Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebentes Kapitel.

Grunthe suchte seine Gedanken zu sammeln. Er
lag sorgfältig gebettet und in einem Schlafgewand,
das nicht das seinige war, in einem erwärmten Zimmer.
Seinen Fuß, der ihn übrigens nicht schmerzte, konnte
er nicht bewegen; dieser befand sich in einem festen
Verbande. Er fühlte sich matt, aber vollständig bei
Sinnen und ohne merkliche Beschwerden. Kopf und
Arme, bis zu einem gewissen Grade auch den Ober-
körper, konnte er willkürlich bewegen. Er war also
nach seinem Sturze ins Wasser gerettet worden. Wo
aber befand er sich und wer waren die Retter?

Die anfängliche Täuschung, daß er an der Stelle,
wo der Schirm stand, in eine wirkliche Nachtlandschaft
sehe, konnte bei ihm nicht lange anhalten, da diese
Figuren enthielt, welche sich nicht bewegten. Er hatte
also ein Bild vor sich. Demnach war das Meer, wie
er auch aus der Farbe und Art der Beleuchtung schloß,
wohl nichts anderes, als das Polarmeer, in welches
der Ballon gestürzt war, er befand sich auf der Jnsel,
und seine Retter waren die Bewohner dieser Jnsel.
Wer waren sie, und was hatte er von ihnen zu er-
warten? Darauf konzentrierten sich alle seine Ge-
danken.

Er bewegte seine Arme, er beobachtete seine Atmung,
seinen Puls, er hörte das Rauschen des Meeres --
alle Erscheinungen der Natur waren unverändert, er
war auf der Erde, und doch konnten die Wesen, die
hier wohnten, keine Menschen sein. Der Stoff seines
Gewandes, seiner Decke, seines Lagers war ihm voll-
ständig unbekannt, daraus konnte er keinen Schluß

Siebentes Kapitel.

Grunthe ſuchte ſeine Gedanken zu ſammeln. Er
lag ſorgfältig gebettet und in einem Schlafgewand,
das nicht das ſeinige war, in einem erwärmten Zimmer.
Seinen Fuß, der ihn übrigens nicht ſchmerzte, konnte
er nicht bewegen; dieſer befand ſich in einem feſten
Verbande. Er fühlte ſich matt, aber vollſtändig bei
Sinnen und ohne merkliche Beſchwerden. Kopf und
Arme, bis zu einem gewiſſen Grade auch den Ober-
körper, konnte er willkürlich bewegen. Er war alſo
nach ſeinem Sturze ins Waſſer gerettet worden. Wo
aber befand er ſich und wer waren die Retter?

Die anfängliche Täuſchung, daß er an der Stelle,
wo der Schirm ſtand, in eine wirkliche Nachtlandſchaft
ſehe, konnte bei ihm nicht lange anhalten, da dieſe
Figuren enthielt, welche ſich nicht bewegten. Er hatte
alſo ein Bild vor ſich. Demnach war das Meer, wie
er auch aus der Farbe und Art der Beleuchtung ſchloß,
wohl nichts anderes, als das Polarmeer, in welches
der Ballon geſtürzt war, er befand ſich auf der Jnſel,
und ſeine Retter waren die Bewohner dieſer Jnſel.
Wer waren ſie, und was hatte er von ihnen zu er-
warten? Darauf konzentrierten ſich alle ſeine Ge-
danken.

Er bewegte ſeine Arme, er beobachtete ſeine Atmung,
ſeinen Puls, er hörte das Rauſchen des Meeres —
alle Erſcheinungen der Natur waren unverändert, er
war auf der Erde, und doch konnten die Weſen, die
hier wohnten, keine Menſchen ſein. Der Stoff ſeines
Gewandes, ſeiner Decke, ſeines Lagers war ihm voll-
ſtändig unbekannt, daraus konnte er keinen Schluß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0096" n="88"/>
          <fw place="top" type="header">Siebentes Kapitel.</fw><lb/>
          <p>Grunthe &#x017F;uchte &#x017F;eine Gedanken zu &#x017F;ammeln. Er<lb/>
lag &#x017F;orgfältig gebettet und in einem Schlafgewand,<lb/>
das nicht das &#x017F;einige war, in einem erwärmten Zimmer.<lb/>
Seinen Fuß, der ihn übrigens nicht &#x017F;chmerzte, konnte<lb/>
er nicht bewegen; die&#x017F;er befand &#x017F;ich in einem fe&#x017F;ten<lb/>
Verbande. Er fühlte &#x017F;ich matt, aber voll&#x017F;tändig bei<lb/>
Sinnen und ohne merkliche Be&#x017F;chwerden. Kopf und<lb/>
Arme, bis zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grade auch den Ober-<lb/>
körper, konnte er willkürlich bewegen. Er war al&#x017F;o<lb/>
nach &#x017F;einem Sturze ins Wa&#x017F;&#x017F;er gerettet worden. Wo<lb/>
aber befand er &#x017F;ich und wer waren die Retter?</p><lb/>
          <p>Die anfängliche Täu&#x017F;chung, daß er an der Stelle,<lb/>
wo der Schirm &#x017F;tand, in eine wirkliche Nachtland&#x017F;chaft<lb/>
&#x017F;ehe, konnte bei ihm nicht lange anhalten, da die&#x017F;e<lb/>
Figuren enthielt, welche &#x017F;ich nicht bewegten. Er hatte<lb/>
al&#x017F;o ein Bild vor &#x017F;ich. Demnach war das Meer, wie<lb/>
er auch aus der Farbe und Art der Beleuchtung &#x017F;chloß,<lb/>
wohl nichts anderes, als das Polarmeer, in welches<lb/>
der Ballon ge&#x017F;türzt war, er befand &#x017F;ich auf der Jn&#x017F;el,<lb/>
und &#x017F;eine Retter waren die Bewohner die&#x017F;er Jn&#x017F;el.<lb/>
Wer waren &#x017F;ie, und was hatte er von ihnen zu er-<lb/>
warten? Darauf konzentrierten &#x017F;ich alle &#x017F;eine Ge-<lb/>
danken.</p><lb/>
          <p>Er bewegte &#x017F;eine Arme, er beobachtete &#x017F;eine Atmung,<lb/>
&#x017F;einen Puls, er hörte das Rau&#x017F;chen des Meeres &#x2014;<lb/>
alle Er&#x017F;cheinungen der Natur waren unverändert, er<lb/>
war auf der Erde, und doch konnten die We&#x017F;en, die<lb/>
hier wohnten, keine Men&#x017F;chen &#x017F;ein. Der Stoff &#x017F;eines<lb/>
Gewandes, &#x017F;einer Decke, &#x017F;eines Lagers war ihm voll-<lb/>
&#x017F;tändig unbekannt, daraus konnte er keinen Schluß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0096] Siebentes Kapitel. Grunthe ſuchte ſeine Gedanken zu ſammeln. Er lag ſorgfältig gebettet und in einem Schlafgewand, das nicht das ſeinige war, in einem erwärmten Zimmer. Seinen Fuß, der ihn übrigens nicht ſchmerzte, konnte er nicht bewegen; dieſer befand ſich in einem feſten Verbande. Er fühlte ſich matt, aber vollſtändig bei Sinnen und ohne merkliche Beſchwerden. Kopf und Arme, bis zu einem gewiſſen Grade auch den Ober- körper, konnte er willkürlich bewegen. Er war alſo nach ſeinem Sturze ins Waſſer gerettet worden. Wo aber befand er ſich und wer waren die Retter? Die anfängliche Täuſchung, daß er an der Stelle, wo der Schirm ſtand, in eine wirkliche Nachtlandſchaft ſehe, konnte bei ihm nicht lange anhalten, da dieſe Figuren enthielt, welche ſich nicht bewegten. Er hatte alſo ein Bild vor ſich. Demnach war das Meer, wie er auch aus der Farbe und Art der Beleuchtung ſchloß, wohl nichts anderes, als das Polarmeer, in welches der Ballon geſtürzt war, er befand ſich auf der Jnſel, und ſeine Retter waren die Bewohner dieſer Jnſel. Wer waren ſie, und was hatte er von ihnen zu er- warten? Darauf konzentrierten ſich alle ſeine Ge- danken. Er bewegte ſeine Arme, er beobachtete ſeine Atmung, ſeinen Puls, er hörte das Rauſchen des Meeres — alle Erſcheinungen der Natur waren unverändert, er war auf der Erde, und doch konnten die Weſen, die hier wohnten, keine Menſchen ſein. Der Stoff ſeines Gewandes, ſeiner Decke, ſeines Lagers war ihm voll- ſtändig unbekannt, daraus konnte er keinen Schluß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/96
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/96>, abgerufen am 24.11.2024.