zelnen Völker und Staaten sind Mittel, im gegen- seitigen Wettbewerb die Jdee der Menschheit zu er- füllen. Wenn nun einmal der Staat, dem ich ange- höre, durch seinen Erfolg nicht das zweckentsprechende Mittel wäre in Rücksicht auf die Jdee der Menschheit, so wäre es unmoralisch, wenn ich als freie Persönlich- keit mich nur darum für ihn entschiede, weil ich ihm viel verdanke. Die ethische Forderung ist eine andere. Aber bei den Menschen wird immer nach dem un- mittelbaren Gefühl entschieden, und das nennt man dann Patriotismus und hält für Pflicht, was doch bloß Neigung ist."
Jsma blieb stehen. "Aber dann" -- sagte sie langsam -- "mit welchem Rechte gehen wir hier spazieren? Jst das auch Pflicht?"
"Gewiß, wenn sie auch mit der Neigung zusammen- fällt. Sie werden sich selbst doch nicht danach beurteilen, was die Friedauer für richtig halten?"
"Nein", sagte Jsma, indem sie lächelnd zu ihm aufblickte, "kommen Sie ruhig mit durch die Stadt. Glauben Sie nicht, daß wir bald eine Nachricht er- warten können?"
"Die Depesche von Spitzbergen sagt uns, daß die Fahrt am 17. August angetreten ist. Es ist wohl möglich, daß in den nächsten Tagen eine Nachricht eintrifft."
"Sie sind noch immer guten Muts?"
"Jch hoffe zuversichtlich. Glauben Sie mir, ich hätte Jhrem Manne nicht so aufrichtig zugeredet, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß ihm die Expedition in besonderer Weise glücken wird."
21*
Der Sohn des Martiers.
zelnen Völker und Staaten ſind Mittel, im gegen- ſeitigen Wettbewerb die Jdee der Menſchheit zu er- füllen. Wenn nun einmal der Staat, dem ich ange- höre, durch ſeinen Erfolg nicht das zweckentſprechende Mittel wäre in Rückſicht auf die Jdee der Menſchheit, ſo wäre es unmoraliſch, wenn ich als freie Perſönlich- keit mich nur darum für ihn entſchiede, weil ich ihm viel verdanke. Die ethiſche Forderung iſt eine andere. Aber bei den Menſchen wird immer nach dem un- mittelbaren Gefühl entſchieden, und das nennt man dann Patriotismus und hält für Pflicht, was doch bloß Neigung iſt.‟
Jsma blieb ſtehen. „Aber dann‟ — ſagte ſie langſam — „mit welchem Rechte gehen wir hier ſpazieren? Jſt das auch Pflicht?‟
„Gewiß, wenn ſie auch mit der Neigung zuſammen- fällt. Sie werden ſich ſelbſt doch nicht danach beurteilen, was die Friedauer für richtig halten?‟
„Nein‟, ſagte Jsma, indem ſie lächelnd zu ihm aufblickte, „kommen Sie ruhig mit durch die Stadt. Glauben Sie nicht, daß wir bald eine Nachricht er- warten können?‟
„Die Depeſche von Spitzbergen ſagt uns, daß die Fahrt am 17. Auguſt angetreten iſt. Es iſt wohl möglich, daß in den nächſten Tagen eine Nachricht eintrifft.‟
„Sie ſind noch immer guten Muts?‟
„Jch hoffe zuverſichtlich. Glauben Sie mir, ich hätte Jhrem Manne nicht ſo aufrichtig zugeredet, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß ihm die Expedition in beſonderer Weiſe glücken wird.‟
21*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0331"n="323"/><fwplace="top"type="header">Der Sohn des Martiers.</fw><lb/>
zelnen Völker und Staaten ſind Mittel, im gegen-<lb/>ſeitigen Wettbewerb die Jdee der Menſchheit zu er-<lb/>
füllen. Wenn nun einmal der Staat, dem ich ange-<lb/>
höre, durch ſeinen Erfolg nicht das zweckentſprechende<lb/>
Mittel wäre in Rückſicht auf die Jdee der Menſchheit,<lb/>ſo wäre es unmoraliſch, wenn ich als freie Perſönlich-<lb/>
keit mich nur darum für ihn entſchiede, weil ich ihm<lb/>
viel verdanke. Die ethiſche Forderung iſt eine andere.<lb/>
Aber bei den Menſchen wird immer nach dem un-<lb/>
mittelbaren Gefühl entſchieden, und das nennt man<lb/>
dann Patriotismus und hält für Pflicht, was doch<lb/>
bloß Neigung iſt.‟</p><lb/><p>Jsma blieb ſtehen. „Aber dann‟—ſagte ſie<lb/>
langſam —„mit welchem Rechte gehen wir hier<lb/>ſpazieren? Jſt das auch Pflicht?‟</p><lb/><p>„Gewiß, wenn ſie auch mit der Neigung zuſammen-<lb/>
fällt. Sie werden ſich ſelbſt doch nicht danach beurteilen,<lb/>
was die Friedauer für richtig halten?‟</p><lb/><p>„Nein‟, ſagte Jsma, indem ſie lächelnd zu ihm<lb/>
aufblickte, „kommen Sie ruhig mit durch die Stadt.<lb/>
Glauben Sie nicht, daß wir bald eine Nachricht er-<lb/>
warten können?‟</p><lb/><p>„Die Depeſche von Spitzbergen ſagt uns, daß die<lb/>
Fahrt am 17. Auguſt angetreten iſt. Es iſt wohl möglich,<lb/>
daß in den nächſten Tagen eine Nachricht eintrifft.‟</p><lb/><p>„Sie ſind noch immer guten Muts?‟</p><lb/><p>„Jch hoffe zuverſichtlich. Glauben Sie mir, ich<lb/>
hätte Jhrem Manne nicht ſo aufrichtig zugeredet, wenn<lb/>
ich nicht überzeugt wäre, daß ihm die Expedition in<lb/>
beſonderer Weiſe glücken wird.‟</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">21*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[323/0331]
Der Sohn des Martiers.
zelnen Völker und Staaten ſind Mittel, im gegen-
ſeitigen Wettbewerb die Jdee der Menſchheit zu er-
füllen. Wenn nun einmal der Staat, dem ich ange-
höre, durch ſeinen Erfolg nicht das zweckentſprechende
Mittel wäre in Rückſicht auf die Jdee der Menſchheit,
ſo wäre es unmoraliſch, wenn ich als freie Perſönlich-
keit mich nur darum für ihn entſchiede, weil ich ihm
viel verdanke. Die ethiſche Forderung iſt eine andere.
Aber bei den Menſchen wird immer nach dem un-
mittelbaren Gefühl entſchieden, und das nennt man
dann Patriotismus und hält für Pflicht, was doch
bloß Neigung iſt.‟
Jsma blieb ſtehen. „Aber dann‟ — ſagte ſie
langſam — „mit welchem Rechte gehen wir hier
ſpazieren? Jſt das auch Pflicht?‟
„Gewiß, wenn ſie auch mit der Neigung zuſammen-
fällt. Sie werden ſich ſelbſt doch nicht danach beurteilen,
was die Friedauer für richtig halten?‟
„Nein‟, ſagte Jsma, indem ſie lächelnd zu ihm
aufblickte, „kommen Sie ruhig mit durch die Stadt.
Glauben Sie nicht, daß wir bald eine Nachricht er-
warten können?‟
„Die Depeſche von Spitzbergen ſagt uns, daß die
Fahrt am 17. Auguſt angetreten iſt. Es iſt wohl möglich,
daß in den nächſten Tagen eine Nachricht eintrifft.‟
„Sie ſind noch immer guten Muts?‟
„Jch hoffe zuverſichtlich. Glauben Sie mir, ich
hätte Jhrem Manne nicht ſo aufrichtig zugeredet, wenn
ich nicht überzeugt wäre, daß ihm die Expedition in
beſonderer Weiſe glücken wird.‟
21*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/331>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.