zu folgen vermochte? Sie mochte die beiden nicht zusammensehen. Ein Gefühl der Kälte durchzog ihre Seele und machte sie feindselig und unwirsch gegen La wie gegen Ell. Es war ja nichts, das sie ihnen vorwerfen konnte, und doch war ihr dieser Verkehr unbehaglich und verstimmte sie. Wenn dann La ge- gangen war und Ell noch zurückblieb, wenn er dann mit derselben Herzlichkeit zu ihr sprach, die sie eben auch La gegenüber in seinem Tone gehört zu haben glaubte, so stieg es wie Zorn in ihr auf, als wäre ihr etwas genommen, das ihr allein gebührte. Sie war dann unfreundlich gegen Ell, sie machte ihm Vor- würfe, die sie nicht verantworten konnte, und wenn er fort war, bereute sie ihre Worte, ihre Blicke und schalt sich undankbar und schlecht.
Ach, sie kannte auch diesen Zustand, dieses Gefühl der Unzufriedenheit. Und sie konnte es doch nicht ändern. Es war jedesmal so gewesen, wenn Ell an einer anderen Gefallen gefunden hatte. Sie sagte sich selbst, wie thöricht sie sei. Sie hatte jedes Recht auf ihn aufgegeben, sie hatte es zur Bedingung ihrer Freundschaft erhoben, daß er sich keine Hoffnungen mache, mehr von ihr zu besitzen, als diese Freund- schaft. Wie durfte sie ihm verwehren, eine andere zu lieben, da sie selbst verzichtet hatte? Und doch jedes- mal, wenn diese Gefahr zu drohen schien, fühlte sie sich von Eifersucht ergriffen, die sie sich nicht gestehen wollte, und die sie doch ohne ihren Willen ihm durch ihr Benehmen eingestand. Warum auch mußte er ihr das jetzt anthun, wo sie fremd auf fremdem Pla-
Das Retroſpektiv.
zu folgen vermochte? Sie mochte die beiden nicht zuſammenſehen. Ein Gefühl der Kälte durchzog ihre Seele und machte ſie feindſelig und unwirſch gegen La wie gegen Ell. Es war ja nichts, das ſie ihnen vorwerfen konnte, und doch war ihr dieſer Verkehr unbehaglich und verſtimmte ſie. Wenn dann La ge- gangen war und Ell noch zurückblieb, wenn er dann mit derſelben Herzlichkeit zu ihr ſprach, die ſie eben auch La gegenüber in ſeinem Tone gehört zu haben glaubte, ſo ſtieg es wie Zorn in ihr auf, als wäre ihr etwas genommen, das ihr allein gebührte. Sie war dann unfreundlich gegen Ell, ſie machte ihm Vor- würfe, die ſie nicht verantworten konnte, und wenn er fort war, bereute ſie ihre Worte, ihre Blicke und ſchalt ſich undankbar und ſchlecht.
Ach, ſie kannte auch dieſen Zuſtand, dieſes Gefühl der Unzufriedenheit. Und ſie konnte es doch nicht ändern. Es war jedesmal ſo geweſen, wenn Ell an einer anderen Gefallen gefunden hatte. Sie ſagte ſich ſelbſt, wie thöricht ſie ſei. Sie hatte jedes Recht auf ihn aufgegeben, ſie hatte es zur Bedingung ihrer Freundſchaft erhoben, daß er ſich keine Hoffnungen mache, mehr von ihr zu beſitzen, als dieſe Freund- ſchaft. Wie durfte ſie ihm verwehren, eine andere zu lieben, da ſie ſelbſt verzichtet hatte? Und doch jedes- mal, wenn dieſe Gefahr zu drohen ſchien, fühlte ſie ſich von Eiferſucht ergriffen, die ſie ſich nicht geſtehen wollte, und die ſie doch ohne ihren Willen ihm durch ihr Benehmen eingeſtand. Warum auch mußte er ihr das jetzt anthun, wo ſie fremd auf fremdem Pla-
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Das Retroſpektiv.
zu folgen vermochte? Sie mochte die beiden nicht
zuſammenſehen. Ein Gefühl der Kälte durchzog ihre
Seele und machte ſie feindſelig und unwirſch gegen
La wie gegen Ell. Es war ja nichts, das ſie ihnen
vorwerfen konnte, und doch war ihr dieſer Verkehr
unbehaglich und verſtimmte ſie. Wenn dann La ge-
gangen war und Ell noch zurückblieb, wenn er dann
mit derſelben Herzlichkeit zu ihr ſprach, die ſie eben
auch La gegenüber in ſeinem Tone gehört zu haben
glaubte, ſo ſtieg es wie Zorn in ihr auf, als wäre
ihr etwas genommen, das ihr allein gebührte. Sie
war dann unfreundlich gegen Ell, ſie machte ihm Vor-
würfe, die ſie nicht verantworten konnte, und wenn
er fort war, bereute ſie ihre Worte, ihre Blicke und
ſchalt ſich undankbar und ſchlecht.
Ach, ſie kannte auch dieſen Zuſtand, dieſes Gefühl
der Unzufriedenheit. Und ſie konnte es doch nicht
ändern. Es war jedesmal ſo geweſen, wenn Ell an
einer anderen Gefallen gefunden hatte. Sie ſagte ſich
ſelbſt, wie thöricht ſie ſei. Sie hatte jedes Recht auf
ihn aufgegeben, ſie hatte es zur Bedingung ihrer
Freundſchaft erhoben, daß er ſich keine Hoffnungen
mache, mehr von ihr zu beſitzen, als dieſe Freund-
ſchaft. Wie durfte ſie ihm verwehren, eine andere zu
lieben, da ſie ſelbſt verzichtet hatte? Und doch jedes-
mal, wenn dieſe Gefahr zu drohen ſchien, fühlte ſie
ſich von Eiferſucht ergriffen, die ſie ſich nicht geſtehen
wollte, und die ſie doch ohne ihren Willen ihm durch
ihr Benehmen eingeſtand. Warum auch mußte er
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/131>, abgerufen am 22.11.2024.
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