"Jhre Nachricht ist jünger als die meinige, ist von ihm selbst", fuhr Ell fort. "Jch aber empfing diese Nacht durch Grunthe die Nachricht, daß der Ballon abgestürzt und Jhr Mann verschwunden sei. Jch glaubte ihn tot, und wußte nicht, wie ich Jhnen, Jsma -- aber was ist Jhnen?"
Jsma ergriff seine Hände. "O, Ell, Ell, verzeihen Sie mir!"
Er sah sie erstaunt an.
"Sie halten ihn für gerettet?" rief sie, indem ihr das Blut in die Wangen stieg. "Jm ewigen Eise, in der Polarnacht? Wie soll er gerettet werden?"
"Da er glücklich aus dem Ballon auf die Erde gelangt ist und im Schutze der Eskimos steht, so droht ihm unmittelbar keine Gefahr."
"Aber der Winter?"
"Wo die Eskimos überwintern, wird es Jhrem Manne auch gelingen. Es ist gewiß keine angenehme Aussicht, aber wieviele Forscher haben schon einen Winter in den Schneehütten der Eskimos zugebracht. Und darauf war er, mußten wir alle gefaßt sein, daß ein solcher Unfall eintrat. Nein, Jsma, liebste Freundin, ängstigen Sie sich nicht. Wir werden dafür sorgen, daß im Frühjahr auf allen Seiten des Pols nach ihm gesucht wird. Vielleicht erhalten wir noch eine Nachricht. Er hat ja noch Tauben. Sehen Sie" -- er streichelte ihre Hand und versuchte zu lächeln -- "verzeihen Sie mir, aber die Depesche, die Jhnen nur Trauriges meldete, für mich war sie eine Erlösung. Alles, was Grunthe und Saltner von Jhrem Manne wußten, be-
Dreiundzwanzigſtes Kapitel.
„Jhre Nachricht iſt jünger als die meinige, iſt von ihm ſelbſt‟, fuhr Ell fort. „Jch aber empfing dieſe Nacht durch Grunthe die Nachricht, daß der Ballon abgeſtürzt und Jhr Mann verſchwunden ſei. Jch glaubte ihn tot, und wußte nicht, wie ich Jhnen, Jsma — aber was iſt Jhnen?‟
Jsma ergriff ſeine Hände. „O, Ell, Ell, verzeihen Sie mir!‟
Er ſah ſie erſtaunt an.
„Sie halten ihn für gerettet?‟ rief ſie, indem ihr das Blut in die Wangen ſtieg. „Jm ewigen Eiſe, in der Polarnacht? Wie ſoll er gerettet werden?‟
„Da er glücklich aus dem Ballon auf die Erde gelangt iſt und im Schutze der Eskimos ſteht, ſo droht ihm unmittelbar keine Gefahr.‟
„Aber der Winter?‟
„Wo die Eskimos überwintern, wird es Jhrem Manne auch gelingen. Es iſt gewiß keine angenehme Ausſicht, aber wieviele Forſcher haben ſchon einen Winter in den Schneehütten der Eskimos zugebracht. Und darauf war er, mußten wir alle gefaßt ſein, daß ein ſolcher Unfall eintrat. Nein, Jsma, liebſte Freundin, ängſtigen Sie ſich nicht. Wir werden dafür ſorgen, daß im Frühjahr auf allen Seiten des Pols nach ihm geſucht wird. Vielleicht erhalten wir noch eine Nachricht. Er hat ja noch Tauben. Sehen Sie‟ — er ſtreichelte ihre Hand und verſuchte zu lächeln — „verzeihen Sie mir, aber die Depeſche, die Jhnen nur Trauriges meldete, für mich war ſie eine Erlöſung. Alles, was Grunthe und Saltner von Jhrem Manne wußten, be-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0364"n="356"/><fwplace="top"type="header">Dreiundzwanzigſtes Kapitel.</fw><lb/><p>„Jhre Nachricht iſt jünger als die meinige, iſt von<lb/>
ihm ſelbſt‟, fuhr Ell fort. „Jch aber empfing dieſe Nacht<lb/>
durch Grunthe die Nachricht, daß der Ballon abgeſtürzt<lb/>
und Jhr Mann verſchwunden ſei. Jch glaubte ihn<lb/>
tot, und wußte nicht, wie ich Jhnen, Jsma — aber<lb/>
was iſt Jhnen?‟</p><lb/><p>Jsma ergriff ſeine Hände. „O, Ell, Ell, verzeihen<lb/>
Sie mir!‟</p><lb/><p>Er ſah ſie erſtaunt an.</p><lb/><p>„Sie halten ihn für gerettet?‟ rief ſie, indem ihr<lb/>
das Blut in die Wangen ſtieg. „Jm ewigen Eiſe,<lb/>
in der Polarnacht? Wie ſoll er gerettet werden?‟</p><lb/><p>„Da er glücklich aus dem Ballon auf die Erde<lb/>
gelangt iſt und im Schutze der Eskimos ſteht, ſo droht<lb/>
ihm unmittelbar keine Gefahr.‟</p><lb/><p>„Aber der Winter?‟</p><lb/><p>„Wo die Eskimos überwintern, wird es Jhrem<lb/>
Manne auch gelingen. Es iſt gewiß keine angenehme<lb/>
Ausſicht, aber wieviele Forſcher haben ſchon einen<lb/>
Winter in den Schneehütten der Eskimos zugebracht.<lb/>
Und darauf war er, mußten wir alle gefaßt ſein, daß<lb/>
ein ſolcher Unfall eintrat. Nein, Jsma, liebſte Freundin,<lb/>
ängſtigen Sie ſich nicht. Wir werden dafür ſorgen,<lb/>
daß im Frühjahr auf allen Seiten des Pols nach ihm<lb/>
geſucht wird. Vielleicht erhalten wir noch eine Nachricht.<lb/>
Er hat ja noch Tauben. Sehen Sie‟— er ſtreichelte<lb/>
ihre Hand und verſuchte zu lächeln —„verzeihen Sie<lb/>
mir, aber die Depeſche, die Jhnen nur Trauriges<lb/>
meldete, für mich war ſie eine Erlöſung. Alles, was<lb/>
Grunthe und Saltner von Jhrem Manne wußten, be-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[356/0364]
Dreiundzwanzigſtes Kapitel.
„Jhre Nachricht iſt jünger als die meinige, iſt von
ihm ſelbſt‟, fuhr Ell fort. „Jch aber empfing dieſe Nacht
durch Grunthe die Nachricht, daß der Ballon abgeſtürzt
und Jhr Mann verſchwunden ſei. Jch glaubte ihn
tot, und wußte nicht, wie ich Jhnen, Jsma — aber
was iſt Jhnen?‟
Jsma ergriff ſeine Hände. „O, Ell, Ell, verzeihen
Sie mir!‟
Er ſah ſie erſtaunt an.
„Sie halten ihn für gerettet?‟ rief ſie, indem ihr
das Blut in die Wangen ſtieg. „Jm ewigen Eiſe,
in der Polarnacht? Wie ſoll er gerettet werden?‟
„Da er glücklich aus dem Ballon auf die Erde
gelangt iſt und im Schutze der Eskimos ſteht, ſo droht
ihm unmittelbar keine Gefahr.‟
„Aber der Winter?‟
„Wo die Eskimos überwintern, wird es Jhrem
Manne auch gelingen. Es iſt gewiß keine angenehme
Ausſicht, aber wieviele Forſcher haben ſchon einen
Winter in den Schneehütten der Eskimos zugebracht.
Und darauf war er, mußten wir alle gefaßt ſein, daß
ein ſolcher Unfall eintrat. Nein, Jsma, liebſte Freundin,
ängſtigen Sie ſich nicht. Wir werden dafür ſorgen,
daß im Frühjahr auf allen Seiten des Pols nach ihm
geſucht wird. Vielleicht erhalten wir noch eine Nachricht.
Er hat ja noch Tauben. Sehen Sie‟ — er ſtreichelte
ihre Hand und verſuchte zu lächeln — „verzeihen Sie
mir, aber die Depeſche, die Jhnen nur Trauriges
meldete, für mich war ſie eine Erlöſung. Alles, was
Grunthe und Saltner von Jhrem Manne wußten, be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/364>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.