Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Dreiunddreißigstes Kapitel.
mit der Wahrheit hervorwagt, wird von Staats wegen
verurteilt oder von seinen Standesgenossen geächtet.
Heuchelei ist überall selbstverständlich. Die Strafen
sind barbarisch, Freiheitsberaubung gilt noch als mild.
Morde kommen alle Tage vor, Diebstähle alle Stunden.
Gegen die sogenannten unzivilisierten Völker scheut
man sich nicht, nach Belieben Massengemetzel in Scene
zu setzen. Doch genug hiervon! Und diese Bande
sollen wir als Vernunftwesen anerkennen? Wir meinen,
es ist unsre Pflicht, sie ohne Zaudern zur Raison zu
bringen durch die Mittel, die ihr allein verständlich
sind, durch Gewalt. Es sind wilde Tiere, die wir zu
bändigen haben. Denn sie sind um so gefährlicher, als
sie Spuren von Jntelligenz besitzen. Leider hat man
sich, wie es scheint, in der Regierung durch einzelne
Exemplare dieser Gesellschaft täuschen lassen, und wir
wollen nur hoffen, daß hierbei bloß ein Jrrtum und
nicht eine Rücksicht auf gewisse Beziehungen vorliegt --"

Ell unterbrach sich.

"Das ist denn doch zu arg!" rief er. "Das sind
Verdächtigungen, die man sich nicht gefallen lassen
kann."

"Meine Befürchtung!" sagte La. "Die Berührung
mit den Menschen bringt einen Ton in unser Ver-
halten, wie er sonst im öffentlichen Leben nicht Sitte
war. Nein, Ell, nein, meine lieben Freunde, Sie sind
gewiß nicht daran schuld; es liegt in der Sache selbst
-- die antibatische Bewegung setzt eine Verrohung
des Gemüts überhaupt voraus."

Saltner rieb sich ingrimmig die Hände. "Lesen Sie

Dreiunddreißigſtes Kapitel.
mit der Wahrheit hervorwagt, wird von Staats wegen
verurteilt oder von ſeinen Standesgenoſſen geächtet.
Heuchelei iſt überall ſelbſtverſtändlich. Die Strafen
ſind barbariſch, Freiheitsberaubung gilt noch als mild.
Morde kommen alle Tage vor, Diebſtähle alle Stunden.
Gegen die ſogenannten unziviliſierten Völker ſcheut
man ſich nicht, nach Belieben Maſſengemetzel in Scene
zu ſetzen. Doch genug hiervon! Und dieſe Bande
ſollen wir als Vernunftweſen anerkennen? Wir meinen,
es iſt unſre Pflicht, ſie ohne Zaudern zur Raiſon zu
bringen durch die Mittel, die ihr allein verſtändlich
ſind, durch Gewalt. Es ſind wilde Tiere, die wir zu
bändigen haben. Denn ſie ſind um ſo gefährlicher, als
ſie Spuren von Jntelligenz beſitzen. Leider hat man
ſich, wie es ſcheint, in der Regierung durch einzelne
Exemplare dieſer Geſellſchaft täuſchen laſſen, und wir
wollen nur hoffen, daß hierbei bloß ein Jrrtum und
nicht eine Rückſicht auf gewiſſe Beziehungen vorliegt —‟

Ell unterbrach ſich.

„Das iſt denn doch zu arg!‟ rief er. „Das ſind
Verdächtigungen, die man ſich nicht gefallen laſſen
kann.‟

„Meine Befürchtung!‟ ſagte La. „Die Berührung
mit den Menſchen bringt einen Ton in unſer Ver-
halten, wie er ſonſt im öffentlichen Leben nicht Sitte
war. Nein, Ell, nein, meine lieben Freunde, Sie ſind
gewiß nicht daran ſchuld; es liegt in der Sache ſelbſt
— die antibatiſche Bewegung ſetzt eine Verrohung
des Gemüts überhaupt voraus.‟

Saltner rieb ſich ingrimmig die Hände. „Leſen Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="102"/><fw place="top" type="header">Dreiunddreißig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
mit der Wahrheit hervorwagt, wird von Staats wegen<lb/>
verurteilt oder von &#x017F;einen Standesgeno&#x017F;&#x017F;en geächtet.<lb/>
Heuchelei i&#x017F;t überall &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich. Die Strafen<lb/>
&#x017F;ind barbari&#x017F;ch, Freiheitsberaubung gilt noch als mild.<lb/>
Morde kommen alle Tage vor, Dieb&#x017F;tähle alle Stunden.<lb/>
Gegen die &#x017F;ogenannten unzivili&#x017F;ierten Völker &#x017F;cheut<lb/>
man &#x017F;ich nicht, nach Belieben Ma&#x017F;&#x017F;engemetzel in Scene<lb/>
zu &#x017F;etzen. Doch genug hiervon! Und die&#x017F;e Bande<lb/>
&#x017F;ollen wir als Vernunftwe&#x017F;en anerkennen? Wir meinen,<lb/>
es i&#x017F;t un&#x017F;re Pflicht, &#x017F;ie ohne Zaudern zur Rai&#x017F;on zu<lb/>
bringen durch die Mittel, die ihr allein ver&#x017F;tändlich<lb/>
&#x017F;ind, durch Gewalt. Es &#x017F;ind wilde Tiere, die wir zu<lb/>
bändigen haben. Denn &#x017F;ie &#x017F;ind um &#x017F;o gefährlicher, als<lb/>
&#x017F;ie Spuren von Jntelligenz be&#x017F;itzen. Leider hat man<lb/>
&#x017F;ich, wie es &#x017F;cheint, in der Regierung durch einzelne<lb/>
Exemplare die&#x017F;er Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft täu&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en, und wir<lb/>
wollen nur hoffen, daß hierbei bloß ein Jrrtum und<lb/>
nicht eine Rück&#x017F;icht auf gewi&#x017F;&#x017F;e Beziehungen vorliegt &#x2014;&#x201F;</p><lb/>
          <p>Ell unterbrach &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t denn doch zu arg!&#x201F; rief er. &#x201E;Das &#x017F;ind<lb/>
Verdächtigungen, die man &#x017F;ich nicht gefallen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
kann.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Meine Befürchtung!&#x201F; &#x017F;agte La. &#x201E;Die Berührung<lb/>
mit den Men&#x017F;chen bringt einen Ton in un&#x017F;er Ver-<lb/>
halten, wie er &#x017F;on&#x017F;t im öffentlichen Leben nicht Sitte<lb/>
war. Nein, Ell, nein, meine lieben Freunde, Sie &#x017F;ind<lb/>
gewiß nicht daran &#x017F;chuld; es liegt in der Sache &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x2014; die antibati&#x017F;che Bewegung &#x017F;etzt eine Verrohung<lb/>
des Gemüts überhaupt voraus.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Saltner rieb &#x017F;ich ingrimmig die Hände. &#x201E;Le&#x017F;en Sie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0110] Dreiunddreißigſtes Kapitel. mit der Wahrheit hervorwagt, wird von Staats wegen verurteilt oder von ſeinen Standesgenoſſen geächtet. Heuchelei iſt überall ſelbſtverſtändlich. Die Strafen ſind barbariſch, Freiheitsberaubung gilt noch als mild. Morde kommen alle Tage vor, Diebſtähle alle Stunden. Gegen die ſogenannten unziviliſierten Völker ſcheut man ſich nicht, nach Belieben Maſſengemetzel in Scene zu ſetzen. Doch genug hiervon! Und dieſe Bande ſollen wir als Vernunftweſen anerkennen? Wir meinen, es iſt unſre Pflicht, ſie ohne Zaudern zur Raiſon zu bringen durch die Mittel, die ihr allein verſtändlich ſind, durch Gewalt. Es ſind wilde Tiere, die wir zu bändigen haben. Denn ſie ſind um ſo gefährlicher, als ſie Spuren von Jntelligenz beſitzen. Leider hat man ſich, wie es ſcheint, in der Regierung durch einzelne Exemplare dieſer Geſellſchaft täuſchen laſſen, und wir wollen nur hoffen, daß hierbei bloß ein Jrrtum und nicht eine Rückſicht auf gewiſſe Beziehungen vorliegt —‟ Ell unterbrach ſich. „Das iſt denn doch zu arg!‟ rief er. „Das ſind Verdächtigungen, die man ſich nicht gefallen laſſen kann.‟ „Meine Befürchtung!‟ ſagte La. „Die Berührung mit den Menſchen bringt einen Ton in unſer Ver- halten, wie er ſonſt im öffentlichen Leben nicht Sitte war. Nein, Ell, nein, meine lieben Freunde, Sie ſind gewiß nicht daran ſchuld; es liegt in der Sache ſelbſt — die antibatiſche Bewegung ſetzt eine Verrohung des Gemüts überhaupt voraus.‟ Saltner rieb ſich ingrimmig die Hände. „Leſen Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/110
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/110>, abgerufen am 22.11.2024.