in den letzten Tagen so zweifelhaft geworden? Warum hatte er nicht die Zeit gefunden, sie aufzusuchen?
Er konnte es sich nicht verhehlen, er war eifer- süchtig. Fast jedesmal in der letzten Zeit hatte er Ell bei La getroffen, oder sie war während seiner An- wesenheit von Ell aus der Ferne angesprochen worden. Und wie begegnete sie Ell! Jedes Wort, jeder Blick zwischen ihnen war sofort verstanden, ihren Gesprächen vermochte er nicht zu folgen, es waren zwei Nume, die sich unterhielten, die sich gefielen, die -- Es konnte ja gar kein Zweifel sein, wer mußte nicht La lieben, der sie näher kennen lernte? Und er, wie konnte er sich mit dem Martiersohn vergleichen, der La eben- bürtig war und doch den eigentümlichen Reiz des Menschentums besaß! Er hätte diesen Ell hassen mögen, er nannte ihn einen Verräter an der Mensch- heit und einen Räuber seines Glücks. Und doch, konnte man den einen Verräter nennen, der nur zu seinem eigentlichen Vaterlande zurückkehrte, das ihm durch ein unverschuldetes Geschick geraubt war? Und welches Recht hatte er selbst an La? Was entbehrte er überhaupt? Sie entzog sich ihm nicht um Ells willen, sie war ebenso lieb und gut wie früher, ja vielleicht sorgsamer und zärtlicher wie je, sie zeigte ihm in jedem Augenblicke, wie wert er ihr war. Aber sie zeigte es auch Ell. Das störte ihn, das empörte ihn, sie aber fand es offenbar ganz in Ordnung. Sie war eine Martierin -- sie hatte ihn ja gewarnt;
Saltners Reiſe.
beweggrund geweſen ſei, der ſie hier zurückhielt — er hatte ſich deſſen geſchmeichelt. Aber warum war er in den letzten Tagen ſo zweifelhaft geworden? Warum hatte er nicht die Zeit gefunden, ſie aufzuſuchen?
Er konnte es ſich nicht verhehlen, er war eifer- ſüchtig. Faſt jedesmal in der letzten Zeit hatte er Ell bei La getroffen, oder ſie war während ſeiner An- weſenheit von Ell aus der Ferne angeſprochen worden. Und wie begegnete ſie Ell! Jedes Wort, jeder Blick zwiſchen ihnen war ſofort verſtanden, ihren Geſprächen vermochte er nicht zu folgen, es waren zwei Nume, die ſich unterhielten, die ſich gefielen, die — Es konnte ja gar kein Zweifel ſein, wer mußte nicht La lieben, der ſie näher kennen lernte? Und er, wie konnte er ſich mit dem Martierſohn vergleichen, der La eben- bürtig war und doch den eigentümlichen Reiz des Menſchentums beſaß! Er hätte dieſen Ell haſſen mögen, er nannte ihn einen Verräter an der Menſch- heit und einen Räuber ſeines Glücks. Und doch, konnte man den einen Verräter nennen, der nur zu ſeinem eigentlichen Vaterlande zurückkehrte, das ihm durch ein unverſchuldetes Geſchick geraubt war? Und welches Recht hatte er ſelbſt an La? Was entbehrte er überhaupt? Sie entzog ſich ihm nicht um Ells willen, ſie war ebenſo lieb und gut wie früher, ja vielleicht ſorgſamer und zärtlicher wie je, ſie zeigte ihm in jedem Augenblicke, wie wert er ihr war. Aber ſie zeigte es auch Ell. Das ſtörte ihn, das empörte ihn, ſie aber fand es offenbar ganz in Ordnung. Sie war eine Martierin — ſie hatte ihn ja gewarnt;
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Saltners Reiſe.
beweggrund geweſen ſei, der ſie hier zurückhielt — er
hatte ſich deſſen geſchmeichelt. Aber warum war er
in den letzten Tagen ſo zweifelhaft geworden? Warum
hatte er nicht die Zeit gefunden, ſie aufzuſuchen?
Er konnte es ſich nicht verhehlen, er war eifer-
ſüchtig. Faſt jedesmal in der letzten Zeit hatte er
Ell bei La getroffen, oder ſie war während ſeiner An-
weſenheit von Ell aus der Ferne angeſprochen worden.
Und wie begegnete ſie Ell! Jedes Wort, jeder Blick
zwiſchen ihnen war ſofort verſtanden, ihren Geſprächen
vermochte er nicht zu folgen, es waren zwei Nume,
die ſich unterhielten, die ſich gefielen, die — Es konnte
ja gar kein Zweifel ſein, wer mußte nicht La lieben,
der ſie näher kennen lernte? Und er, wie konnte er
ſich mit dem Martierſohn vergleichen, der La eben-
bürtig war und doch den eigentümlichen Reiz des
Menſchentums beſaß! Er hätte dieſen Ell haſſen
mögen, er nannte ihn einen Verräter an der Menſch-
heit und einen Räuber ſeines Glücks. Und doch,
konnte man den einen Verräter nennen, der nur zu
ſeinem eigentlichen Vaterlande zurückkehrte, das ihm
durch ein unverſchuldetes Geſchick geraubt war? Und
welches Recht hatte er ſelbſt an La? Was entbehrte
er überhaupt? Sie entzog ſich ihm nicht um Ells
willen, ſie war ebenſo lieb und gut wie früher, ja
vielleicht ſorgſamer und zärtlicher wie je, ſie zeigte
ihm in jedem Augenblicke, wie wert er ihr war. Aber
ſie zeigte es auch Ell. Das ſtörte ihn, das empörte
ihn, ſie aber fand es offenbar ganz in Ordnung. Sie
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/159>, abgerufen am 25.11.2024.
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