Das Extrablatt brachte bereits einen Bericht über den Empfang Grunthes beim Reichskanzler, der indessen offenbar der Phantasie eines Berliner Korrespondenten entsprungen war. Dann aber enthielt es Depeschen aus Rom, Florenz, von der meteorologischen Station des Montblanc, aus Paris und London über die Be- obachtung eines Luftschiffs. Das Luftschiff war zuerst in Rom wahrgenommen worden, wo es am Morgen schon um sieben Uhr auftauchte, die Stadt umkreiste und nach allen Richtungen hin überflog. Es entfernte sich nach einer Stunde, wurde im Laufe des Vor- mittags noch in verschiedenen italienischen Städten ge- sehen, um 11 Uhr umflog es in unmittelbarer Nähe die Spitze des Montblanc, so daß die anwesenden Touristen die Bemannung des Fahrzeugs erkennen konnten. Jn Paris und London waren diese Nach- richten schon durch Extrablätter bekannt gegeben, man achtete also am Nachmittage gespannt darauf, ob sich das Schiff zeigen würde. Alsbald verbreitete sich in Paris das Gerücht, das Luftschiff sei eine Erfindung der Preußen und speziell dazu bestimmt, die Befestigun- gen von Paris auszukundschaften. Jn der That er- schien das Luftschiff um 3 Uhr nachmittags am Horizont und umkreiste in langsamem Segelflug die Forts im Südosten der Stadt. Man wurde unruhig und löste einen Warnungsschuß. Darauf stieg das Schiff etwas höher und umflog nun den ganzen Kreis von Be- festigungen, aber auf der inneren Seite nach der Stadt zu, so daß man ihm nichts anhaben konnte, ohne die Stadt selbst zu gefährden. Um fünf Uhr
Die Lichtdepeſche.
Das Extrablatt brachte bereits einen Bericht über den Empfang Grunthes beim Reichskanzler, der indeſſen offenbar der Phantaſie eines Berliner Korreſpondenten entſprungen war. Dann aber enthielt es Depeſchen aus Rom, Florenz, von der meteorologiſchen Station des Montblanc, aus Paris und London über die Be- obachtung eines Luftſchiffs. Das Luftſchiff war zuerſt in Rom wahrgenommen worden, wo es am Morgen ſchon um ſieben Uhr auftauchte, die Stadt umkreiſte und nach allen Richtungen hin überflog. Es entfernte ſich nach einer Stunde, wurde im Laufe des Vor- mittags noch in verſchiedenen italieniſchen Städten ge- ſehen, um 11 Uhr umflog es in unmittelbarer Nähe die Spitze des Montblanc, ſo daß die anweſenden Touriſten die Bemannung des Fahrzeugs erkennen konnten. Jn Paris und London waren dieſe Nach- richten ſchon durch Extrablätter bekannt gegeben, man achtete alſo am Nachmittage geſpannt darauf, ob ſich das Schiff zeigen würde. Alsbald verbreitete ſich in Paris das Gerücht, das Luftſchiff ſei eine Erfindung der Preußen und ſpeziell dazu beſtimmt, die Befeſtigun- gen von Paris auszukundſchaften. Jn der That er- ſchien das Luftſchiff um 3 Uhr nachmittags am Horizont und umkreiſte in langſamem Segelflug die Forts im Südoſten der Stadt. Man wurde unruhig und löſte einen Warnungsſchuß. Darauf ſtieg das Schiff etwas höher und umflog nun den ganzen Kreis von Be- feſtigungen, aber auf der inneren Seite nach der Stadt zu, ſo daß man ihm nichts anhaben konnte, ohne die Stadt ſelbſt zu gefährden. Um fünf Uhr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0389"n="381"/><fwplace="top"type="header">Die Lichtdepeſche.</fw><lb/><p>Das Extrablatt brachte bereits einen Bericht über<lb/>
den Empfang Grunthes beim Reichskanzler, der indeſſen<lb/>
offenbar der Phantaſie eines Berliner Korreſpondenten<lb/>
entſprungen war. Dann aber enthielt es Depeſchen<lb/>
aus Rom, Florenz, von der meteorologiſchen Station<lb/>
des Montblanc, aus Paris und London über die Be-<lb/>
obachtung eines Luftſchiffs. Das Luftſchiff war zuerſt<lb/>
in Rom wahrgenommen worden, wo es am Morgen<lb/>ſchon um ſieben Uhr auftauchte, die Stadt umkreiſte<lb/>
und nach allen Richtungen hin überflog. Es entfernte<lb/>ſich nach einer Stunde, wurde im Laufe des Vor-<lb/>
mittags noch in verſchiedenen italieniſchen Städten ge-<lb/>ſehen, um 11 Uhr umflog es in unmittelbarer Nähe<lb/>
die Spitze des Montblanc, ſo daß die anweſenden<lb/>
Touriſten die Bemannung des Fahrzeugs erkennen<lb/>
konnten. Jn Paris und London waren dieſe Nach-<lb/>
richten ſchon durch Extrablätter bekannt gegeben, man<lb/>
achtete alſo am Nachmittage geſpannt darauf, ob ſich<lb/>
das Schiff zeigen würde. Alsbald verbreitete ſich in<lb/>
Paris das Gerücht, das Luftſchiff ſei eine Erfindung<lb/>
der Preußen und ſpeziell dazu beſtimmt, die Befeſtigun-<lb/>
gen von Paris auszukundſchaften. Jn der That er-<lb/>ſchien das Luftſchiff um 3 Uhr nachmittags am Horizont<lb/>
und umkreiſte in langſamem Segelflug die Forts im<lb/>
Südoſten der Stadt. Man wurde unruhig und löſte<lb/>
einen Warnungsſchuß. Darauf ſtieg das Schiff etwas<lb/>
höher und umflog nun den ganzen Kreis von Be-<lb/>
feſtigungen, aber auf der inneren Seite nach der<lb/>
Stadt zu, ſo daß man ihm nichts anhaben konnte,<lb/>
ohne die Stadt ſelbſt zu gefährden. Um fünf Uhr<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[381/0389]
Die Lichtdepeſche.
Das Extrablatt brachte bereits einen Bericht über
den Empfang Grunthes beim Reichskanzler, der indeſſen
offenbar der Phantaſie eines Berliner Korreſpondenten
entſprungen war. Dann aber enthielt es Depeſchen
aus Rom, Florenz, von der meteorologiſchen Station
des Montblanc, aus Paris und London über die Be-
obachtung eines Luftſchiffs. Das Luftſchiff war zuerſt
in Rom wahrgenommen worden, wo es am Morgen
ſchon um ſieben Uhr auftauchte, die Stadt umkreiſte
und nach allen Richtungen hin überflog. Es entfernte
ſich nach einer Stunde, wurde im Laufe des Vor-
mittags noch in verſchiedenen italieniſchen Städten ge-
ſehen, um 11 Uhr umflog es in unmittelbarer Nähe
die Spitze des Montblanc, ſo daß die anweſenden
Touriſten die Bemannung des Fahrzeugs erkennen
konnten. Jn Paris und London waren dieſe Nach-
richten ſchon durch Extrablätter bekannt gegeben, man
achtete alſo am Nachmittage geſpannt darauf, ob ſich
das Schiff zeigen würde. Alsbald verbreitete ſich in
Paris das Gerücht, das Luftſchiff ſei eine Erfindung
der Preußen und ſpeziell dazu beſtimmt, die Befeſtigun-
gen von Paris auszukundſchaften. Jn der That er-
ſchien das Luftſchiff um 3 Uhr nachmittags am Horizont
und umkreiſte in langſamem Segelflug die Forts im
Südoſten der Stadt. Man wurde unruhig und löſte
einen Warnungsſchuß. Darauf ſtieg das Schiff etwas
höher und umflog nun den ganzen Kreis von Be-
feſtigungen, aber auf der inneren Seite nach der
Stadt zu, ſo daß man ihm nichts anhaben konnte,
ohne die Stadt ſelbſt zu gefährden. Um fünf Uhr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/389>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.